Photoplayer

Mechanisches Musikinstrument zum Begleiten von Stummfilmen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Photoplayer

Ein Photoplayer, auch Fotoplayer, ist ein mechanisches Musikinstrument, das in der Stummfilmzeit zur akustischen Untermalung von Filmen im Kino eingesetzt wurde.

Schnelle Fakten Klassifikation ...
Photoplayer
Thumb
US-Komiker Ben Turpin mit einem Fotoplayer
Klassifikation Chordophon (Piano)
Aerophon (Orgel)
Tasteninstrument
Membranophon (Trommeln)
Idiophon (Becken, Cowbell)
Schlaginstrument
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Tonumfang fehlt
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Klangbeispiel fehlt


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Name

Der Begriff war zunächst eine geschützte Warenbezeichnung der American Photo Player Company. Als Erfinder gelten die Brüder Burt und Harold A. Van Valkenburg aus Minnesota.[1] Er wird jedoch mittlerweile verallgemeinernd für mechanische Musikinstrumente für Kinozwecke verwendet. Der Name Photoplayer setzt sich aus englisch photoplay Stummfilmbegleitmusik[2] und player piano selbstspielendes Klavier zusammen.[3]

Ausstattung

Zusammenfassung
Kontext

Wie bei einem Orchestrion ist das Grundinstrument auch beim Photoplayer ein elektrisches (genauer: pneumatisches) Klavier, um das herum weitere Instrumente wie Pfeifenwerke, die Streichinstrumente (z. B. Violinen) imitieren,[4] aber auch Orgelklänge erzeugen können, Schlagzeug und Geräuscheffekte[5] angeordnet sind. Diese werden in Seitenschränken (side chests) links und rechts des Klaviergehäuses untergebracht.

Die zum Filmbegleiten besonders begehrten Geräuscheffekte waren jeweils separat von Hand abrufbar, um sie synchron zum Leinwandgeschehen betätigen zu können, z. B. Autohupen, Lokomotivpfeifen, Vogelstimmen, Haus- bzw. Telefonklingeln u. ä.[6] Das geschah durch Ziehen an Handzügen, die in Amerika cow-tails (Kuhschwänze) genannt wurden. Andere Effekte waren über Pedale zugänglich.[7]

Bei den meisten Fabrikaten konnte das Klavier auch von Hand gespielt werden, bei manchen auch das Pfeifenwerk von einer eigenen, zweiten Klaviatur aus.[8]

Üblicherweise aber wurde der Photoplayer mit Notenrollen, wie sie vom elektrischen Klavier oder dem Orchestrion bekannt sind, gesteuert, die neben der Information für Melodie und Begleitung auch solche über die Orchestrierung, d. h. den Einsatz von Schlag- und Pfeifenwerk, enthalten konnten. Damit ein unterbrechungsfreies Spiel möglich war, wie es das Begleiten abendfüllender Filme erforderte, bekamen Photoplayer zwei Notenrollen-Laufwerke eingebaut. War eine Notenrolle zu Ende gespielt, setzte die zweite ein.[9]

Bei einigen Modellen konnte der Vorführer von seiner Kabine aus über eine Druckknopftafel[10] das Abspielen fernsteuern, aufgrund des doppelt vorhandenen Notenrollen-Mechanismus auch den Stückwechsel.[11]

Notenrollen

Eigens für die Illustration stummer Filme arrangierte Notenrollen waren dazu erhältlich. So stellte das Unternehmen The Filmmusic Co. of Los Angeles viele Jahre lang Picturolls her,[12] die teilweise von Hand eingespielt waren, viele davon von Künstlern wie Eddie Horton, einem nachmals in Australien und Neuseeland sehr bekannten Organisten. Sie enthielten Stücke von Kinokomponisten wie William Axt, Gaston Borch, Fred Hager, Otto Langey, Ernst Luz, Ernö Rapée oder J. S. Zamecnik[13] und trugen Stimmungsangaben wie „dramatic – agitato“ und Hinweise wie „hurry – chase – comedy“,[14] um dem Bediener des Instrumentes die Auswahl zu erleichtern. Das konnte die Platzanweiserin sein oder der Kartenabreißer.[15] Ein ausgebildeter Pianist war dazu nicht mehr notwendig.[16]

Geschichte

Der Photoplayer füllte die Lücke zwischen dem bescheidenen „Mann am Klavier“[17] und den Kinokapellen, die je nach Vermögen des Kinounternehmers zwischen drei und zwanzig Mann stark sein konnten.[18] Wem eine Kinoorgel zu teuer war, der griff gerne zum erschwinglicheren Photoplayer.[19]

Zwischen 1912 und 1928 wurden etwa 8.000 bis 10.000 Photoplayer fabriziert und verkauft.[20] Zu den größten Herstellern zählten in den USA außer der American Photo Player Company – dem Namensgeber – noch die Marken Link,[21] Seeburg[22] und Wurlitzer,[23] die auch Orchestrions und elektrische Klaviere bauten.

Einige Klavierbauanstalten in Deutschland stiegen nach 1912 ebenfalls in das Geschäft mit mechanisch betriebenen Kinoinstrumenten ein, darunter Hupfeld in Leipzig,[24] Philipps in Frankfurt/Main[25] und Welte in Freiburg/Breisgau.[26]

Mit dem Aufkommen des Tonfilms am Ende der 1920er Jahre verschwanden die Photoplayer aus den Lichtspieltheatern.

Literatur

  • Rick Altman: Silent Film Sound (= Film and culture). Neuauflage. Columbia University Press, 2007, ISBN 978-0-231-11663-3, S. 324–330.
  • American Theatre Organ Society (Hrsg.): Theatre Organ: Journal of the American Theatre Organ Society. Band 28, American Theatre Organ Society, 1986, S. 16 und 19.
  • Rudy Behlmer: An Interview with Gaylord Carter, Dean of Theatre Organists (1989). In: Mervyn Cooke: The Hollywood Film Music Reader. Oxford Univ. Press, 2010, ISBN 978-0-19-533118-9, Kapitel From “silents” to sound. No. 4, S. 29–38.
  • David Q. Bowers: Encyclopedia of Automatic Musical Instruments. The Vestal Press, Vestal, New York 1972.
  • Jan Brauers: Von der Äolsharfe zum Digitalspieler: 2000 Jahre mechanische Musik, 100 Jahre Schallplatte. Verlag Klinkhardt & Biermann, 1984, S. 87.
  • Karlheinz Dettke: Kino- und Theaterorgeln: eine internationale Übersicht. Tectum Verlag, 2001, ISBN 3-8288-8265-X, S. 17, 135.
  • Michael Graber-Dünow: „Das gibt’s nur einmal“ – Kulturarbeit im Altenpflegeheim: Hintergründe, Konzepte, Beispiele. Verlag Schlütersche, 2010, ISBN 978-3-8426-8098-2, S. 52.
  • James B. Hartman: The Organ in Manitoba: A History of the Instruments, the Builders, and the Players. Univ. of Manitoba Press, 1997.
  • David A. Jasen, Gordon Gene Jones: That American Rag. The Story of Ragtime from Coast to Coast. Schirmer Books, 2000, ISBN 0-02-864743-2.
  • A. W. Owen: The Evolution of the Theatre Organ. In: Theatre Organ Review. Vol. V, No. 17, März 1951, S. 8–9.
  • Harvey N. Roehl: The Player Piano, a historical scrapbook. Century House, Watkins Glen, New York 1958.
  • Jack Edward Shay: Bygone Binghamton. Remembering People and Places of the Past. Vol 2, Verlag AuthorHouse, 2012, ISBN 978-1-4670-6505-4.

Hörbeispiele:

  • Maud Nelissen vom Nederlands Film Museum spielt auf einem Fotoplayer der American Photoplayer Company
  • Dick Zimmerman demonstriert die Möglichkeiten eines Fotoplayer Style 25 (Klavier, Orgelpfeifen, Effekte) (englisch)
  • Joe Rinaudo erklärt einen Fotoplayer Style 20 (das kleinste Modell mit nur einem Seitenschrank) (englisch)
  • Robert Israel begleitet einen Stummfilm mit Buster Keaton (My Wife’s Relations, 1925) auf dem American Fotoplayer, Style 20
  • Glenwood Vaudeville Revue Wurlitzer Motion Picture Theatre Orchestra (Photo Player) mit zwei Klaviaturen für Piano und Orgelpfeifen, Baujahr 1918
  • Wurlitzer Style O. Photoplayer mit side chests für Pfeifen- und Schlagwerk

Einzelnachweise

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