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Der Begriff Radioballett wurde 2002 von Evelyn Dörr im Zusammenhang mit ihrem satirisch angelegten Charlie-Chaplin-Stück Der Mann im Mond. Ein Radioballett mit Charlie Chaplin verwendet, das am 25. Dezember 2002 vom WDR urgesendet wurde, und in erweiterter Fassung 2008 in der Edition Akustische Bühne erschien. Der Begriff bezeichnet dort das Bühnenarrangement als ein spezifisch choreographisch-akustisches Zusammenwirken von Sprache, Musik und Gestus.
Das Hamburger Künstlerkollektiv Ligna benutzte den Begriff bereits ein gutes halbes Jahr früher für eine Aktion, die am 5. Mai 2002 im Hamburger Hauptbahnhof stattfand[1]: Diese beinhaltet Merkmale der Direkten Aktion, des Smart Mobs und des Protesttheaters und ist, wie es in der Selbstdarstellung der Performance-Gruppe von 2009 heißt, eine „Übung in nichtbestimmungsgemäßem Verweilen“.[2] Als Auslöser für ihre Protestaktionen nennt LIGNA die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums und die damit einhergehende Sanktionierung abweichender Verhaltensweisen[3]. Von LIGNA organisierte Protestaktionen gab es in verschiedenen Städten jeweils in Kooperation mit freien Radios, wobei jeder teilnehmen kann; Voraussetzung ist ein mobiles Radio, über das Verhaltensvorschläge empfangen werden. Über die Radioausstrahlung angeregt werden beispielsweise Handlungen ausprobiert, die nach der jeweils herrschenden Hausordnung erlaubt oder verboten sind (Begrüßung – Hand geben: erlaubt; Betteln – Hand aufhalten: verboten[4]). Eine Verführung zur Teilnahme findet nicht statt; die Radiostimme weist stets darauf hin, dass niemand etwas mitmachen soll, was er nicht will. Die Übungen werden unterbrochen durch Informations-, Theorie- und Reflexionsblöcke.
Die erste Protestaktion solcher Art fand am 5. Mai 2002 im Hamburger Hauptbahnhof statt. Für anderthalb Stunden zogen dort erneut Verhaltensweisen und Gesten ein, die mitsamt den jeweils typischen Randgruppen (Ausländer, Bettler, Dealer, Obdachlose, Punks, Raucher etc.) verdrängt worden waren. Das zweite Radioballett fand, mit rund 500 Teilnehmern, am 22. Juni 2003 im Rahmen des Festivals Entsicherung: Eine theatrale Einmischung in den öffentlichen Raum im Leipziger Hauptbahnhof statt.[5] LIGNAS Protestaktionen sind nicht zwingend an offiziell privatisierte Räume gebunden. Im Rahmen des Projekts Eine Frage (nach) der Geste,[6] von der Hochschule für Grafik und Buchkunst in der Oper Leipzig realisiert, lud Ligna unter dem Titel Normierte Räume – Abweichende Gesten zu einem Radioballett in die Innenstadt. Die Aktion hatte nicht nur Effekte auf die Teilnehmern selbst, sondern auch auf die zahlreich anwesenden Weihnachtsmarktbesucher.
Die Form des Radioballetts wurde mehrfach von anderen Akteuren aufgegriffen und verwendet. Am 26. Oktober 2004 etwa veranstalteten anarchistische Gruppen in Wien ein Radioballett gegen die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag[7], am 9. Mai 2005 fand anlässlich der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz in der Münchner Fußgängerzone ebenfalls ein Radioballett statt.[8] Besondere Beliebtheit erfreute sich die Aktionsform etwa in der Gewerkschaftsjugend, die eine Vielzahl von Radioballetten veranstaltete.[9]
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