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Form von Alltagstheorien Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Präkonzept, auch vorunterrichtliche Vorstellungen bzw. Schülervorstellungen, sind eine besondere Form von Alltagstheorien, nämlich Konzepte, die ein Lernender (z. B. Schüler, Student) zu einem Phänomen besitzt, bevor dieses mit einer wissenschaftsanalogen Methode (z. B. im Unterricht) überprüft und ggf. in Richtung eines fachwissenschaftlich korrekten Konzepts verändert wurde. Ähnliche oder gar weitgehend als synonym angesehen(e) Bezeichnungen sind Schülervorstellungen oder Alltagsvorstellungen. Relevant sind sie z. B. für systematische Lernschwierigkeiten,[1] verwandt sind Begriffe wie Subjektive Theorien und Deutungsmuster oder im Fall von fehlerhaften Präkonzepten auch Fehlkonzepte (Fehlvorstellungen, Misconceptions).
Präkonzepte sind jedoch nicht auf Kinder beschränkt. Sie kommen dort vor, wo Menschen auf subjektiv gesehen neue Phänomene treffen, für die sie eine persönliche Erklärung entwickeln, obwohl eine anderslautende wissenschaftliche Erkenntnis dazu bereits existiert. Präkonzepte resultieren demnach – im Unterschied zu Hypothesen – aus einem individuellen Mangel gesicherten Wissens.
„Der wichtigste Faktor, der das Lernen beeinflusst, ist, was der Lernende schon weiß…“[2] d. h., dass Lernen auf bereits Gelerntem aufbaut und es somit ein zentraler Punkt des Unterrichts ist, relevantes Vorwissen zu aktivieren und den Lernstoff in sinnvoller Weise darauf zu beziehen. Beziehungen zwischen Wissensinhalten herzustellen und dabei an bereits vorhandenes Wissen anzuknüpfen deckt sich mit Ansätzen der konstruktivistischen Didaktik und der Lehr-Lernforschung: „Wissenserwerb ist nicht das Ergebnis eines passiven Einspeicherns oder Einschleifens von Wissen und Fertigkeiten, sondern die aktive (Neu-)Konstruktion und Erweiterung bestehender, stets vorläufiger Wissensstrukturen.“[3]
Gerade Lehrende der Naturwissenschaften sehen sich häufig mit dem Problem konfrontiert, dass in den Unterricht mitgebrachte Alltagsvorstellungen bzw. Präkonzepte die Lernenden in die Irre führen und sich erstaunlich resistent gegenüber wissenschaftlicher Belehrung erweisen. Da die meist fehler- oder lückenhaften „Selbsterklärungen“ für den Betroffenen selbst ausreichend plausibel erscheinen und sich dazu oft über einen längeren Zeitraum subjektiv bewährt haben, sind sie nur sehr schwer durch neue Konzepte zu ersetzen, selbst wenn diese den korrekten Sachverhalt beschreiben. Gerade Schüler machen unbewusst einen großen Unterschied zwischen der Schule („wo ich für gute Noten machen muss, was von mir erwartet wird“) und der „wirklichen Welt“ (in der sich die vermeintlich realen Dinge abspielen). So erleben Lehrer oft, dass Schüler einen Sachverhalt scheinbar erfasst und gelernt haben, da sie ihn im Unterricht oder in einer Prüfung/Klassenarbeit korrekt darstellen können, aber bei einem nur leicht veränderten Kontext (Klassenfahrt ins Museum usw.) wieder auf ihr altes (subjektiv bewährtes) Präkonzept zurückgreifen. Dies führt häufig zu Missverständnissen seitens der Lehrkraft, die ihre Schüler dann oft für „lernresistent“, „unverbesserlich“ oder gar für „unbegabt“ und „dumm“ hält.
Bereits der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget hatte festgestellt, dass kindliches Denken prinzipiell nicht mit wissenschaftlichen Denkstilen vergleichbar ist. Jüngere empirische Untersuchungen, die auf Piagets Forschungen aufbauen, haben gezeigt, dass sich bereits bei Säuglingen das Vorhandensein von Präkonzepten in Form so genannter Naiver Theorien beobachten lässt.
Bei dem Versuch, den Lernenden von seinen Alltagserfahrungen und Erklärungen zur wissenschaftlichen Sichtweise zu geleiten stößt man auf großen Widerstand. Schüler „wollen“ die eigene Sichtweise nicht ändern und lassen ihre eigenen Vorstellungen nicht so schnell los. Ein geschicktes Vorgehen ist notwendig, um die Präkonzepte der Lernenden in wissenschaftlich korrekte Konzepte umzuformen. Diese Schwierigkeiten haben verschiedene Gründe:
Versucht der Lehrende nur Wissen an die Schüler zu vermitteln, ohne auf deren Vorstellungen einzugehen, so kann es sein, dass die Schüler eine gute Schulnote bekommen (durch Auswendiglernen), jedoch kein tiefer gehendes Verständnis des Inhalts und eine Verbindung zum bereits vorhandenen Wissen erlangen.
Der Weg von den Alltagsvorstellungen (allgemeiner von den vorunterrichtlichen Vorstellungen) zu den wissenschaftlichen Vorstellungen wird heute in der Regel als Konzeptwechsel bzw. Konzeptwandel (Conceptual Change) bezeichnet.[4] Die Ideen der Konzeptwechseltheorie kamen in den frühen Entwicklungen der konstruktivistischen Sichtweisen Anfang der 1980er Jahre auf; ihre Grundgedanken entstammen der Äquilibrationstheorie Piagets. Seither wurde sie in der wissenschaftlichen Diskussion dem sich wandelndem Verständnis von Lernen angepasst, in fachdidaktischer Sicht untersucht und weiterentwickelt. In der neueren Forschung spricht man auch vom Konzeptwandel, da der Terminus „Wechsel“ assoziieren lässt, dass der einfache Austausch eines unpassenden Konzepts durch ein passendes angestrebt würde, was dem konstruktivistischen Grundgedanken widerspräche.[5] Der Begriff Konzeptwechsel bzw. -wandel beschreibt in der aktuelle Lehr- und Lernforschung also, „dass das bereits Erlernte, also die vorunterrichtlichen, kognitiven Strukturen im Rahmen von Lernprozessen umgestaltet werden müssen und dass es keinesfalls mit einer einfachen Erweiterung bestehender kognitiver Netzwerke verstanden werden darf.“ Es haben sich die vier folgenden Bedingungen als entscheidend dafür herausgestellt, ob ein Konzeptwechsel eingeleitet werden kann:
Diese vier Bedingungen sind nur ein wissenschaftlicher Orientierungsrahmen, der schwer in der Praxis umzusetzen ist. Schwierig ist das deshalb, weil die Unzufriedenheit, die eine Voraussetzung ist, erst entsteht, wenn der wissenschaftliche Hintergrund vorhanden ist. Das „Einleuchten“, die Verständlichkeit und die Plausibilität werden erst dann erreicht, wenn die wissenschaftliche Vorstellung völlig durchschaut worden ist.
Die große Anzahl von Untersuchungen zu Schülervorstellungen und ihre Änderung durch Unterricht hat klar erwiesen, dass sich Vorstellungen in aller Regel nicht einfach auslöschen lassen und nach dem Unterricht häufig alternative Vorstellungen und wissenschaftliche Vorstellungen koexistieren. Ein solches Auslöschen ist meistens auch gar nicht sinnvoll. Denn viele der Vorstellungen, die Schüler in den Unterricht mitbringen, sind nicht schlicht „falsch“, sondern sie haben sich bislang in Alltagssituationen bestens bewährt.
Im Unterricht kann man einen Konzeptwechsel durch folgende Strategien[3] erreichen:
Der Konzeptwechsel ist mit dem Aufwand von sehr viel Zeit und Geduld verbunden. Fraglich ist, ob man mit den vorhandenen Klassengrößen, vorgegebenen Lehrplänen (die zeitlich bearbeitet sein müssen) und anderen Hindernissen die individuellen Vorstellungen der Schüler kennen und in die Aktivitäten des Unterrichts einbeziehen kann. Schließlich gibt es nach Fuest/Kruse[10] so viele eigene und unvorhersehbare Lernwege, wie es Lernende gibt.
Die Aufgabe des Lehrers ist es, die Schülervorstellungen zu erfassen und den Unterricht auf sie abzustimmen, damit dem Lerner der Weg zu einem wissenschaftlichen Blick geebnet wird. Es hat sich allerdings gezeigt, dass Lehrkräfte Schülervorstellungen nur unzureichend diagnostizieren können.[11] Zudem gehen sie häufig nicht auf die Schülervorstellungen ein, sondern erklären nur die fachlichen Konzepte oder stimmen alternativen Schülervorstellungen sogar zu. Nur etwa die Hälfte der Reaktionen auf im Unterricht geäußerte Schülervorstellungen sind aus fachdidaktischer Sicht angemessen und dazu geeignet, einen Konzeptwandel bei den Schülerinnen und Schülern anzuregen.[11]
Um auf die individuellen Präkonzepte innerhalb einer Lerngruppe eingehen zu können, sind Methoden notwendig, welche die Präkonzepte sowohl für den Lehrer, als auch für den Lerner bewusst werden lassen.
Hierfür eignet sich prinzipiell eine Hypothesenbildungsphase wie sie im Rahmen des Forschend-entwickelnden Unterrichts angewendet wird. Leider wird hierbei nur ein Teil der Präkonzepte einer Lerngruppe transparent.
Eine Umfassende Evaluation der Präkonzepte kann durch die Anwendung von Concept-Maps erreicht werden, die von jedem Lerner individuell angefertigt und dann im Plenum verglichen werden, um somit die Summe aller möglichen Hypothesen der Lerngruppen abzubilden.
Ein typisches Beispiel für Präkonzepte von Kindern im Bereich der Optik sind „Sehstrahlen“. Gibt man Kindern eine schematische Abbildung mit einem Kopf inkl. Auge und einer davor befindlichen Blume in die Hand und fordert sie auf den Sehvorgang einzuzeichnen, dann wird ein gewisser Anteil der Kinder einen Strahl malen, der vom Auge weg zur Blume führt und von dieser wiederum ins Auge reflektiert wird. Der vom Auge wegführende Strahl (Sehstrahl oder Blick) entspricht dem Konzept des Kindes, dass beim Sehvorgang vermeintlich „etwas vom Auge ausgehen muss“.
Im Bereich des Chemieunterrichts kann zum Beispiel das Präkonzept, eine chemische Umsetzung könne Materie vernichten und verschwinden lassen, das Verständnis behindern:
Oft liegen diese Fehlvorstellungen daran, dass die Produkte in den o. g. Fällen für den Schüler / für das Kind nicht unmittelbar erkennbar sind und das Edukt einfach „verschwunden“ ist.
Beispiele für Präkonzepte in der Physik, speziell Mechanik:
Weitere Präkonzepte der Mechanik und Beispiele von bestimmten Schülervorstellungen in den Literaturangaben.
Typische Präkonzepte von Lernenden in der Biologie, hier zum evolutionsbiologischen Aspekt der Anpassung, sind u. a.[12]
Präkonzepte sind zudem von multidimensionalen Bedingungen, wie sozialen Einflussfaktoren, abhängig und divergieren mit der sozialen Lage.[12]
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