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Netzstadt bezeichnet ein relativ neues städtebauliches Theorieparadigma. Geprägt wurde der Begriff Ende der 1990er Jahre an der ETH Zürich durch den Architekten und Städtebauer Franz Oswald sowie den Chemiker Peter Baccini.
Oswald und Baccini verwenden den Terminus Netzstadt auf dreifache Weise:
In bewusster Abgrenzung zu älteren Modellen wie dem System der Zentralen Orte suchten Oswald und Baccini nach zeitgemäßen Beschreibungsmodi urbaner Systeme sowie nach Möglichkeiten ihrer Steuerung. Eine besondere Rolle spielen dabei die hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen, neuen topologischen Muster, die andernorts mitunter als zersiedelte Landschaft oder Urban sprawl bezeichnet werden.
Die Theorie der Netzstadt ist vom Gedanken der Nachhaltigkeit und von der „Vision eines lang andauernden Umbauprozesses“[1] geprägt und von der Erkenntnis getragen, „dass sich Städtebau […] in die langfristig orientierten ökologischen Rahmenbedingungen einordnen muss.“[2] :„Dies ist auch ein Bekenntnis zur gestalterischen Verantwortung und Kompetenz des Menschen in der Entwicklung der Biosphäre, aber eine Absage an den zu eng verstandenen Naturschutz, der mit einer dogmatischen ökozentrischen Position gekoppelt ist, die dem Menschen große gestalterische Eingriffe aus ethischen Gründen verweigert. Ebenso ist es eine Absage an den zu eng verstandenen Heimat- und Landschaftsschutz, der auf die Vergangenheit fixiert, doch blind für die Zukunft ist, keinen Glauben an neue Formen der Alltagsbewältigung aufkommen lässt und Erneuerungen und Umbrüche mit Verweis auf die bewährte Tradition verwehrt.“[3]
Im Rahmen dieses Modells wird der Begriff Netzstadt als metaphorisches Kürzel für urbane Systeme verwendet. „Die Metapher Netz soll verdeutlichen, dass es sich nicht um eine pyramidal angeordnete Hierarchie der einzelnen Siedlungen mit einem Zentrum an der Spitze handelt, sondern um ein Gebilde, dessen Struktur und Eigenschaften sich zum Teil mit solchen von Ökosystemen vergleichen lassen.“[4] Urbane Systeme definieren Oswald/Baccini wie folgt:
In einem urbanen System verschwindet folglich die klare Trennung zwischen Stadt und Land. Es ist daher legitim, auch bei räumlichen Gebilden, bei denen land- und forstwirtschaftliche Flächenanteile dominieren, von Netzstadt zu sprechen.
Das Netzstadtmodell setzt sich im Einzelnen aus den folgenden drei Elementen zusammen:
Das Wechseln des Betrachtungsmaßstabs erlaubt es sowohl verschiedene Knoten und Verbindungen auf der nächsthöheren Skala zu einem übergeordneten Knoten zu aggregieren als auch einen Knoten auf den nächsttieferen Skala in Subknoten und die entsprechenden Verbindungen dazwischen aufzulösen. Dies erhöht die Flexibilität des Modells und führt zu neuen Hierarchien, die sich deutlich von denen Christallers unterscheiden.
Oswald/Baccini differenzieren 5 Skalen:
Die Übergänge zwischen diesen Skalenstufen sind teilweise fließend. In der Literatur wird deshalb teilweise für eine weitere Ausdifferenzierung des Systems, etwa durch die Einführung von Subregionalen und supranationalen Skalen vorgeschlagen.[7]
Die komplexe Netzstadtmethode wird als Teil einer Strategie zur Entwicklung urbaner Systeme verstanden. Sie beinhaltet sowohl eine morphologische als auch eine physiologische Analyse ausgewählter Territorien mittels spezifischer Analyseinstrumente. Die Methode erfordert daher eine transdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Architektur, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Sie ist bewusst offen gehalten für die Integration weiterer Disziplinen (Sozialwissenschaften, Ökonomie, Politikwissenschaft, Anthropologie etc.).
Die morphologische Analyse eines Territoriums stützt sich insbesondere auf topographische Charakteristika, die u. a. auf der Grundlage von Luftbildern herausgearbeitet werden. Sie erfolgt mit Fokus auf die folgenden 6 natur- und kulturgeschichtlichen Attribute des Territoriums:
Die morphologische Analyse der Netzstadtmethode umfasst synchrone und diachrone Untersuchungen von 6 aufgrund ihrer Nutzungsart unterscheidbaren Territorientypen: Gewässer, Wald, Siedlung, Landwirtschaft, Infrastruktur, Brachen.
Die physiologische Analyse verfolgt das Ziel, den relevanten physischen Ressourcenhaushalt urbaner Systeme zu erfassen, um – in Kombination mit dem morphologischen Befund – eine qualitative und quantitative Beschreibung von Knoten und Flüssen zu ermöglichen.
Die Erfassung von Materie- und Energieflüssen führt zur Darstellung von Stoffhaushaltssystemen und erfolgt anhand der folgenden Schlüsselressourcen:
Weiterhin gehen die folgenden ausgewählten physiologischen Indikatoren in die Analyse ein:
Grenzen der Netzstadtmethode:
Die Netzstadtmethode allein liefert noch keine städtebaulichen oder raumplanerischen Entwürfe, sie unterstützt lediglich die Analyse und strukturiert die Entwurfsarbeit. Die Netzstadtmethode ist nicht in der Lage, neue Qualitätsziele vorzugeben. Dazu sind zusätzliche normative Kräfte notwendig, die in einer Demokratie durch partizipative Verfahren beeinflusst werden können.[8]
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