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Wahl Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Parlamentswahl in Ungarn 2022 fand am 3. April 2022 zugleich mit vier Referenden statt.[2] Gewählt wurden die 199 Abgeordneten im ungarischen Einkammerparlament für eine vierjährige Wahlperiode. Die regierende Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán gewann im Wahlbündnis mit der KDNP die absolute Mehrheit der Stimmen und sicherte sich erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die zeitgleich stattfindenden Referenden scheiterten hingegen.
Die 199 Mitglieder des ungarischen Parlaments werden in einer Mischung aus Mehrheitswahl und Verhältniswahl gewählt, wobei das Element der Mehrheitswahl dominiert:
Sitzverteilung im Wahlkreis:
In jedem der 106 Wahlkreise ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt. Dabei ist eine relative Mehrheit ausreichend.
Sitzverteilung nach Listen:
93 Abgeordnete werden nach dem D’Hondt-Verfahren proportional verteilt.
Parteien müssen mindestens fünf Prozent aller Listenstimmen erhalten, um an der Sitzverteilung teilzunehmen. Handelt es sich um eine gemeinsame Liste zweier Parteien, beträgt die Sperrklausel zehn Prozent, bei einer gemeinsamen Liste von drei oder mehr Parteien 15 %. Zu den Listenstimmen der Partei werden die Stimmen ihrer erfolglosen Wahlkreiskandidaten addiert. Hat ein Kandidat einen Wahlkreis gewonnen, wird sein Stimmenvorsprung vor dem Zweitplatzierten (vermindert um eins) zu den Listenstimmen seiner Partei addiert.
Eine Partei kann eine Liste nur einreichen, wenn sie in mindestens 71 Wahlkreisen (zwei Drittel aller Wahlkreise) einen Kandidaten aufgestellt hat und sich diese Wahlkreise auf mindestens 14 Komitate oder Budapest (das zu keinem Komitat gehört) verteilen. Diese Hürde wurde im Dezember 2020 erhöht. Zuvor genügten zur Aufstellung einer Liste 27 Wahlkreiskandidaten in neun Komitaten.[3]
Bei der Parlamentswahl 2018 wurde das seit 2010 regierende Bündnis aus Fidesz und KDNP mit Ministerpräsident Viktor Orbán im Amt bestätigt und errang mit 49,28 % der Stimmen knapp die Zweidrittelmehrheit der Mandate.
Die rechtsextreme Partei Jobbik, seit 2018 zweitstärkste Partei, begann sich nach der Wahl 2014 zu mäßigen.[5] Dies führte kurz nach der Wahl 2018 zur Abspaltung des rechten Flügels, aus ihm ging die neue Partei Mi Hazánk Mozgalom („Bewegung Unsere Heimat“) hervor.[6] Diese Entwicklung ebnete den Weg für eine Zusammenarbeit mit anderen Oppositionsparteien.
Bei den vorangegangenen Wahlen waren die Oppositionsparteien weitgehend unabhängig voneinander angetreten.[7] Um bessere Chancen gegen die regierende Fidesz-Partei zu haben, beschlossen die größten Oppositions- und mehrere Splitterparteien eine Zusammenarbeit. Die Parteien Demokratikus Koalíció (DK), Jobbik, LMP – Magyarország Zöld Pártja (LMP), Magyar Szocialista Párt (MSZP), Momentum Mozgalom (MM), Magyar Liberális Párt (MLP), Párbeszéd (PM) und Új Kezdet (UK) gaben im August 2020 bekannt, je einen gemeinsamen Kandidaten in allen 106 Wahlkreisen Ungarns aufzustellen und mit einem gemeinsamen Programm bei der Wahl anzutreten.[8] Am 15. November 2020 einigte sich die Allianz zudem darauf, einen gemeinsamen Premierministerkandidaten aufzustellen.[9]
Ursprünglich war vorgesehen, in jedem Wahlkreis mit nur einem Kandidaten, aber mit getrennten Listen anzutreten.[10] Nachdem die Bedingungen für die Aufstellung von Parteilisten verschärft wurden, entschied man sich im Dezember 2020 für eine gemeinsame Liste.[11]
Bereits bei den Kommunalwahlen 2019 traten DK, Jobbik, LMP, MSZP, MM, PM und zahlreiche andere Parteien oder unabhängige Kandidaten gemeinsam an. Dieses Vorgehen ermöglichte der Opposition, u. a. das Amt des Bürgermeisters in Budapest (Gergely Karácsony) und anderen größten Städten zu gewinnen.
Partei | Kandidat(in) | Erste Wahlrunde | Stichwahl | |
---|---|---|---|---|
DK | Klára Dobrev | 34,84 % | 43,29 % | |
PM | Gergely Karácsony | 27,30 % | Verzicht | |
parteilos[12] | Péter Márki-Zay | 20,40 % | 56,71 % | |
Jobbik | Péter Jakab | 14,08 % | ||
MM | András Fekete-Győr | 3,39 % | ||
Die Vorwahl zur Wahl der Kandidaten der vereinigten Opposition in den einzelnen Wahlkreisen fanden vom 18. bis zum 26. September 2021 statt. Im selben Zeitraum fand auch die erste Runde der Vorwahl für die Premierminister-Kandidatur statt. Die Kandidaten für die Premierminister-Kandidatur waren:[13]
Abgegeben wurden bei der ersten Runde insgesamt 633.686 Stimmen, von denen 620.738 gültig waren. Hiervon erhielten Klára Dobrev 34,84 %, Gergely Karácsony 27,30 %, Péter Márki-Zay 20,40 %, Péter Jakab 14,08 % und András Fekete-Győr 3,39 %.[14] Da keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erreicht hatte, fand vom 10. bis zum 16. Oktober 2021[15] die zweite Runde statt, in der die drei stimmenstärksten Bewerber der ersten Runde antreten durften. Gergely Karácsony verzichtete jedoch zugunsten von Péter Márki-Zay auf die Teilnahme.[16] In der Stichwahl wurden 655.237 gültige Stimmen abgegeben. Márki-Zay setzte sich gegen Dobrev durch.[14]
Kurz vor der Wahl ergab sich mit der russischen Invasion in der Ukraine ab dem 24. Februar 2022 eine neue Entwicklung. Auch unter Fidesz-Wählern rief die Invasion Erinnerungen an die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes von 1956 wach. In der Vergangenheit hatte Ministerpräsident Orbán ein betont enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gepflegt und Ungarn war wie kaum ein anderes Land der Europäischen Union von russischen Gaslieferungen abhängig.[17] Orbán bemühte sich nach Kriegsausbruch um Distanz zu Putin, gab sich im Gegensatz zur Situation bei der Flüchtlingskrise 2015 betont freundlich gegenüber ukrainischen Flüchtlingen und nahm die Rolle eines fürsorglichen Landesvaters ein. Fidesz-KDNP rief als neue Parole „Ungarn zuerst“ aus, betonte die Notwendigkeit einer starken Regierung in Krisenzeiten und dass sich Ungarn aus dem Konflikt heraushalten solle.[18]
Die Bedingungen der Wahl in Ungarn wurden von westlichen Kommentatoren als zwar „frei aber nicht fair“ bewertet. In den Nicht-Wahlkampfzeiten hatte die Orbán-Regierung regelmäßig mittels sogenannter „nationaler Konsultationen“ – staatlich finanzierter Meinungsumfragen, die letztlich weitgehend Kampagnen für die Regierungspolitik waren – die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen versucht.[19]
In den 106 Wahlkreisen traten insgesamt 663 Bewerber an. Sechs Parteilisten wurden zugelassen, darunter zwei gemeinsame Listen mehrerer Parteien.[20][21][22]
Partei | Anzahl Bewerber | Spitzen- kandidat (Liste) |
Bemerkungen | ||
---|---|---|---|---|---|
Wahl- kreise |
Liste | ||||
Fidesz-KDNP | 106 | 279 | Viktor Orbán | Regierungsparteien, kandidieren seit 2006 stets gemeinsam | |
DK-Jobbik-Momentum-MSZP-LMP-Párbeszéd | 106 | 279 | Péter Márki-Zay | Oppositionsallianz, inoffizieller Name Egységben Magyarországért | |
Mi Hazánk | 102 | 208 | László Toroczkai | „Unsere Heimat“, Abspaltung von Jobbik | |
MKKP | 79 | 58 | Gergely Kovács | „Ungarische Partei des zweischwänzigen Hundes“, Satirepartei[23] | |
Memo | 99 | 110 | György Gattyán | „Lösungsbewegung“ | |
Normális Párt | 79 | 120 | György Gődény | „Normale Partei“, Kritiker von Corona-Maßnahmen | |
Munkáspárt-ISZOMM | 49 | – | – | ||
6 weitere Parteien | 9 | – | – | ||
Parteilose | 34 | – | – | ||
Außerdem kandidierten zwölf Minderheitenlisten, darunter die Liste der deutschen Minderheit.[24]
Präsident János Áder setzte gleichzeitig mit der Parlamentswahl vier Referenden an, die von der Regierung beantragt wurden im Zusammenhang mit im Juni 2021 verabschiedeten Änderungen des Kinderschutzgesetzes. Die Referendumsfragen lauteten:[25]
Die erste Frage wurde von 92,3 % der gültig Abstimmenden verneint. Bei den übrigen Fragen lag der Nein-Anteil bei 95,2 bis 95,9 %. Zwischen 47,1 und 47,6 % der Stimmberechtigten gaben eine gültige Stimme ab.[26] Damit wurde das für ein gültiges Referendum erforderliche Quorum von 50 % verfehlt. Zahlreiche Oppositionsanhänger gaben keine oder eine ungültige Stimme ab.[27]
Befragungszeitraum | Quelle | Stichprobe | Sonstige | Mehrheit | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
21.–27. März 2022 | Závecz Research | 1000 | 39 | 36 | 3 | 1 | — | 3 |
22.–25. März 2022 | Závecz Research | 800 | 41 | 39 | — | — | — | 2 |
21.–23. März 2022 | Társadalomkutató | 1000 | 52 | 41 | 3 | 3 | — | 11 |
16.–21. März 2022 | Nézőpont | 1000 | 49 | 41 | 3 | 2 | — | 8 |
16.–19. März 2022 | e-benchmark | 1000 | 50 | 41 | 2 | 5 | 2 | 9 |
16.–18. März 2022 | Republikon | 1000 | 49 | 46 | — | — | — | 3 |
7.–11. März 2022 | Publicus | 1001 | 33 | 31 | 1 | 2 | 1 | 2 |
2.–11. März 2022 | IDEA | 2000 | 50 | 43 | 3 | 4 | — | 7 |
26. Februar – 5. März 2022 | e-benchmark | 1000 | 54 | 46 | — | — | — | 8 |
22.–26. Februar 2022 | Medián | 1000 | 49 | 43 | 3 | 4 | 1 | 6 |
18.–24. Februar 2022 | Republikon | 1000 | 48 | 46 | 3 | 3 | — | 2 |
14.–16. Februar 2022 | Nézőpont | 1000 | 50 | 43 | 3 | 3 | 1 | 7 |
10.–14. Februar 2022 | Publicus | 1000 | 32 | 34 | 1 | 2 | 1 | 2 |
9.–11. Februar 2022 | Real-PR 93 | 1000 | 54 | 41 | 2 | 3 | 0 | 13 |
2.–13. Februar 2022 | e-benchmark | 1000 | 47 | 31 | 3 | 3 | — | 16 |
2.–10. Februar 2022 | Závecz Research | 1000 | 49 | 46 | 2 | 3 | 0 | 3 |
31. Januar – 9. Februar 2022 | IDEA | 2000 | 49 | 44 | 3 | 4 | — | 5 |
24.–26. Januar 2022 | Társadalomkutató | 1000 | 51 | 43 | 3 | 3 | — | 8 |
20.–25. Januar 2022 | Republikon | 1000 | 47 | 47 | 3 | 3 | 0 | 0 |
17.–19. Januar 2022 | Alapjogokért Központ | 1000 | 49 | 44 | 3 | 4 | — | 5 |
6.–14. Januar 2022 | e-benchmark | 1000 | 43 | 39 | 5 | 3 | — | 4 |
4.–14. Januar 2022 | IDEA | 2000 | 48 | 44 | 4 | 4 | — | 4 |
3.–5. Januar 2022 | Nézőpont | 1000 | 50 | 43 | 3 | 3 | 1 | 7 |
November 2020 – Dezember 2021 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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|
Die regierende Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán gewann im Wahlbündnis mit der KDNP die absolute Mehrheit der Stimmen und sicherte sich erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.[1]
Wahlkreisstimmen | Listenstimmen | Sitze Gesamt | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Stimmen | % | Kandi- daten |
Direkt- man- date |
Stimmen | % | Sitze | ||
Wahlberechtigte | 7.759.175 | 8.215.304 | ||||||
Wähler/Wahlbeteiligung | 5.448.020 | 70,21 | 5.717.182 | 69,59 | ||||
Gültige Stimmen | 5.375.688 | 5.654.860 | ||||||
Fidesz-KDNP | 2.823.419 | 52,52 | 106 | 87 | 3.060.706 | 54,13 | 48 | 135 |
DK-Jobbik-Momentum-MSZP-LMP-PM | 1.983.708 | 36,90 | 106 | 19 | 1.947.331 | 34,44 | 38 | 57 |
Mi Hazánk | 307.064 | 5,71 | 102 | 332.487 | 5,88 | 6 | 6 | |
MKKP | 126.648 | 2,36 | 79 | 185.052 | 3,27 | – | ||
Memo | 64.341 | 1,20 | 99 | 58.929 | 1,04 | – | ||
Normális Párt | 31.495 | 0,59 | 79 | 39.720 | 0,70 | – | ||
Munkáspárt-ISZOMM | 8.678 | 0,16 | 49 | – | – | |||
6 weitere Parteien | 2.373 | 0,04 | 9 | – | – | |||
Deutsche Minderheit | – | – | 24.630 | 0,44 | 1 | 1 | ||
Übrige Minderheitenlisten | – | – | 6.005 | 0,11 | – | |||
Einzelbewerber | 27.962 | 0,52 | 34 | – | – | |||
Summe | 5.375.688 | 100 | 663 | 106 | 5.654.860 | 100 | 93 | 199 |
Die Zahl der Wahlberechtigten und Stimmen ist bei der Listenwahl höher, da Auslandsungarn nur eine Listenstimme haben. Die Stimmen der Auslandsungarn (überwiegend aus Rumänien) gingen zu 93,9 % an Fidesz-KDNP (2018: 96,2 %):[29]
Ungarn | Ausland | |||
---|---|---|---|---|
Stimmen | % | Stimmen | % | |
Fidesz-KDNP | 2.809.238 | 52,15 | 251.468 | 93,89 |
DK-Jobbik-Momentum-MSZP-LMP-PM | 1.936.297 | 35,94 | 11.034 | 4,12 |
Mi Hazánk | 329.651 | 6,12 | 2.836 | 1,06 |
MKKP | 183.416 | 3,40 | 1.636 | 0,61 |
Memo | 58.670 | 1,09 | 259 | 0,10 |
Normális Párt | 39.119 | 0,73 | 601 | 0,22 |
Deutsche Minderheit | 24.630 | 0,46 | – | |
Übrige Minderheitenlisten | 6.005 | 0,11 | – | |
Summe | 5.387.026 | 100 | 267.834 | 100 |
Aus Sorge vor Wahlmanipulation entsandte die OSZE zum zweiten Mal in ihrer Geschichte auf Bitte von 20 ungarischen NGOs 200 Beobachter nach Ungarn.[30][31] Bereits 2018 hatte die OSZE den Ablauf der Wahlen in Ungarn als unfair eingestuft. Kritisiert wurden insbesondere Einschränkungen der Presse- und Vereinigungsfreiheit, eine auf die Regierungsparteien zugeschnittene Presselandschaft und eine undurchsichtige Wahlkampffinanzierung.[32][33]
Am 30. März 2022 wurden mehrere hundert zum Teil angebrannte und bereits ausgefüllte Wahlzettel in Säcken, wie sie von ungarischen Konsulaten in Rumänien verwendet werden, in der Nähe eines Friedhofs in Livezeni bei Târgu Mureș in Rumänien gefunden. Laut einem Augenzeugen soll es sich ausnahmslos um für die Opposition abgegebene Stimmen handeln.[34] Hintergrund ist, dass ungarische Wahlkampagnen empfehlen, Stimmzettel zur Briefwahl zum Transport nicht der rumänischen Post zu überlassen, sondern freiwilligen Helfern zu übergeben, die sie den ungarischen Konsulaten aushändigen.[35]
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