deutscher anonymer Maler und Kupferstecher (ca. 1450–1500) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Meister des Hausbuches, häufig kurz als Hausbuchmeister bezeichnet, auch unter dem Namen Meister des Amsterdamer Kabinetts, Meister der Genreszenen des Hausbuches und Meister des Speyerer Altars bekannt, ist eine kontrovers diskutierte Gruppe deutscher und vermutlich auch niederländischer Zeichner, Maler, und Stecher, die zwischen etwa 1470 und 1505 im Raum der Rheinpfalz und am Mittelrhein tätig war und nach dem Hausbuch ehemals auf Schloss Wolfegg benannt wird.
Namensgebend für die Gruppe von Künstlern war eine etwa um 1480 am Mittelrhein entstandene illustrierte Handschrift, die bis 2008 in der Bibliothek der Fürsten von Waldegg-Wolfburg aufbewahrt wurde. Dieses Wolfegger Hausbuch wurde im 19. Jahrhundert unter der neu formulierten Bezeichnung „Hausbuch“ reproduziert und bekannt. Da man damals von einem Zeichner ausging, bürgerte sich der Notname „Hausbuchmeister“ zunächst im Singular ein.
Seit den 1990er Jahren wuchs das Verständnis dafür, dass an der Handschrift des Hausbuches verschiedene Zeichnerhände mitgearbeitet haben, darunter mindestens zwei Hauptmeister mit zahlreichen Blättern in hoher Qualität (weiter unten Zeichner I und III bezeichnet). Da die Künstler stilistisch sehr ähnlich arbeiteten und ähnliche Techniken und Materialien verwendeten, wird ihre konkrete gegenseitige Abgrenzung von der Forschung weiterhin diskutiert.[1]
Zeichner Ia: Von den Planetenbildern des Hausbuches werden Saturn, Jupiter und Merkur einem Zeichner zugeschrieben, der an seiner Zeichenweise erkennbar ist. Sie ähnelt durchaus den Zeichnungen der zweiten Gruppe, gehört aber wohl doch zu einer eigenen Künstlerpersönlichkeit. Er arbeite intensiv mit Vorlagen aus der zeitgenössischen Druckgrafik. Da zahlreiche Einzelmotive auch für das spätestens 1475 vermutlich in Mainz fertiggestellte Pontifikale des Mainzer Erzbischofs Adolph von Nassau verwendet wurden, geht man von einer Entstehung dieser Zeichnungen bald nach 1470 aus.[2] Wenn man aber davon ausgeht, dass solche Vorlagen in einer Werkstatt über längere Zeit hin verfügbar waren, könnten diese Zeichnungen des Hausbuchs auch später entstanden sein, etwa in den frühen 1480er Jahren.[3]
Zeichner Ib: Die übrigen Planetenbilder des Hausbuches, Mars, Sol und Luna werden einem zweiten Zeichner zugeschrieben, der ein besonders hohes zeichnerisches Können und eine große künstlerische Individualität zeigt. Hier wird derselbe Künstler gesehen, der auch die berühmten Kaltnadelstiche des Amsterdamer Kabinetts geschaffen hat und der deshalb auch unter dem entsprechenden Notnamen geführt wird. Da zahlreiche Einzelmotive in das spätestens 1475 fertiggestellte Pontifikale des Mainzer Erzbischofs Adolph von Nassau übernommen wurden, geht Daniel Hess von einer Entstehung dieser Zeichnungen um 1470 aus.[4] Es wird aber auch die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Zeichnern Ia und Ib um ein und dieselbe Person handeln könnte. In dieser Frage besteht also kein Konsens. Weitgehend akzeptiert wurde aber die Abgrenzung zum Zeichner III (unten).[5] Konsens besteht darüber, dass es sich zumindest bei Hand Ib um den sogenannten „Meister des Amsterdamer Kabinetts“ handelt.
Zeichner II: Ein weiterer Zeichner hat in dem Hausbuch eine Gauklerszene eingebracht, das farbige Wappen mit dem goldenen Ast angelegt und die Rankenverzierungen im Planetenteil des Hausbuches gemalt. Dieselbe Hand wurde auch in einer anderen mittelrheinischen Handschrift, dem um 1470 entstandenen Pontifikale des Mainzer Erzbischofs Adolph von Nassau identifiziert, das in der sogenannten Werkstatt der Mainzer Riesenbibel entstanden ist. Der Planetenteil muss damals in dieser Buchmalereiwerkstatt vorgelegen haben, da der Maler der Gauklerszene wiederum verschiedene Motive aus den Planetendarstellungen des Hausbuches (Hände I und II) sehr getreu in das Pontifikale übernommen hat.[6]
Zeichner III: Eine größere Anzahl von Szenen aus dem adligen Leben der Zeit wurde von dem sogenannten „Meister der Genreszenen“ geschaffen, die einen detaillierten Einblick in adelige Lebensweisen (Turnier, Gartenfeste, Kriegszüge) und technische Apparaturen (Geschütze, Pumpen) geben. Man könnte also von dem zweiten Hauptzeichner im Hausbuch sprechen. Hier ergeben sich stilistische Bezüge zum Werk des Wolfgang Beurer (auch: Meister WB), dessen am Mittelrhein entstandenes Werk erst in jüngerer Zeit genauer umrissen werden konnte.[7] Ob Genreszenen und Maschinendarstellungen wirklich von einem Zeichner geschaffen wurden, ist bislang nicht näher diskutiert worden.[8]
Zeichner IV: Möglicherweise hat ein weiterer Zeichner ein Bergwerk dargestellt. Es könnte sich aber auch hier um den „Meister der Genreszenen“ handeln, also um Wolfgang Beuer.[9]
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Mehrzahl der Illustrationen des Hausbuches in sehr enger Verbindung mit der sogenannten Werkstatt der Mainzer Riesenbibel entstanden sind, die zwischen etwa 1470 und 1500 in Mainz gearbeitet hat und in enger Verbindung mit dem Druckhaus des Peter Schöffer gestanden hat. Es wurden gemeinsame Vorlagen benutzt, Bildfindungen des Hausbuches tauchen in anderen Handschriften dieser Werkstatt auf, und es lassen sich die meisten Zeichner im Hausbuch auch als Zeichner in anderen Büchern dieser Werkstatt nachweisen.[10]
Bei dem sogenannten Meister des Hausbuches handelt es sich nach aktuellem Forschungsstand um mehrere Künstler, wobei der Zeichner der Planetenbilder Mars, Sol und Luna (Künstlerhand Ib) als die eigentlich bedeutende Künstlerpersönlichkeit angesehen wird und vor allem hier nach seinem weiteren Werk gefragt wird. Dieser Meister der drei besonders qualitätvollen Planetendarstellungen ist in der Kunstwissenschaft eindeutiger als Meister des Amsterdamer Kabinetts bekannt, da er eine größere Zahl von bedeutenden und in der Kunstgeschichte sehr bekannten Kaltnadelarbeiten im AmsterdamerRijksmuseum geschaffen hat. Der Zusammenhang der drei Planetenbilder und der Kaltnadelarbeiten ist im Gegensatz zu vielen anderen Zuschreibungen von der Wissenschaft nie infrage gestellt worden.[11]
Dieser Hausbuchmeister im engeren Sinn (Zeichner der drei Planetenbilder und der Kaltnadelstiche) arbeitete mit großer Sicherheit am nördlichen Oberrhein bzw. südlichen Mittelrhein[12] im Raum der fürstlichen Höfe in Mainz oder Heidelberg.
Er schuf neben Zeichnungen und den berühmten Kaltnadelradierungen vielleicht auch Porträts als Gemälde. Sein bekanntestes Werk in dieser Gattung ist vermutlich das nach seinem Aufbewahrungsort so genannte Gothaer Liebespaar (um 1480), das erste eigenständige Doppelporträt der deutschen Tafelmalerei. Die Zuschreibung wird bei Hess 1994 ausführlich begründet, ihr ist aber auch widersprochen worden. Zudem wird bezweifelt, ob es sich bei der Darstellung eines Paares überhaupt um Porträts handelt.[13]
Über die Herkunft, Ausbildung und konkrete Arbeitsweise des Künstlers konnte man sich in der Wissenschaft bislang nicht einigen. Es lassen sich aber bei ihm zahlreiche Anleihen bei der Miniaturmalerei der 1450er und 1460er Jahre aus Utrecht beobachten.[14] Bezüge zu Buchmalern wie dem Meister der Katharina von Kleve oder Lieven van Lathem werden genannt, ohne dass damit eine direkte Schülerschaft nachgewiesen werden kann. Der Meister des Amsterdamer Kabinetts steht damit in einer Tradition, die an die größten künstlerischen Neuerungen des Jan van Eyck und des Rogier van der Weyden anknüpfte und sie für kleine Formate und andere Bildaufgaben nutzbar machte.
Der Werkkomplex des sogenannten Hausbuchmeisters wurde ab etwa 1470 stilprägend für die Kunst am Mittelrhein und muss bei Künstlern (z.B. Albrecht Dürer) sowie Auftraggebern besonders aus dem höfischen Umfeld (wie z.B. Johann XX. von Dalberg) auf großes Interesse gestoßen sein.[15]
Einige der in der älteren Kunstgeschichte dem Meister zugeschriebenen Werke sind nach den neueren Forschungen nicht persönlich auf ihn zurückzuführen oder nicht vollständig von ihm ausgeführt. Wahrscheinlich sind sie in seiner Werkstatt entstanden. Es besteht eigentlich kein Zweifel, dass es eine solche als Rahmen für die vielen stilistisch und motivisch von dem Hausbuchmeister abhängigen Arbeiten gegeben haben muss. Ob sie von dem sogenannten Meister des Amsterdamer Kabinetts selbst geführt wurde, darüber herrscht in der Kunstwissenschaft keine Einigung. Ebenso ist ihr Ort nicht bekannt; es werden die Orte Mainz, Heidelberg, und neuerdings Frankfurt besonders in Betracht gezogen.[16] Über die eigenhändigen und der Werkstatt zuzuordnenden Werke hinaus gibt es auch Anhaltspunkte, dass der Stil auch in benachbarten Werkstätten am Mittelrhein nachgeahmt wurde. Besonders kommt dafür Frankfurt am Main infrage.[17]
Wiederholt ist versucht worden, die konkrete historische Identität des führenden Künstlers (Meister des Amsterdamer Kabinetts) oder anderer Künstler des Hausbuches zu ermitteln. Die von mehreren Kunsthistorikern verstärkt seit 1936 vertretene These, dass der Meister des Hausbuches (im engeren Sinn) mit dem dokumentarisch und mit bedeutenden Werken in den 1480er Jahren in Mainz nachgewiesenen Erhard Reuwich aus Utrecht zu identifizieren sei, hat sich bis heute nicht völlig durchsetzen können.[18]
In der Regel wird der abweichende Stil und die beim Hausbuchmeister nicht so zu beobachtende Beherrschung der Perspektive in den Städteansichten von Reuwichs Hauptwerk des illustrierten Reiseberichts in das Heilige Land „Peregrinatio in terram sanctam“ (1486) als Hauptgrund für eine unterschiedliche Urheberschaft angeführt. Dieses Argument wurde allerdings von Frederike Timm 2006 entkräftet, indem sie zeigen konnte, dass verschiedene Städteporträts Reuwichs in Wirklichkeit auf Vorlagen aus der venezianischen Werkstatt der Bellinis, besonders Giovanni Bellinis zurückgehen. Gerade sie können also nur noch begrenzt für Zuschreibungs- oder Abschreibungsfragen in Anspruch genommen werden.[19]
Gemälde:
Basel, Kunstmuseum
Bildnis eines Mannes.
Pergament auf Lindenholz, 25,5 × 18 cm, Inv.: IN 467
Tafelbild der Hl. Sippe (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gm 2325), um 1480.
Stephan Hoppe: Die Erneuerung der Malkunst am Mittelrhein in der Generation vor Albrecht Dürer. Das künstlerische Umfeld des Wolfegger Hausbuches. In: Stephan Hoppe; Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das Wolfegger Hausbuch. Was ein Fürst an der Schwelle zur Neuzeit wissen musste. Darmstadt 2022, S. 285–348.
Stephan Hoppe: Das Wolfegger Hausbuch, der Bellifortis des Konrad Kyeser und der junge Maximilian von Habsburg. Höfische Buchprojekte in einer Zeit des Wandels, in: Maria Effinger, Stephan Hoppe, Harald Klinke, Bernd Krysmanski (Hrsg.) Von analogen und digitalen Zugängen zur Kunst Festschrift für Hubertus Kohle zum 60. Geburtstag. Heidelberg 2019, S. 15–50, doi:10.11588/arthistoricum.493.c6558.
Eberhard König: Der Hausbuchmeister. In: Christoph zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das Mittelalterliche Hausbuch. Kommentarband Dt./Engl. München 1997, S. 163–223.
Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das Mittelalterliche Hausbuch [aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg]. Kommentarband (Mit Beiträgen von Gundolf Keil, Eberhard König, Rainer Leng, Karl-Heinz Ludwig und Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg). Prestel, München und New York 1997.
Daniel Hess: Meister um das „mittelalterliche Hausbuch“. Studien zur Hausbuchmeisterfrage. Mainz 1994, ISBN 3-8053-1656-9 (grundlegend).
Venus und Mars: das mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg. anlässlich der Ausstellung im Städelschen Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main, vom 18. September bis 2. November 1997 … Metropolitan Museum of Art. München/ New York 1997, ISBN 3-7913-1839-X.
J. P. Filedt Kok (Hrsg.): Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts. Rijksmuseum Amsterdam 14. März – 9. Juni 1985; Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main 5. September – 3. Nov. 1985. Amsterdam u. a. 1985, DNB210606932.
Alfred Stange: Der Hausbuchmeister. Gesamtdarstellung und Katalog seiner Gemälde, Kupferstiche und Zeichnungen. Baden-Baden 1958, DNB454831919. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte; 316) (weitgehend in den Zuschreibungen überholt)
Alfred Stange: Die deutschen Tafelbilder vor Dürer, Bd. II, München 1970 (weitgehend in den Zuschreibungen überholt)
Curt von Faber du Faur: Der Hausbuchmeister. Gloria-Verlag, Berlin 1921, DNB570154367.
Eine detailliert argumentierende Scheidung der Hände bietet Hess 1994. Partieller Widerspruch zu einzelnen Unterscheidungen wird formuliert von: Eberhard König: Der Hausbuchmeister, in: Christoph zu Waldburg Wolfegg (Hg.): Das Mittelalterliche Hausbuch. Kommentarband Dt./Engl. München 1997, S. 163–223.
Hess 1994, S. 22–24. Der Zeichner der Gauklerszene wird ausführlich behandelt bei: Elgin Vaassen: Die Werkstatt der Mainzer Riesenbibel in Würzburg und ihr Umkreis. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13 (1972/73), Spalten 1121–1428.
Grundlegend: Elgin Vaassen: Die Werkstatt der Mainzer Riesenbibel in Würzburg und ihr Umkreis. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13 (1972/73), Spalten 1121–1428. Zum Hausbuch speziell Sp. 1407–1408. König 1997. Stephan Hoppe: Die Erneuerung der Malkunst am Mittelrhein in der Generation vor Albrecht Dürer. Das künstlerische Umfeld des Wolfegger Hausbuches. In: Stephan Hoppe; Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das Wolfegger Hausbuch. Was ein Fürst an der Schwelle zur Neuzeit wissen musste. Darmstadt 2022, S. 285–348.
Kunsthistorisch wird der Bereich um Mainz und Heidelberg in der Regel dem Mittelrhein zugerechnet. Vgl. Peter Moraw: Mittelrhein und fränkischer Oberrhein im ausgehenden 15. Jahrhundert. In: J. P. Filedt Kok (Hg.): Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts. Amsterdam; Frankfurt/Main 1985, S. 31–37.
K. G. Boon: Der Meister des Amsterdamer Kabinetts oder der Meister des Hausbuchs und sein Verhältnis zur Kunst der burgundischen Niederlande. In: J. P. Filedt Kok (Hg.): Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts. Amsterdam; Frankfurt/Main 1985, S. 53–61.
Für Reuchwich plädiert: Ernstotto Graf zu Solms-Laubach: Der Hausbuchmeister, in: Städel-Jahrbuch IX (1935/36), S. 13 – 96. Ebenso: Hoppe 2022. Dagegen: Hess 1994.
Frederike Timm: Der Palästina-Pilgerbericht des Bernhard von Breidenbach und die Holzschnitte Erhard Reuwichs. Die „Peregrinatio in terram sanctam“ (1486) als Propagandainstrument im Mantel der gelehrten Pilgerschrift. Stuttgart 2006.