Nordböhmisches Becken
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Das Nordböhmische Becken (früher auch: Teplitz-Komotauer Becken, tschech.: Mostecká pánev) ist eine Landschaft in Nordböhmen (Tschechien) und Teil des Böhmischen Beckens. Sie prägt den westlichen Teil des Ústecký kraj (Region Aussig).
Das Becken liegt zwischen dem mittleren und östlichen Erzgebirge im Norden und dem Bergland Rakovnická pahorkatina im Süden. Im Osten grenzt das Becken an das Böhmische Mittelgebirge und an Ausläufer der Böhmischen Schweiz sowie im Südosten an den Landschaftsraum Dolnooharská tabule (etwa Untereger-Tafel). Im Westen berührt es das Duppauer Gebirge.
Das Becken ist Teil des Egergrabens. Die geologischen Verhältnisse im Nordböhmischen Becken stehen hauptsächlich mit der geologischen Situation der großen Nachbarregionen Erzgebirge und Böhmisches Mittelgebirge im kausalen Zusammenhang.
Mit der Hebung der erzgebirgischen Pultscholle zur Zeit des Tertiärs, begleitet von einem starken Vulkanismus im heutigen Böhmischen Mittelgebirge, wurde ein natürlicher Graben geschaffen, der heute diese Beckenlandschaft ausmacht.
Die Lagerungsverhältnisse in den Beckensedimenten und deren mineralogische Zusammensetzung sind kompliziert, weil sich hier sehr unterschiedliche Substanzeinträge vermischt haben. Der Graben füllte sich durch natürliche Niederschläge und Wasserläufe schnell mit Wasserflächen. Die früheren heftigen vulkanischen Aktivitäten in der Region haben Vulkanaschen und Laven, die bei der Berührung mit Wasser in diesem Grabenbruch erheblichen chemischen Lösungs- und Umwandlungsprozessen unterlagen, als Sedimentanteil eingebracht. Die gelösten und die nur als Schwebstoffe vorhandenen Anteile haben sich in den Gewässern schnell verbreitet und in stark differenzierten Verhältnissen als Sedimentanteile abgesetzt.
Von der südlichen Seite des heutigen Erzgebirges, der Nordflanke des Böhmischen Mittelgebirges und den im Becken noch vorhandenen Kreideablagerungen (z. B. Teplice) wurden Sande, Tonminerale und Kalk ausgewaschen und ebenso eingespült. Diese nährstoff- und wasserreiche Situation war die Grundlage für eine sich lebhaft entwickelnde Fauna und Flora. Teile des ehemaligen tertiären Waldbestandes haben nach Bedeckung mit mineralischen und humushaltigen Sedimenten zur Bildung der seit dem 19. Jahrhundert in industrieller Nutzung stehenden Braunkohlelagerstätten geführt.
Vereinzelt wurden Tonsedimente mit hohem Gehalt an verkohlten organischen Resten durch natürliche Umstände (Gebirgsdruck-Sauerstoff-Verhältnisse, Blitzschlag, Waldbrand) in Brand gesetzt. Die sich ausbreitenden unterirdischen Schwelbrände haben eine meist schichtartig auftretende Gesteinsart, die Porzellaniten, erzeugt. Auch reine Kohleflöze haben in ihrer Kontaktzone mit Tonen bei solchen Bränden Porzellanite erzeugt. Sie werden auch als Flözbrandgesteine bezeichnet.[1] Diese waren wegen ihrer porzellanartigen Beschaffenheit und Festigkeit gelegentlich das Ziel eines gewerblichen Abbaus, um daraus Schotter für den Straßenbau herzustellen. Überwiegend nutzten die Braunkohle-Tagebauunternehmen diese Vorkommen für ihre eigenen betrieblichen Zwecke.
Das heutige Bodenniveau im Nordböhmischen Becken liegt bedeutend höher als zur Entstehungszeit dieser Riftzone, da über einen Zeitraum von etwa 33 Millionen Jahren (seit dem Priabonium) Abtragungs- und Sedimentationsabläufe stattgefunden haben. Bei diesen Prozessen wurden Ablagerungen mit einer Mächtigkeit von bis zu 700 Metern aufgebaut, im Mittel jedoch um 300 Meter. Diese Sedimentabfolgen bestehen aus den regionalen Einheiten Altsedletzer-Formation/Staro-Sedelské souvrství (oberes Eozän), Stresauer-Formation/Střezovské souvrství (Oligozän) Brüxer-Formation/Mostecké souvrství (Oberes Oligozän bis unteres Miozän).[2]
Das Becken wird nach Osten hin zur Elbe entwässert durch die Flüsse Bílina (Biela) und Ohře (Eger).
Von den ehemaligen Seenlandschaften in Teilen des Nordböhmischen Beckens sind wegen des intensiven Braunkohlentagebaus und der damit einhergehenden Devastierung kaum noch ursprüngliche Reste erhalten geblieben. Ausgedehnte Landschaften mit Teichen und Feuchtwiesen bestanden um die Stadt Duchcov und westlich von Most in Richtung des Dorfes Jezeří.
Das letztere Gebiet trug die Bezeichnung Die See-Wiese (tschechisch: Komořanské jezero) und wurde von den früheren Ortschaften Tschausch, Seestadtl und Niedergeorgenthal umschlossen. Um eine landwirtschaftliche und später bergbauliche Nutzung zu ermöglichen, waren mehrere Wassergräben angelegt worden, da der jahreszeitliche Wasserspiegel in diesem Gebiet schwanken konnte. Die Fläche der See-Wiese betrug etwa 25 Quadratkilometer bei einer Länge von etwa 7 Kilometern und einer Breite von etwa 4,5 Kilometern. Zwei Wasserflächen, der Alte Teich bei Niedergeorgenthal und der Stein-Teich bei Seestadtl, waren dauerhaft existent. Ursprünglich gehörten sie zur Fläche des viel größeren Kommerner Sees, der bereits im 19. Jahrhundert nur noch als Moorareal, eben die See-Wiese, vorhanden war.[3] Eine zipfelartige Verlängerung des Feuchtgebietes, die Laucher Wiesen, schuf in Richtung des Stadtgebietes von Brüx/Most eine Verbindung mit der Stadt und dem weiteren Verlauf der Bílina.
Die oberflächennahen Schichten bestehen, soweit sie noch in ursprünglicher Form vorhanden sind, aus pleistozänen und limnischen Sedimenten.[4] In den Sedimentabfolgen lagern Treibsandschichten. Diese Sandhorizonte bereiten in den Bergbaugebieten gelegentlich große Probleme und haben bei Bewegungen ihrerseits zu erheblichen großflächigen Senkungen geführt. Dieses Phänomen ist besonders in der Region von Brüx/Most bekannt und verursachte 1874 bis 1876 in einigen Kohlegruben erstmals beachtliche Einbrüche. In dramatischen Fällen füllte sich in extrem kurzer Zeit der Tagebau mit Schlamm-Sand-Massen, was Todesfälle und erhebliche betriebswirtschaftliche Schäden nach sich zog. Die Bevölkerung spürte fast an allen Orten der Region eine Absenkung und manchmal ein Ausbleiben ihres Brunnenwassers. Eine Folge waren eine große Zahl von Erkundungsbohrungen im Braunkohlenrevier zwischen Brüx und Komotau, um eine Vorstellung über die Ausdehnung jener Sandschichten zu erhalten und die hydrogeologischen Zusammenhänge besser beurteilen zu können.[5]
Insgesamt gehört das Areal zum Wassereinzugsgebiet der Bílina, die wegen der Tagebauaktivitäten im 20. Jahrhundert bei dem früheren Ort Seestadtl verrohrt wurde und nun den so genannten Ervěnický koridor durchfließt.
Der Braunkohletagebau seit dem 19. Jahrhundert hat diese Landschaft völlig verändert und im Ökosystem der Region massiven Schaden angerichtet. Davon sind besonders die Grundwasserverhältnisse sowie die gesamte Flora und Fauna betroffen, was wiederum Rückwirkungen auf die regionalen klimatischen Verhältnisse hat.
Die Braunkohlevorkommen des Nordböhmischen Beckens wurden bereits seit dem 15. Jahrhundert in geringem Umfang abgebaut. 1403 wurde eine Braunkohlengrube bei Duchcov (Dux) genannt, 1566 und 1605 folgten Erwähnungen von Bergwerken bei Hrob (Klostergab) und 1591 bei Hrbovice (Herbitz).[6] Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden bei Duchcov (Dux), Chomutov (Komotau) und Most (Brüx) einige Alaunwerke, die Vitriol und Alaun aus Alaunschiefer und der anstehenden Braunkohle herstellten. Der Abbau konzentrierte sich bis zum 19. Jahrhundert auf die oberflächennahen Flöze, die überwiegend in sogenannten „Bauern-Schächten“ mittels Förderkübel und Haspel gefördert wurde.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte die industrielle Intensivierung des Tiefbaus nach hochwertiger Hartbraunkohle. Mit der Ansiedlung insbesondere von Glas-, Porzellan- und Zuckerfabriken, von Eisen- und Maschinenbaubetrieben sowie von chemischen Fabriken (u. a. gegründet vom Österreichischen Verein für Chemische und Metallurgische Produktion) entstand ein bedeutender Absatzmarkt. Hinzu kam die stetig steigende Nachfrage aus dem benachbarten Sachsen.
Zur besseren Abfuhr der Braunkohle errichteten die Dux-Bodenbacher Eisenbahn-Gesellschaft und die Aussig-Teplitzer Eisenbahngesellschaft ab 1858 mehrere Eisenbahnstrecken im Nordböhmischen Becken. Zur besseren Anbindung des sächsischen Absatzmarktes wurde 1885 die Bahnstrecke Nossen–Moldau eröffnet.
Im Zuge der Industrialisierung des Abbaus entstanden ab 1871 mehrere große Bergwerksgesellschaften, welche die bis dato dominierenden kleinen Gruben zusammenfassten. Gebildet wurden u. a. die Brüxer Kohlebergbaugesellschaft (1871), der Wiener Kohlebund (1872), die Duxer Kohlegesellschaft (1872), die Gewerkschaft Brucher Kohlenwerke (1888) und die Nordböhmische Kohlegesellschaft (1892). Allein die Gewerkschaft Brucher Kohlenwerke erreichte 1896 eine Jahresförderung von 1,8 Millionen Tonnen Braunkohle bei einer Belegschaftsstärke von über 3.300 Mann. Die Kohle wurde zu 75 % nach Norddeutschland und Bayern exportiert.[7]
Die Städte Chomutov (Komotau), Most (Brüx), Teplice (Teplitz) und Ústí nad Labem (Aussig) entwickelten sich zu industriellen Zentren im Nordböhmischen Becken.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verdrängte der Abbau im Tagebau den bislang dominierenden Tiefbau. Damit konnten einerseits Großgeräte effektiver eingesetzt werden, andererseits setzte nun auch die großflächige Überprägung der Landschaft ein. Die industrielle Kohleförderung hatte insbesondere Auswirkungen auf das Landschaftsbild, die Siedlungsstrukturen und das Gewässernetz des Beckens.
Unmittelbar nach der Angliederung des Sudetenlandes an Deutschland im Oktober 1938 begann die Sudetenländische Treibstoffwerke AG nahe Litvínov (Leutensdorf) mit dem Aufbau eines Hydrierwerkes zur Herstellung von synthetischem Benzin aus Braunkohle. Die meisten nordböhmischen Braunkohlenbergwerke wurden ab 1939 in der Sudetenländischen Bergbau AG (SUBAG) zusammengefasst. Nur wenige kleinere Gruben, die nicht von der Arisierung betroffen waren, blieben zunächst eigenständig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen alle Bergwerke im tschechoslowakischen Staatsbetrieb Severočeské doly auf. Der großflächige Braunkohlebergbau erlebte in den folgenden Jahrzehnten seinen Höhepunkt. In der wirtschaftlichen Autarkiepolitik der Tschechoslowakei kam der nordböhmischen Braunkohle vor allem zur Energieerzeugung eine Schlüsselrolle zu. Der Aufschluss von Großtagebauen wie z. B. des Tagebau Nástup–Tušimice (ab 1953) wurde intensiviert. Seit den 1960er Jahren entstanden eine Reihe von Großkraftwerken u. a. in Ledvice Ladowitz (Inbetriebnahme 1969, 640 MW), in Počerady (Inbetriebnahme 1977, 1200 MW), in Prunéřov (Brunnersdorf, Inbetriebnahme 1967/68 mit 66 MW und 1981/82 mit 1050 MW) und in Tušimice (Inbetriebnahme 1973/74, 800 MW). Die Ansiedlung von Großbetrieben der chemischen Industrie und der Schwerindustrie erfolgte bevorzugt nahe der billigen Energiequelle Braunkohle.
Die Kohleförderung erreichte in den 1980er Jahren einen Umfang von ca. 75 Millionen Tonnen pro Jahr.[8] Zu dieser Zeit erreichte auch die Umweltschädigung und Landschaftsüberprägung des Konglomerats aus Bergbau, Energieerzeugung und chemischer Industrie ihren Höhepunkt. Den großflächigen Tagebauen fielen mehr als 100 Ortschaften zum Opfer. Markantestes Beispiel der Landschaftsveränderung war die Devastierung von weiten Teilen der Stadt Most (Brüx) seit den 1960er Jahren. Die Kirche Mariä Himmelfahrt wurde dafür 1975 in einer spektakulären Aktion um über 800 Meter verschoben.
Durch Tagebaue und Chemische Industrie wurden weite Teile des Beckens devastiert und Waldschäden in den angrenzenden Gebirgen, vor allem im Erzgebirge sowie gesundheitliche Beeinträchtigung der Bewohner des Beckens verursacht.
Der spätere tschechische Präsident Václav Havel schrieb 1982 an seine Frau:
Heute zählt das Nordböhmische Becken zu den am dichtesten besiedelten Regionen Tschechiens und kämpft seit der Samtenen Revolution 1989 in der sozioökonomischen Transformation als Altindustrielandschaft mit strukturellen Problemen.
Zu den weiteren Bodenrohstoffen aus dem Nordböhmischen Becken, die über lange Zeiträume durch gewerbliche Aktivitäten genutzt worden sind, zählen Kalkstein (für Baukalk), Pläner (für Baukalk und Baugesteine), Sandstein (für Baugesteine), Ton und Lehme (keramische Zwecke und Ziegelein), Tertiärquarzit (Silikasteine) sowie Mineralwässer und Torf (Brennmaterial). Teilweise werden sie noch heute (2009) gewonnen.[10][11][12]
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