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deutsche Unternehmerfamilie, Eigentümer der JAB Benckiser Gruppe Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Unternehmerfamilie Reimann, ursprünglich aus Ludwigshafen am Rhein, ist eine der wohlhabendsten Familien deutscher Herkunft. Ihr Vermögen, 2023 auf 35,5 Milliarden Euro geschätzt, hat seinen Ursprung in der Chemiefirma Reckitt Benckiser (seit März 2021 nur noch Reckitt).
Bei den verschiedenen Familienstämmen Reimann handelt es sich um die folgenden neun von Albert Reimann junior adoptierten Geschwister:
1823 erwarb Johann Adam Benckiser eine Salmiakhütte in Pforzheim. Der Aufstieg der Familie begann, als der Chemiker Karl Ludwig Reimann im Jahr 1851 zusammen mit Johann Adam Benckiser in Pforzheim und 1858 in Ludwigshafen eine Chemiefabrik gründete. Die Produkte waren Weinsäure und Zitronensäure sowie Phosphate. Nachfolger wurde Emil Reimann. Der Chemiker Albert Reimann senior, Enkel von Karl Ludwig Reimann, trieb zusammen mit seinem gleichnamigen Sohn Albert Reimann junior und mit Theodor Benckiser, Enkel von Johann Adam Benckiser, das Geschäft im Laufe der Jahre voran.[9] 1936 zog Benckiser sich gänzlich aus der Firma zurück und trat seine Geschäftsanteile an Albert Reimann sen. ab, womit nach 113 Jahren die Ära der Chemie-Benckiser in Pforzheim und Ludwigshafen endete. Namhafte Erfindungen in den 1950er Jahren verhalfen dem Unternehmen zum Aufstieg, unter anderem erfand Albert Reimann jun. den Wasserenthärter Calgon, in den 1960er Jahren das Maschinengeschirrspülmittel Calgonit. 1963 wurde erstmals ein Familienfremder in die Unternehmensführung mit eingebunden. Martin Gruber wurde erst Einkaufschef und 1978 CEO.[10] Im Jahre 1981 kam Peter Harf hinzu.
Bei den verschiedenen Familienstämmen Reimann handelt es sich um neun Geschwister, deren Vater Albert Reimann junior die Joh. A. Benckiser GmbH in Ludwigshafen gehörte.[11] Vier der Kinder adoptierte Albert Reimann Juli 1958 von seiner Schwester Else Dubbers und zwei Kinder im März 1967 von seinem Neffen Otto Andersen. Seine drei leiblichen Kinder stammen aus der langjährigen außerehelichen Beziehung mit Emilie Landecker und wurden im Juli 1965 adoptiert. Seine Ehe mit Paula blieb kinderlos.[12] Jedem der Kinder wurde 1984 der gleiche Erbanteil am Unternehmen Joh. A. Benckiser zugesprochen.[13]
Seit 2012 engagiert sich die Unternehmerfamilie Reimann über Benckiser im Kaffeegeschäft und übernahm die US-amerikanischen Kaffeeröstereien und Kaffeehausketten Peet’s Coffee & Tea für 825 Millionen Euro und Caribou Coffee für 260 Millionen Euro. Im April 2013 wurde bekannt, dass Reimann für 7,5 Milliarden Euro D.E Master Blenders 1753 (ehemals Douwe Egberts) übernimmt, den niederländischen Marktführer für Kaffee- und Teeprodukte, der auch Senseo-Kaffeepads herstellt.
2014 gaben D.E Master Blenders 1753 und Mondelēz International bekannt,[20] ihre Kaffee-Marken zu einem reinen Kaffeeunternehmen zusammenlegen zu wollen. Das entstehende Joint Venture, an dem Mondelēz International 49 Prozent halten wird, soll Jacobs Douwe Egberts heißen, seinen Sitz in den Niederlanden haben und vom bisherigen Chef von D.E Master Blenders 1753 geführt werden. Jacobs Douwe Egberts kommt auf einen Jahresumsatz von rund 7 Milliarden US-Dollar und einem Weltmarktanteil von 8 Prozent. Im Dezember 2015 wurde zusammen mit anderen Investoren die für 2016 vorgesehene Übernahme des US-amerikanischen Kaffeekapsel-Konzerns und McDonald’s-Lieferanten Keurig Green Mountain für 13,9 Milliarden Dollar bekanntgegeben.[21] Nach Zustimmung der Aufsichtsbehörden und der Aktionäre wurde der Abschluss der Transaktion im März 2016 bekanntgegeben.[22] Seit 2015 ist die JAB Holding der größte Kaffeekonzern der Welt.[23]
Weitere Zukäufe tätigte die JAB Holding im Fast-Food-Geschäft (US-Donutkette Krispy Kreme) und bei Luxus-Lederwaren (Jimmy Choo und andere). Im Juli 2017 verkaufte JAB die Schuhmarke Jimmy Choo an Michael Kors,[24] Ende 2017 die Modemarke Belstaff an Ineos.[25] Seit Februar 2018 hält JAB Holding nur noch eine Minderheitsbeteiligung an Bally.[26] Im Februar 2018 erwarb JAB Holding für 19 Milliarden US-Dollar den US-Softdrinkkonzern Dr Pepper Snapple Group – Hersteller bekannter Marken wie Dr Pepper, 7 Up, Schweppes, A&W Root Beer, Sunkist, Crush, Canada Dry usw. – und fusionierte ihn mit Keurig Green Mountain.[27][28] Im Mai 2018 erwarb sie die britische Sandwich-Ladenkette Pret a Manger mit weltweit 530 Filialen.[29] Im ersten Halbjahr 2019 beteiligte sich die Holding mehrheitlich an dem US-Tierklinikbetreiber Compassion First mit 41 Tierkliniken in 13 US-Bundesstaaten.[30]
Die Reimann-Kinder hätten, so Peter Harf, in den 2000er Jahren angefangen, in Dokumenten ihres Vaters zu stöbern und sie zu lesen. Anfang 2014 sei entschieden worden, die Reimann-Geschichte vollständig und unabhängig aufarbeiten zu lassen. Ab Juli 2016 ließ die heutige Generation der Familie Reimann die Geschichte von Familie und Unternehmen im Dritten Reich[31] vom Wirtschaftshistoriker Paul Erker von der Universität München untersuchen, das Buch erschien im Juli 2023. Christopher Kopper, Wirtschaftshistoriker von der Universität Bielefeld, bestätigte später die Verstrickungen der Familie mit dem nationalsozialistischen Regime: Albert Reimann und sein gleichnamiger Sohn – die beiden Benckiser-Geschäftsführer der ersten und zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – waren offene Unterstützer Adolf Hitlers, ihr Unternehmen galt schon vor der Machtergreifung als NS-Musterbetrieb. In Werken und in der Privatvilla der Reimanns in Ludwigshafen sei es zu Gewalt und Missbrauch an Zwangsarbeitern gekommen. Vor allem Werksschutzleiter Paul Werneburg – bereits seit 1910 bei Benckiser beschäftigt – zeichnet sich durch Willkür und Brutalität aus. Unter seiner Leitung etablierte sich ein regelrechtes Schreckensregime mit vielen Spitzeln zur Erzielung von Arbeitsdisziplin und unbedingtem Gehorsam. Vor gewalttätigen und sexuellen Misshandlungen wurde dabei nicht zurückgesteckt. Werneburg versetzte fremdländischen Gefangenen und Arbeitern, Frauen wie Männern, im Ludwigshafener Werk und im Lager Fußtritte und schlug sie mit den Fäusten oder der Reiterpeitsche.[32] Auch Beschwerden beim Arbeitsamt und der DAF veränderten an der gewalttätigen Situation nichts, Reimann junior deckte Werneburg und sprach betreffs der Vorwürfe von internen Betriebsangelegenheiten. Jedermann bei Benckiser wusste von den Gewaltausübungen Werneburgs, niemand schritt jedoch dagegen ein, nicht die Geschäftsleitung noch die Abteilungsleiter, am allerwenigsten die beiden Betriebsführer Reimann senior und junior oder der Personalleiter Dubbers.
Ungeachtet der chaotischen Lage zum Ende des Zweiten Weltkrieges und der bereits absehbaren militärischen Niederlage glaubte Albert Reimann junior wie auch sein Vater bis zuletzt an den Endsieg.[33] Ludwigshafen wurde am 21. März 1945 von den amerikanischen Truppen besetzt. Reimann junior verlegte darauf das Werk nach Ladenburg und wich in einen Nebenbetrieb nach Kempten ins Allgäu aus – offensichtlich flüchtete er und ließ dabei die Arbeiter und Angestellten im Ludwigshafener Werk im Stich. Am 27. April 1945 wurde dann auch Kempten von den amerikanischen Truppen erobert. Nach Kriegsende verhafteten die Alliierten Albert Reimann junior und internierten ihn in einem Lager zur Entnazifizierung. Vater und Sohn Reimann stellten sich als Opfer der ehemaligen Machthaber dar und wurden als Mitläufer eingestuft. Das ungebrochene Wachstum der damals mittelständischen Firma – die Mitarbeiterzahl von 181 im Jahr 1933 stieg auf 650 während des Zweiten Weltkriegs an – geht zu einem beträchtlichen Teil auch auf den hohen Anteil an Zwangsarbeitern zurück.[34] Die zögerliche Aufarbeitung dieser Historie brachte den Reimann-Enkeln und dem Konzern massive Kritik ein.[35][36] Unter anderem titelte der Boston Globe: „Ich fand heraus, dass Nazi-Kapital hinter meinem Lieblingskaffee steckt. Soll ich ihn weiter trinken?“[37] Gut 2,5 Jahre nach seiner Beauftragung präsentierte Paul Erker im Januar 2019 der Familie die Zwischenergebnisse seiner Recherche. Am 24. März 2019 deckte die Bild am Sonntag auf, wie stark die Reimann-Familie in das NS-System verstrickt war.
Im Juni 2019 überführte die Familie Reimann ihre Benckiser Stiftung Zukunft in die Alfred Landecker Foundation und änderte den Stiftungszweck.[38] Der Vertraute der Familie und Chef der JAB Holding, Peter Harf, äußerte sich 2019: „Reimann senior und Reimann junior waren schuldig. Die beiden Unternehmer haben sich vergangen, sie gehörten eigentlich ins Gefängnis.“[39] Auch Alfred Reimann juniors Schwester Else (NSDAP-Mitglied seit dem 31. Dezember 1931 und ab 1932 Bund-Deutscher-Mädel-Führerin in Heidelberg)[40] und ihr Berliner Ehemann SS-Unterscharführer Hans Dubbers (NSDAP-Mitglied seit Mai 1933) waren dem NS-Regime zugetan sowie Alfred Reimann seniors Ehefrau Else: Wie die Bild berichtete, notierten Behörden zwei Jahre nach Kriegsende über die damals 73-Jährige: „Die Ermittlungen ergaben: In Schlierbach als große Parteigenossin und finanzielle Stütze bekannt.“[41] Wolfgang Reimann glaubt, dass seine Mutter Emilie Landecker die Gräueltaten im Unternehmen miterlebt habe.[35]
Siehe auch:
Im Hause Reimann ist Protzen mit Reichtum verpönt. Die wohl einzige Ausnahme war die Feier zu Albert Reimanns 80. Geburtstag, die der Patriarch mit viel Prominenz und dem Showmaster Frank Elstner als Stargast beging. Ansonsten herrscht bürgerliche Bescheidenheit. Bis heute gibt es so gut wie keine Fotos, kaum Internet-Einträge und keine Interviews.[2] Focus-Redakteur Christoph Elflein bezeichnete die Reimanns als „Familie ohne Gesicht“.[42] Die JAB Holding soll mithilfe ihres Vertrauten Peter Harf einen Wertekanon erstellt haben. Diesen müsse jeder Nachkömmling mit dem 18. Geburtstag unterzeichnen, heißt es. Der Kodex schreibe unter anderem vor, dass ein Reimann die Öffentlichkeit tunlichst zu meiden habe.[7]
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