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zyklische Verwandtschaft der Tonarten bei harmonischer Umdeutung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Quintenzirkel bezeichnet man in der Musiktheorie eine Reihe von zwölf im Abstand temperierter Quinten angeordneten Tönen, deren letzter Ton die gleiche Tonigkeit wie der erste hat und demzufolge mit ihm gleichgesetzt werden kann. Diese Gleichsetzung ist jedoch nur möglich aufgrund einer enharmonischen Verwechslung. Diese kann an jeder beliebigen Stelle erfolgen. Durch die Rückkehr zum Anfang ergibt sich ein „Rundgang“, der grafisch als Kreis (lat.: circulus „Kreis“) dargestellt wird.
Der Quintenzirkel leistet dreierlei:
Die erste bekannte Darstellung des Quintenzirkels findet sich in einem 1679 gedruckten „Circle of fifths in Idea grammatikii musikiyskoy (Moscow, 1679)“ von Nikolay Diletsky. In einem gedruckten Generalbasstraktat von Johann David Heinichen von 1711 wird der Quintenzirkel ebenfalls schon erwähnt.[1]
Der Quintenzirkel ist eine idealisierende Konstruktion. Er verlangt zusätzlich zum Ordnungssystem der physikalischen Obertonreihe die Möglichkeit zur enharmonischen Umdeutung von Tönen. Ihm liegt die Idee zugrunde, dass bei hinreichend häufiger Anwendung einer pythagoräisch reinen Quinte mit Tonverhältnis exakt 3:2, der letzte Ton der Reihe auf eine Oktave fällt. Damit wären, wenn die Reihe fortgesetzt würde, die folgenden Töne – bis auf die Oktavierung, eine gleiche Wiederholung vom Anfang der Reihe. Das Verfahren ist mathematisch allerdings nicht möglich, sondern führt lediglich zu einer Quintenspirale, bei der kein Ton durch Oktavierung in einen anderen überführt werden kann. Er leitet schließlich zu den neuzeitlichen temperierten Stimmungen über.
Das übliche Beispiel von zwölf reinen Quinten () umschließt ein Intervall von recht genau sieben Oktaven (). Rechnerisch zeigt sich aber, dass nicht gleich sind. Der Abschlusston liegt geringfügig, in der temperierten Stimmung gemessen fast einen Viertel Halbton, etwa 23,5 Cent höher als der zuletzt erreichte Ton der Oktavreihe. Dieser Unterschied wird pythagoreisches Komma genannt. Die Quintenfolge schließt sich nicht zum Kreis, sondern bildet eine Spirale aus. Schließt man die Spirale willkürlich an der siebten Oktave, entsteht die sogenannte, deutlich misstönende Wolfsquinte.
Das Problem, die Quintenspirale ohne solche misstönenden Wolfsquinten zum Kreis zu schließen, wird bei der heute verbreiteten gleichstufig temperierten Stimmung dadurch gelöst, dass man jede der zwölf Quinten um 1/12 des pythagoreischen Kommas verkleinert, so dass man mit dem zwölften Quintschritt exakt zur siebten Oktave des Ausgangstons gelangt. Durch die gleichmäßige Verteilung des Kommas wird erreicht, dass zwar außer der Oktave kein Intervall mehr ganz rein klingt, die Unsauberkeiten jedoch so gering bleiben, dass sie kaum noch stören.
Die Grafik oben in der Einführung zeigt im Äußeren des Kreises die Dur-Tonarten, die im Deutschen mit Großbuchstaben bezeichnet werden.
Im Inneren des Kreises stehen die parallelen Moll-Tonarten, die mit kleinen Buchstaben benannt werden. Sie haben jeweils die gleichen Vorzeichen wie die zugehörigen Dur-Tonarten.
Der Grafik ist zu entnehmen, dass bei einem Fortschreiten im Quintenzirkel mit jeder Tonart ein Vorzeichen hinzutritt oder verschwindet.
Die notwendige enharmonische Verwechslung wird zumeist zwischen Fis- und Ges-Dur vorgenommen, um die Zahl der benötigten Vorzeichen klein zu halten. Man könnte die Umdeutung jedoch auch an jeder anderen Stelle des Quintenzirkels vornehmen. Im Prinzip könnte man jede b-Tonart auch als Kreuz-Tonart und jede Kreuz-Tonart auch als b-Tonart notieren. Zwischen enharmonischen Tonarten besteht hinsichtlich ihrer Vorzeichen ein einfacher Zusammenhang:
Die Vorzeichen treten sukzessive im Quintabstand hinzu, bei den Kreuz-Tonarten aufwärts (im Uhrzeigersinn) fortschreitend. Die Reihenfolge der mit einem ♯ zu versehenden Noten (F, C, G, D, A, E, H...) ist aufgrund des Quintabstandes ebenfalls im Quintenzirkel ablesbar, wenn man bei F beginnt und im Uhrzeigersinn weiter geht. (Die Kreuze (♯) erhöhen Töne um jeweils einen Halbtonschritt):
Als Merkhilfe für die Reihenfolge der Dur-Tonarten mit Kreuz-Vorzeichen im Quintenzirkel wurden zahlreiche Sprüche erfunden, zum Beispiel:
(funktioniert auch: Gerda Denkt An Ein Hohes Fis. Da bei dem anderen Spruch leichter F-Dur (wegen Fische) mit Fis-Dur verwechselt wird)
Die Bewegung der Tonarten ebenso wie das Hinzutreten der Vorzeichen im Quintabstand, die eine Erniedrigung der Töne erzwingen, erfolgt bei den ♭-Tonarten abwärts:
Auch hier lässt sich die Reihenfolge der mit einem ♭ zu versehenden Noten (H, E, A, D, G, C, F, …) aufgrund des Quintabstandes im Quintenzirkel ablesen, wenn man bei H beginnt und gegen den Uhrzeigersinn weitergeht.
Als Merkhilfe für die Reihenfolge der Dur-Tonarten mit b-Vorzeichen im Quintenzirkel wurden zahlreiche Sprüche erfunden, zum Beispiel:
Die Molltonarten sind im Quintenzirkel als Paralleltonarten den Durtonarten zugeordnet. (Paralleltonarten haben die gleichen Vorzeichen.) Bei Kenntnis der Vorzeichen für die Durtonarten kann man die Vorzeichen einer bestimmten Molltonart leicht ermitteln, wenn man weiß, dass die parallele Durtonart stets eine kleine Terz (= drei Halbtonschritte) höher liegt. So hat beispielsweise g-Moll die gleichen Vorzeichen wie das um eine kleine Terz höhere B-Dur.
Die Reihe der Kreuz- und b-Tonarten ließe sich beliebig fortführen, bei den Kreuztonarten etwa: Cis-Dur mit sieben ♯, Gis-Dur mit acht ♯ bis hin zu Eis-Dur mit elf ♯ usw. Aber das macht nicht nur die Notation sehr unübersichtlich; weitere Erhöhungen bereits erhöhter Töne führen auch im Klangbild nur zu schon dagewesenen Tönen.
So würde bei His-Dur (zwölf ♯) neben den aus Fis-Dur schon bekannten 6 ♯ ein „His“ (klingend wie C), ein „Fisis“ (doppelte Erhöhung von F, klingend wie G), ein „Cisis“ (klingend wie D), ein „Gisis“ (klingend wie A), ein „Disis“ (klingend wie E) und ein „Aisis“ (klingend wie H) hinzutreten. Da aber His-Dur sich (bei gleichstufiger Stimmung) nicht von C-Dur unterscheidet, wäre eine solche Notation wenig sinnvoll.
Deshalb nutzt man das Phänomen der klanglichen Gleichheit unterschiedlich benannter Töne zur enharmonischen Verwechslung: Statt der immer komplizierter werdenden Kreuztonarten verwendet man die entsprechenden, gleich klingenden ♭-Tonarten, etwa statt Gis-Dur (8 ♯) As-Dur (4 ♭). Oder, um beim Beispiel der Tonart „Eis-Dur“ zu bleiben: Statt elf ♯ braucht F-Dur nur ein einziges ♭.
Tonarten mit mehr als sechs Vorzeichen werden so gut wie nie eingesetzt, wenn es um die Wahl der Grundtonart eines Musikstücks geht. Bachs Verwendung von Cis-Dur (7 ♯) im Wohltemperierten Klavier hat Seltenheitswert. Im Verlauf eines Musikstücks kann es jedoch sinnvoll sein, auch Tonarten mit vielen Vorzeichen zu verwenden. So würde man z. B. bei einer kurzzeitigen Modulation von E-Dur (4 ♯) in die Obermediante Gis-Dur (8 ♯) die Notierung mit Kreuzen beibehalten, um den harmonischen Zusammenhang zu verdeutlichen. Erst wenn ein längeres Verweilen in der neuen Tonart angestrebt wird, ist es üblich, die alten Vorzeichen aufzulösen und durch die einfachere Schreibweise der enharmonischen Tonart (in diesem Falle As-Dur mit 4 ♭) zu ersetzen.
Ein Quartenzirkel entsteht, wenn man statt von Quinten nun von Quarten ausgeht, was jedoch für die Theorie keinen Unterschied zum Quintenzirkel ausmacht. Arnold Schönberg begründet dies folgendermaßen: „Geht man in der einen Richtung des Kreises (C, G, D, A usw.), so ist das der Quintenzirkel, oder wie ich lieber sage: Quintenzirkel aufwärts, weil es die über dem Ausgangspunkt sich aufbauenden Quinten sind. Geht man in der entgegengesetzten Richtung des Kreises, so erhält man C, F, B, Es usw., was manche den Quartenzirkel nennen, was aber wenig Sinn hat, denn C, G ist Quint nach oben oder Quart nach unten und C, F Quint nach unten oder Quart nach oben. Deshalb nenne ich die entgegengesetzte Richtung lieber Quintenzirkel abwärts.“[2]
Da man Quintschritte nach oben auch durch Quartschritte nach unten ersetzen kann, ist es möglich, einen Rundgang durch den Quintenzirkel innerhalb einer Oktave durchzuführen:
Dies ist auch die gebräuchlichste Reihenfolge der Bassknöpfe bei einem Akkordeon, Stradella-Bass genannt.
Die aus den Kirchentönen (Modi) hervorgegangenen modalen Tonleitern, zu denen auch die zu Dur (Ionisch) und dem natürlichen Moll (Äolisch) gehörigen Tonleitern zu rechnen sind, lassen sich aus dem Quintenzirkel ableiten. Dazu wählt man jeweils sieben im Quintenzirkel benachbarte Töne aus und sortiert diese anschließend so um, dass sie im Sekundabstand aufeinanderfolgen. Um beispielsweise alle Tonleitern mit dem Grundton C zu erhalten, wendet man dieses Verfahren auf alle siebentönigen Quintenzirkel-Ausschnitte an, die das C enthalten. Das Ergebnis zeigt folgende Tabelle:
Quintenzirkel- Ausschnitt | zur Skala umsortiert | Tonart | Vorzei- chen |
---|---|---|---|
C G D A E H Fis | C D E Fis G A H | C-Lydisch | 1 ♯ |
F C G D A E H | C D E F G A H | C-Ionisch / Dur | - |
B F C G D A E | C D E F G A B | C-Mixolydisch | 1 ♭ |
Es B F C G D A | C D Es F G A B | c-Dorisch | 2 ♭ |
As Es B F C G D | C D Es F G As B | c-Äolisch / Moll | 3 ♭ |
Des As Es B F C G | C Des Es F G As B | c-Phrygisch | 4 ♭ |
Ges Des As Es B F C | C Des Es F Ges As B | c-Lokrisch | 5 ♭ |
In der Tabelle sind „gleichnamige“, also auf dem gleichen Grundton basierende Tonarten aufgeführt, wobei die durgeschlechtlichen Tonarten mit einem großen C, die mollgeschlechtlichen mit einem kleinen c gekennzeichnet sind. Die Zirkeldarstellung rechts zeigt parallele Tonarten: Die jeweils auf einem bestimmten Radius liegenden Tonarten haben gleiche Vorzeichen.
Auch bei der Bestimmung der Größe der Quintenbreite kann der Quintenzirkel verwendet werden. Ordnet man jedem Ton einer Tongruppe seine Position im Quintenzirkel zu, lässt sich der größte Abstand zweier Töne in Quintsprüngen leicht ablesen.
Die Verwirklichung des Quintenzirkels mit Hilfe temperierter Stimmungen und die dadurch geschaffene Möglichkeit des uneingeschränkten Gebrauchs aller Tonarten fand ihren Niederschlag in Kompositionen, welche die Möglichkeiten der Transposition und Modulation in besonderer Weise ausschöpfen.
Die folgenden Kompositionen modulieren durch alle Tonarten des Quintenzirkels.
Beispiele aus der Rock-/Popmusik: Der französische Perkussionist Pierre Moerlen spielte Ende der 1970er Jahre einige Stücke, die sich durch den Quintenzirkel bewegten, u. a. mit seinem Bruder Benoît und den Oldfield-Geschwistern.
Beispiel aus der Jazzmusik:
Von Synästhetikern wurden Zusammenhänge zwischen Synästhesie und Musik hergestellt. Entsprechend wurden die Stufen des Quintenzirkels vielfältig mit Farbvorstellungen assoziiert, wobei die farblichen Zuordnungen von Fall zu Fall durchaus differieren können. Hier einige Beispiele:
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