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spöttische Bezeichnung für ein als „schlecht“ geltendes Latein Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Küchenlatein (latinitas culinaria) ist im ursprünglichen, engeren Sinne eine spöttische Bezeichnung aus der Zeit des Humanismus für ein als „schlecht“ oder „barbarisch“ geltendes Latein.
Daraus entwickelte sich die heutige, weiter gefasste Bedeutung, die den – meist bewussten und spielerischen – Einsatz von fehlerhaftem Latein oder unpassenden Übersetzungen bis hin zu absichtlichen Lateinimitationen einschließt. Zum Teil ist dafür auch etwas unscharf der Begriff Pseudolatein in Verwendung.
An der Klassischen Antike geschulte Humanisten bezeichneten das aus ihrer Sicht im Gegensatz zum erneuerten humanistischen Latein „verderbte Mönchslatein“ (Kirchenlatein) des Mittelalters auch als Küchenlatein.[1] Ihnen war jene – aus moderner Sicht durchaus natürliche und als Mittellatein bezeichnete – Weiterentwicklung der spätantiken lateinischen Sprache zuwider, und sie propagierten eine Rückkehr zum Stil Ciceros oder Caesars. Beispielsweise äußerte Johannes Aventinus:
„Es laut gar vbel, vnd man heisst es Küchen Latein, so man Latein redet nach aussweisen der Teutschen Zungen.“
„Es klingt ziemlich übel, und man nennt es Küchenlatein, wenn man Latein in deutscher Ausdrucksweise spricht.“
Später übertrug sich der Ausdruck auch auf das frühneuzeitliche Vulgärlatein-Umgangsdeutsch-Potpourri, wie es sich etwa auch in der damaligen Verwaltungssprache und der Studentensprache findet. Von dort aus entwickelte sich durch den damals obligatorischen Lateinunterricht aus ungewollt komischen Übersetzungen und Wortspielen die heutige Bedeutung im weiteren Sinne.
Bewusst als komischer Effekt eingesetzt wurde das Küchenlatein in der sogenannten makkaronischen Dichtung. Zum Beispiel wird es in den anonymen satirischen Epistolae obscurorum virorum (Dunkelmännerbriefen) als „sprachliche Tarnkappe“ benutzt, um die verknöcherte Klostergelehrsamkeit zur Zielscheibe des Spottes zu machen.
Küchenlatein wurde genutzt, um zu imponieren (Fachwörter), zu beschwören (Zaubersprüche) oder, um einer Rede einen exotischen Reiz zu verleihen, sowie als übertriebene Verwendung von Latinismen, wie sie in der geschraubten Sprache der Barockzeit beliebt war. Eine lange Tradition hat das bewusst falsche, mit moderner Sprache gemischte Latein im Theater, etwa bei den „Vecchi“-Figuren der Commedia dell’arte, dann in der Haupt- und Staatsaktion und sogar noch in der Posse des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Diese Tradition zeigt sich in Stücktiteln: Horribilicribrifax (1663), Lumpazivagabundus (1833). Auch modernere Wortbildungen bedienen sich mit satirischer Absicht des Küchenlateins wie die „Reductio ad Hitlerum“ von Leo Strauss (1953).
Heutzutage steht der Begriff für eine spielerische, absichtlich falsche oder komische bis groteske Verwendung lateinischer Wörter (bei der etwa nur die Wort-für-Wort-Übersetzung einen Sinn ergibt) oder gar für Zeichenfolgen, die zwar wie lateinische Wörter aussehen, aber nur beim Vorlesen in einer modernen Sprache einen Sinn ergeben. – Eine noch weiter gefasste Bedeutung hat der Begriff Kauderwelsch.
Im Wirtschaftsbereich wird auf der Suche nach neuen Firmen- und vor allem Markenbezeichnungen ebenfalls immer wieder auf Latein bzw. meist eher Lateinimitationen zurückgegriffen. Zum Teil kommt es dabei, in diesen Fällen gewöhnlich unbeabsichtigt, zu genau den grammatikalisch unsinnigen oder – gelegentlich unfreiwillig – komischen Verwendungen, wie sie für die küchenlateinischen Erscheinungen typisch sind. Wegen der langen Beziehung der Medizin zur lateinischen Sprache ist diese Erscheinung verstärkt im Gesundheitswesen anzutreffen.
Jedoch kann hier nicht jede (pseudo-)lateinische Verwendung als Küchenlatein bezeichnet werden. Zusätzlich zu unterscheiden davon sind auf romanische Sprachen zurückzuführende Namen, was im Einzelfall schwer sein kann.
Obwohl sie ebenfalls aus Pseudolatein bestehen, werden Lorem ipsum und einige verwandte Texte wegen ihres Einsatzzweckes als Blindtext nicht zu Küchenlatein gezählt.
„HANS WURST. Weynet periculum in mora, periculum in Summo gradu, (a) ich armes Bübl steck im Unglück biß an die Ohrwaschel, mein liebes Weibl muß ich mit mir führen und all mein Vermögen im Rauch aufgehen sehen,
[…]
STAHRENBERG. He du, wer, und von wannen bist du?
HANS WURST. Ich bin generis Masculini, (b) und wolte mit diesem meinem genere feminine (c) in die Stadt hinein.
[…]
STAHRENBERG. […] Hast du auch Kinder?
HANS WURST. Ja der Singularis hat schon Pluralem propagiret, (d) ich hab ä stuck Eilff Kinder, und mit dem zwölfften gehe ich und mein Weib schwanger.“
Übersetzungen:
Die erste Variante verwendet Wendungen oder ganze Sätze, die auch bei korrekter Übersetzung irgendeinen Sinn ergeben (es handelt sich also im eigentlichen Sinn nicht um Pseudo-Latein), wo man aber die übertragene, umgangssprachliche oder dialektale Bedeutung der lateinischen Begriffe im Deutschen kennen muss, um den Sprachwitz zu verstehen; zum Teil sind diese Sätze auch als ungewollt komische Übersetzungen im Lateinunterricht entstanden (siehe auch Stilblüten):
Eine zweite Art Pseudolatein dient als Ratespiel für Lateinkundige, etwa mit wörtlich aus dem Deutschen übersetzten lateinischen Begriffen, die erst nach der Rückübersetzung – mit wenigen Ausnahmen separat Wort für Wort – einen Sinn ergeben:
Die dritte Variante ist gar kein Latein mehr, sondern nur dem typographischen Eindruck nach lateinisch, sogenanntes Sauerkraut-Latein[4] (Analogie zum Wortspiel Blumento-Pferde[5]): Der Sinn des geschriebenen Textes wird erst beim (lauten) Lesen klar – es erklingt ein deutscher Satz. Zum Verständnis sind keinerlei Lateinkenntnisse nötig, zum Teil jedoch das Beherrschen eines der deutschen Dialekte. Die folgende Inschrift charakterisiert ebendiese Art von Pseudolatein:
Weitere Beispiele:
Analog auch folgender Merkspruch:
Ähnlich gibt es auch Spielereien mit Altgriechisch, für die keine eigene Bezeichnung existiert, und die daher üblicherweise unter Küchenlatein subsumiert werden:
Es gibt auch eine Spielerei mit Hebräisch, quasi eine Kombination der obigen Gruppen 2 und 3:
Die Erscheinung ist nicht auf den deutschsprachigen Bereich begrenzt, wenn auch die Begriffsbezeichnung nicht in allen Sprachen eine Entsprechung für Küchenlatein ist.
In mehreren romanischen Sprachen führte ein Lesefehler sogar zur Kreation eines neuen Wortes:
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