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Krankheit Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die membranöse Glomerulonephritis (membranöse Glomerulopathie, epimembranöse Glomerulonephritis, membranöse Nephropathie) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen. Als Ursache werden unter anderem Antikörper gegen Proteine der Podozyten angenommen, einer Zellschicht, die im Nierenkörperchen auf der Filtrationsmembran (glomeruläre Basalmembran) liegt.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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N04.2 | Nephrotisches Syndrom, Diffuse membranöse Glomerulonephritis |
N06.2 | Isolierte Proteinurie mit Angabe morphologischer Veränderungen, Diffuse membranöse Glomerulonephritis |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Im Erwachsenenalter ist die membranöse Glomerulonephritis häufigste Ursache des nephrotischen Syndroms, das mit hohen Eiweißverlusten über den Urin, Wassereinlagerungen und Störungen im Stoffwechsel der Blutfette einhergeht.[1] Die Diagnose wird durch Nierenpunktion und feingewebliche sowie elektronenmikroskopische Untersuchung des gewonnenen Nierengewebes gestellt. Kennzeichnend ist die Ablagerung von Komplexen aus Antikörper und Antigen (Immunkomplexen) auf der Außenseite der glomerulären Basalmembran.
Der Verlauf der membranösen Glomerulonephritis ist sehr variabel, ca. ein Drittel der Fälle heilt spontan aus, ca. ein Drittel bleibt im Verlauf stabil und ca. ein Drittel führt zum chronischen Nierenversagen.
Die Behandlung erfolgt mit Medikamenten, welche das Immunsystem hemmen (immunsuppressive Therapie): Cortison, Cyclophosphamid, Chlorambucil, Cyclosporin und Mycophenolat-Mofetil.[2]
In alten Nierenbiopsie-Statistiken war die membranöse Glomerulonephritis die häufigste Diagnose bei erwachsenen Patienten mit Proteinurie und nephrotischem Syndrom. Der relative Anteil membranöser Glomerulonephritiden an Nierenbiopsien hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Möglicherweise ist dies auf eine Zunahme der Fälle von fokal segmental sklerosierender Glomerulonephritis zurückzuführen.
Die membranöse Glomerulonephrtits kommt in allen ethnischen Gruppen und bei beiden Geschlechtern vor. Die idiopathische (= Ursache unbekannt) membranöse Glomerulonephritis ist allerdings bei Männern über 40 Jahren und weißer Hautfarbe häufiger. Bei jüngeren Frauen sollte bei membranöser Glomerulonephritis an eine Lupusnephritis gedacht werden. Bei Kindern ist die membranöse Glomerulonephritis seltener und häufig mit einer Hepatitis B assoziiert.
In der Lichtmikroskopie findet sich eine diffuse Verdickung der glomerulären Basalmembran in allen Nierenkörperchen (Glomeruli). Die Anzahl der Zellen ist in den Nierenkörperchen nicht vermehrt. In frühen Stadien können die Glomeruli unauffällig erscheinen, in fortgeschritteneren Stadien finden sich in der Basalmembran feine Löcher, an der Außenseite (= der subepithelialen Seite) der Basalmembranen bilden sich feine Ausziehungen, sogenannte „Spikes“. Gelegentlich können in der Trichrom-Färbung subepitheliale Proteinablagerungen nachgewiesen werden. Bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung kommt es zur Vernarbung (Sklerose) der Nierenkörperchen und Veränderungen von Nierenkanälchen (Tubuli) und Zwischengewebe (Interstitium) der Niere.
In der Fluoreszenzmikroskopie findet man feine körnelige Ablagerungen von IgG und C3 entlang der Basalmembran.
Die Elektronenmikroskopie zeigt elektronendichte Ablagerungen (Depots) an der Außenseite (der subepithelialen) Seite der Basalmembran, eine Verschmelzung der darüber liegenden Fußfortsätze der glomerulären Deckzellen (Podozyten) sowie eine Verbreiterung der Basalmembran durch Ablagerung neu gebildeter extrazellulärer Matrix zwischen den Immundepots, den „Spikes“. Im Verlauf der Erkrankung werden die Immundepots schließlich vollständig von der Basalmembran umschlossen.
Der Grad der Veränderungen der Basalmembran ermöglicht eine histologische (feingewebliche) Stadieneinteilung, die aber nicht mit der Schwere der Erkrankung oder dem Ansprechen auf Medikamente korreliert.
Aufgrund von Befunden, die an experimentellen Modellen erhoben wurden, vermutet man, dass sich die Immundepots an Stelle der Ablagerung („in situ“) bilden. Dazu müssen IgG-Antikörper die Basalmembran passieren, und Antigene binden, die entweder an den Fußfortsätzen oder in deren Nähe exprimiert werden, oder aber aus dem Blutkreislauf an die Außenseite der Basalmembran gelangt sind.
Bereits 1959 gelang es Heymann, in Ratten eine membranöse Glomerulonephritis hervorzurufen, in dem er die Tiere mit einem Extrakt von Nierentubulus-Zellen in Freund’schem Adjuvans impfte. Als Zielantigene konnten zwischenzeitlich Megalin und Cubilin identifiziert werden, die in Membran-Einstülpungen von tubulären und glomerulären Epithelzellen, den Clathrin coated pits, exprimiert werden und für die Endozytose vieler Stoffe in mehreren Gewebetypen verantwortlich sind.[4][5]
Die Bildung von Immunkomplexen auf der Außenseite der Basalmembran führt zur Komplement-Aktivierung. Dadurch werden die Podozyten geschädigt. Eine Störung des Zytoskeletts führt zum Verlust der Integrität der glomerulären Schlitzmembran. Dies wiederum führt zum Übertritt von Eiweiß in den Urin, zur Proteinurie. Zudem kommt es zu einer Überproduktion von Bestandteilen der Basalmembran, Kollagen IV und Laminin, und so zur Verbreiterung der Basalmembran.[6]
Beim Menschen war das Antigen, welches für die membranöse Nephritis verantwortlich ist, lange Zeit nicht bekannt – Megalin wird im menschlichen Glomerulus nicht exprimiert.
Beobachtung an der antenatalen membranösen Nephritis legten einen ähnlichen Pathomechanismus auch beim Menschen nahe: Im menschlichen Glomerulus exprimieren die Podozyten das Enzym neutrale Endopeptidase. Fehlt der Mutter aufgrund einer Mutation dieses Enzym, kann es während der ersten Schwangerschaft zu einer Immunisierung der Mutter kommen, wenn der Fetus dieses Enzym in der Niere exprimiert. Bei einer zweiten Schwangerschaft können mütterliche Antikörper gegen neutrale Endopeptidase die Plazenta passieren und im Fetus eine membranöse Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom hervorrufen. Einige Monate nach der Geburt verschwinden die mütterlichen Antikörper aus dem kindlichen Blut, die Immundepots in der Niere lösen sich auf, das nephrotische Syndrom heilt spontan aus.
2009 beschrieben Beck et al. im Serum von 70 % untersuchter Patienten mit idiopathischer membranöser Glomerulonephritis einen Antikörper vom Typ IgG4, welcher mit einem bestimmten Protein aus dem Extrakt von Nierenkörperchen reagiert. Das Protein wurde als Phospholipase-A₂-Rezeptor Typ M (PLA2R) identifiziert. Dieses Rezeptorprotein wird in normalen humanen Nierenkörperchen auf der Oberfläche der Podozyten exprimiert und kann bei Patienten mit membranöser Glomerulonephritis auch in den Immundepots nachgewiesen werden. Im Serum kann das Antigen PLA2R dagegen nicht nachgewiesen werden. Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass bei der membranösen Glomerulonephritis die Immunkomplexe direkt an den Podozyten gebildet werden und nicht etwa zunächst im Serum mit anschließender Ablagerung an der Außenseite der glomerulären Basalmembran.[7] Für den Phospholipase-A2-Rezeptor-Antikörper sind mittlerweile kommerzielle Tests flächendeckend verfügbar. Da der Antikörpertiter mit der Krankheitsaktivität korreliert, kann er zur Therapieentscheidung und Therapiemonitoring verwendet werden. Neben dem PLA2-Rezeptor-AK ist mittlerweile ein Antikörper gegen die Thrombospondin Typ 1 Domäne 7A (THSD7A) identifiziert worden.[8]
Bei Kindern im Alter zwischen 5 Monaten und 2,3 Jahren mit membranöser Nephropathie wurden im Blut hohe Konzentrationen an Rinderserumalbumin und dagegen gerichtete Antikörper vom Typ IgG1 und IgG4 gefunden. Diese Antikörper konnten zusammen mit Rinderserumalbumin auch in den epimembranösen Ablagerungen der Nierenkörperchen nachgewiesen werden. Auch im Eluat von Nierenbiopsien fand sich IgG1 und IgG4, das mit Rinderserumalbumin reagierte. Man nimmt an, dass im Darm geringe Mengen von Rinderserumalbumin aus Kuhmilch in unverdauter oder teilweise verdauter Form aufgenommen werden können. So findet man im Blut von fast allen Kleinkindern Antikörper gegen Rinderserumalbumin. Bei den Kindern mit membranöser Nephropathie waren die Serum-Spiegel von Rinderserumalbumin höher als bei gesunden Kontrollen und das Rinderserumalbumin lag in kationischer (positiv geladener) Form vor. Unter Behandlung mit Prednison, Mycophenolat-Mofetil oder Cyclosporin kam es bei allen Kindern zu einer teilweisen oder vollständigen Remission.[9]
In Fällen, bei denen die membranöse Glomerulonephritis Folge einer anderen Erkrankung war, konnten spezifische Antigene in den Immundepots nachgewiesen werden: Doppelstrang-DNA bei Lupus erythematodes, Thyreoglobulin bei Thyreoiditis, Hepatitis B-Antigen, Treponema-Antigen und Helicobacter pylori-Antigen bei den entsprechenden Infektionen, sowie Carcinoembryonales Antigen und Prostataspezifisches Antigen bei Tumorerkrankungen.
Bei der feingeweblichen Untersuchung weisen folgende Befunde auf eine sekundäre Genese der membranösen Glomerulonephritis hin:
Neben Antikörpern sind auch T-Helferzellen an der Pathogenese der Glomerulonephritiden beteiligt.
Th1-Helferzellen überwiegen bei Glomerulonephritiden, die mit einem vermehrten Zellwachstum einhergehen, wie der rasch progressiven Glomerulonephritis. Bei der membranösen Glomerulonephritis überwiegen dagegen, wie bei der Minimal-Change-Glomerulonephritis, Th2-Helferzellen.
Eine genomweite Assoziationsstudie an 556 Patienten europäischer Herkunft ergab eine Assoziation mit zwei Einzelnukleotid-Polymorphismen. Auf Chromosom 2q24 fand sich eine Assoziation mit dem Gen für den Phospholipase-A₂-Rezeptor Typ M (PLA2R1). Die engste Assoziation bestand jedoch zu einem Allel auf Chromosom 6p21, das für ein HLA-Klasse II Antigen (HLA-DQA1) codiert. Dieses Allel erleichtert möglicherweise eine Autoimmunreaktion gegen körpereigene Antigene, wie Varianten des PLA2R1.[10]
In etwa 75 % der Fälle von membranöser Glomerulonephritis wird keine Ursache gefunden (idiopathische membranöse Glomerulonephritis).
Für das Vorliegen einer sekundären membranösen Glomerulonephritis, die eine andere Erkrankung zur Ursache hat, sprechen:
Die Ursachen der sekundären membranösen Glomerulonephritis sind vielfältig:
Eine membranöse Glomerulonephritis wurde auch zusammen mit anderen glomerulären Nierenerkrankungen beschrieben.
Bei etwa 80 % der Patienten besteht ein nephrotisches Syndrom mit unter Umständen erheblichen Wassereinlagerungen in den Geweben, Schwellungen von Beinen und Augenlidern, Gewichtszunahme und Abnahme der Urinausscheidung. Bei etwa 20 % der Betroffenen besteht eine Proteinurie geringeren Ausmaßes ohne zusätzliche Symptome. Im Urinsediment werden häufig ovale Fettkörperchen, Fetttröpfchen und Fettzylinder angetroffen. Bei etwa 50 % der Patienten besteht eine Mikrohämaturie, das heißt im Urin werden rote Blutkörperchen (Erythrozyten) nachgewiesen. Die Albuminurie führt zu einer Störung des tubulären Transportes, im Urin ist daher häufig Glukose trotz normaler Blutzucker-Werte nachweisbar (Glukosurie).
In der Blutuntersuchung findet sich meist eine Verminderung des Albumins und eine schwere Erhöhung der Blutfette (Hyperlipidämie)
Etwa 70 % der Patienten haben bei Krankheitsbeginn einen normalen Blutdruck und eine normale Nierenfunktion. Ein akutes Nierenversagen ist selten; Ursachen sind eine Hypovolämie durch zu aggressive Behandlung mit harntreibenden Substanzen (Diuretika), eine rasch progressive Glomerulonephritis oder der Verschluss der Nierenvene durch ein Blutgerinnsel (Nierenvenenthrombose).
Die Diagnose einer membranösen Glomerulonephritis kann nur durch eine Nierenbiopsie gestellt werden. Eine Nierenbiopsie sollte bei allen Erwachsenen mit nephrotischem Syndrom unklarer Ursache erfolgen. Bei Kindern mit nephrotischem Syndrom liegt meist eine Minimal-Change-Glomerulonephritis vor, die gut auf Glukokortikoide anspricht, so dass bei Kindern auf eine Nierenbiopsie zunächst verzichtet wird.
Zur Identifikation einer möglichen sekundären Ursache der membranösen Glomerulonephritis sollten folgende Laboruntersuchungen erfolgen:
Bei einigen Patienten mit membranöser Glomerulonephritis liegt ein Tumorleiden vor. In den meisten Fällen ist die Krebserkrankung zum Zeitpunkt der Manifestation der membranösen Nephropathie bereits bekannt. In seltenen Fällen manifestiert sich die Nierenerkrankung vor der Tumorerkrankung.
Die empfohlenen Krebsvorsorge-Untersuchungen sollten in jedem Fall durchgeführt werden. Bei erhöhtem Risiko für Lungenkrebs sollte eine Röntgenuntersuchung, ggf. eine Computertomographie des Thorax erfolgen. Eine darüber hinausgehende Tumorsuche wird nur empfohlen, wenn zusätzliche Hinweise auf eine Krebserkrankung vorliegen, wie Nachweis von occultem Blut im Stuhl, Blutarmut (Anämie) oder ungeklärte Gewichtsabnahme.
Ohne Behandlung hat die Erkrankung einen relativ günstigen Spontanverlauf:
Eine Behandlung mit Medikamenten, welche das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System hemmen, verbessert die Prognose.[13]
In Anbetracht des oftmals günstigen Krankheitsverlaufes und der unter Umständen gravierenden Nebenwirkungen einer Behandlung sollte eine immunsuppressive Therapie nur bei den Patienten begonnen werden, bei denen ein schweres nephrotisches Syndrom oder ein hohes Risiko für eine fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion besteht.
Kommt es im Verlauf der Erkrankung zu einem akuten Verlust der Nierenfunktion, ist dies meist auf folgende Komplikationen zurückzuführen:
Die allgemeine Behandlung der membranösen Nephropathie hat folgende Ziele:
Aufgrund der günstigen Prognose der Erkrankung mit einem hohen Anteil an Spontanremissionen und der unter Umständen schwerwiegenden Nebenwirkungen einer immunsuppressiven Behandlung, wird diese nur bei Hinweisen auf eine ungünstige Prognose begonnen, nach dem der Krankheitsverlauf unter allgemeinen Therapiemaßnahmen über einen längeren Zeitraum beobachtet wurde.[15]
Es werden unterschiedliche immunsuppressive Medikamente eingesetzt:
Bei Patienten, die auf konventionelle Therapien nicht ansprachen, wurden eine Vielzahl alternativer Substanzen eingesetzt:
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