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Kirchenrechtssammlung des 12. Jh. Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Panormia (auch Panormie) ist eine Kanones-Sammlung, die im frühen 12. Jahrhundert in Nordfrankreich entstand und weite Verbreitung fand. Oft wurde sie Ivo von Chartres zugeschrieben.
Die Panormia ist eine stark gekürzte Überarbeitung des Decretum des Ivo von Chartres, aus welchem auch das Vorwort übernommen wurde. Außer Ivos Sammlung wurden noch wenige kleinere Sammlungen verarbeitet. Die Panormia ist nach Rechtsmaterien in acht Bücher gegliedert und enthält insgesamt etwas über 1300 oft kurze Kanones, die letztlich aus Konzilsbeschlüssen, Dekretalen, patristischen Schriften und einer Vielzahl anderer Rechtsquellen stammen. Eine Besonderheit der Sammlung ist, dass die Kanones keine Bußtarife nennen. Teilweise sind die Kanones so angeordnet, dass (scheinbare) Widersprüche besonders deutlich werden.
Wichtige Inhalte, die als Teil der Panormia weite Verbreitung fanden, waren unter anderem das Papstwahldekret von 1059, eine Fassung von Sancta octo und die sogenannten Falschen Investiturprivilegien, die in vielen (aber nicht allen) Handschriften ganz am Schluss zu finden sind. Andere zentrale Texte der Panormia, die aber auch schon vor ihrer Entstehung verbreitet waren, sind die Konstantinische Schenkung, das Decretum Gelasianum, die auf den Liber decretorum des Burchard von Worms zurückgehenden Verbote von Ehen zwischen Verwandten und zahlreiche Pseudoisidorische Fälschungen.
Das der Panormia vorangestellte Vorwort (ursprünglich von Ivo von Chartres für sein Decretum verfasst) enthält eine ausführliche Diskussion verschiedener kanonistischer Fragen, insbesondere zur Wandelbarkeit des Rechts, zum Umgang mit widersprüchlichen Kanones und zum Verhältnis von Gnade und Strenge bei der Zumessung kirchlicher Strafen. Zu den Beispielen, die hier diskutiert werden, gehört die Rehabilitation des Photios.
Die Panormia ist eine vergleichsweise kurze Sammlung, deckt aber sehr unterschiedliche Rechtsgebiete ab. Unter anderen enthält sie ein Buch über den Glauben (Buch 1), die kirchliche Hierarchie (Buch 4) und zwei Bücher zum Eherecht (Buch 6 und 7); die Teile zum Sakramentenrecht, vor allem zur Eucharistie, sind im Vergleich zu Ivos Decretum auffällig kurz und fehlerhaft. Das dritte und vierte Buch zur Kirchenverfassung beginnen jeweils mit Kanones, die den Papst und die römische Kirche betreffen. Anders als sein Vorbild, Ivos Decretum, enthält die Panormia kein eigenes Buch über Buße und keines zur spekulativen Theologie.
Die Panormia fand ausweislich der ca. 100 erhaltenen Handschriften rasch eine weite Rezeption. Relativ häufig wurden Anhänge mit kanonistischem Material angefügt. Zahlreiche kanonische Sammlungen, darunter das Decretum Gratiani, griffen auf die Panormia zurück. Die früheste datierbare Nutzung findet sich in den Leges Henrici Primi. Auch Theologen wie Petrus Abaelardus und Alger von Lüttich verwendeten die Panormia. Da das Vorwort, das in fast allen Handschriften zu finden ist, Ivo von Chartres als Autor nennt, wurde die anonyme Panormia seit dem 12. Jahrhundert oft ebenfalls als Werk Ivos angesehen.
Die editio princeps wurde 1499 von Sebastian Brant besorgt; der Text weicht stark von der Mehrheit der Handschriften ab. Diese Ausgabe wurde 1557 von Melchior Vosmedian nachgedruckt und verbessert, unter anderem, indem die Texte der Panormia an das Decretum Gratiani angepasst wurden. Die weit verbreitete Ausgabe in Mignes Patrologia ist ihrerseits ein Nachdruck der Ausgabe Vosmedians mit weiteren Verschlechterungen. Eine kritische Neuausgabe durch Martin Brett und andere ist in Vorbereitung.
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