Laut dem US-amerikanischen National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCC-MERP) ist ein Medikationsfehler wie folgt definiert:
“A medication error is any preventable event that may cause or lead to inappropriate medication use or patient harm while the medication is in the control of the health care professional, patient, or consumer. Such events may be related to professional practice, health care products, procedures, and systems, including prescribing, order communication, product labeling, packaging, and nomenclature, compounding, dispensing, distribution, administration, education, monitoring, and use”[2]
Nach dieser Definition ist ein Medikationsfehler in jedem Fall vermeidbar, kann im gesamten Medikationsprozess auftreten und kann, muss aber nicht, zu einer Schädigung des Patienten führen.
“Medication errors are unintentional errors in the prescribing, dispensing, administration or monitoring of a medicine while under the control of a healthcare professional, patient or consumer. They are the most common single preventable cause of adverse events in medication practice.”[3]
Nach dieser Definition ist ein Medikationsfehler unbeabsichtigt und kann im gesamten Medikatonsprozess auftreten.
„Jeder unbeabsichtigte Fehler durch Angehörige eines Gesundheitsberufs, Patienten oder Verbraucher bei der Verordnung, Zubereitung, Abgabe oder Verabreichung eines Arzneimittels.“[1]
Ist der Medikationsfehler von einem Arzt zu verantworten und unter Verletzung der Regeln ärztlicher Kunst entstanden, kann ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegen.
Eine Übersichtsarbeit fand 26 verschiedene Definitionen von Medikationsfehlern in der wissenschaftlichen Literatur.[4]
Die Vielzahl an verwendeten Definitionen, ebenso wie die Verwendung verschiedener Erkennungsmethoden, erschwert die Vergleichbarkeit von Häufigkeitsangaben von Medikationsfehlern.[4]
Medikationsfehler können in allen Schritten des Medikationsprozesses auftreten (siehe Abbildung). Am häufigsten sind Fehler in der Verordnung, wie z.B. Doppelverschreibungen, Nicht-Berücksichtigung von notwendigen Dosisanpassungen, Übersehen von Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen oder schlicht Lesefehler, gefolgt von Fehlern bei der Anwendung bzw. Einnahme.[5]
Eine Analyse von 2.103 Medikationsfehlern in einem 630-Betten-Krankenhaus fand folgende Faktoren, welche zum Medikationsfehler beigetragen haben:[6]
Fehlendes oder falsches Wissen über Medikamente und ihre Verwendung (z.B. Doppelverordnungen, falsches Medikament, falsche Route, falsche Anwendungsdauer, Wechselwirkungen): 30%
Fehlendes oder falsches Wissen über den Patienten und seine Vorgeschichte (z.B. physiologischer Status, Allergien, Kontraindikationen, Anamnese, falscher Patient): 29%
Fehlerhafte Berechnungen (z.B. Berechnungsfehler, Fehler bei Dezimalpunkt): 18%
Probleme mit der Nomenklatur (z.B. Soundalike, Abkürzungsfehler): 13%
Administrative Prozesse (z.B. Übertragung von Daten): 3%
Medikationsfehler treten häufig auf. Eine systematische Übersichtsarbeit, welche 63 Studien von 1985 bis 2007 einschloss, zeigte, dass im Median bei 7% aller Medikationsanordnungen im Krankenhausbereich Fehler entdeckt wurden und davon jede zweite Krankenhausaufnahme betroffen war.[7] Eine andere systematische Übersichtsarbeit, welche 52 Studien von 1966 bis 2011 einschloss, fand, dass im Median in 10,5% aller Medikationsanordnungen Fehler im Krankenhausbereich entdeckt wurden.[8]
Es gibt verschiedene Methoden, Medikationsfehler zu erkennen und ihre Häufigkeit und Schweregrad zu bestimmen:
Die Methoden unterscheiden sich in den notwendigen Voraussetzungen (z.B. elektronische Arzneimitteldokumentation), der Erkennungsrate und im Aufwand. Direkte Beobachtungen sind aufwändiger, aber sensitiver als manuelle Chart Reviews, und diese wiederum sensitiver als die Analyse von Meldesystemen.[9] Direkte Beobachtungen eignen sich vor allem für die Erkennung von Fehlern bei Dispensierung und Anwendung bzw. Einnahme, während Chart Reviews sich für die Erkennung von Verordnungsfehlern und resultierenden Patientenschäden eignen.[4][9]
Medikationsfehler können durch Stärkung des Problembewusstseins bei Patient und Arzt, bessere Kommunikation zwischen Patient und Arzt, bessere Aufbereitung von Fachinformationen für den Arzt, Einbeziehung von Pharmazeuten bei der Visite, Bereitstellung von Informationen zu Vorerkrankungen und Vormedikation des Patienten sowie Aufbau einer Sicherheitskultur reduziert werden.[15][16][17]
Daneben werden in letzter Zeit auch die Möglichkeiten der Reduktion von Medikationsfehlern durch den Einsatz von Informationstechnologie in allen Phasen des Medikationsprozesses diskutiert.[1][15][16] Beispiele für Informationstechnologien zur Unterstützung des Medikationsprozesses und zur Reduktion von Medikationsfehlern sind:
Der National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCC-MERP) ist Herausgeber einer Taxonomie für Medikationsfehler (Taxonomy of Medication Errors).[18] Diese Taxonomie stellt eine standardisierte Sprache und Struktur für die Beschreibung und Analyse von Medikationsfehlern dar. Sie beinhaltet die im Wesentlichen strukturierte Beschreibung folgender Informationen:
Patienteninformation (Patient Information), z.B. Intitialien, Alter, Geschlecht
Das Ereignis (The Event) z.B. Datum, Uhrzeit, klinisches Setting, Beschreibung des Ereignisses (letzteres als einziges Element als Freitext)
Patientenoutcome (Patient Outcome), mit folgenden Kategorien, welche jeweils noch weitere Unterkategorien umfassen:
No Error (Bedingungen, die zu einem Fehler hätten führen können)
Error, no Harm (Ein Fehler ist aufgetreten, es entstand aber kein Schaden)
Error, Harm (Ein Fehler ist aufgetreten und es entstand ein Schaden)
Error, Death (Ein Fehler ist aufgetreten und ein Patient ist gestorben)
Produktinformation (Product Information), also Informationen zu jeder involvierten Medikation (z.B. Name, Dosis)
Involviertes Personal (Personnel Involved), also Informationen zu jedem involvierten Mitarbeiter (insb. Berufsgruppe)
Typ des Fehlers (Type), mit folgenden Unterkategorien:
M. Lisby, L. P. Nielsen, B. Brock, J. Mainz: How are medication errors defined? A systematic literature review of definitions and characteristics. In: International Journal of Quality in Health Care. Band 22, Nr. 6, 2010, S. 507–518.
T. S. Lesar, L. Briceland, D. S. Stein: Factors related to errors in medication prescribing. In: Journal of the American Medical Association. Band 277, Nr. 4, 1997, S. 312–317.
P. J. Lewis, T. Dornan, D. Taylor, M. P. Tully, V. Wass, D. M. Ashcroft: Prevalence, incidence and nature of prescribing errors in hospital inpatients: a systematic review. In: Drug Safety 32(5), 2009, S. 379–389.
E. A. Flynn, K. N. Barker, G. A. Pepper, D. W. Bates, R. L. Mikeal: Comparison of methods for detecting medication errors in 36 hospitals and skilled-nursing facilities. In: American Journal of Health-System Pharmacy. 59(5), 2002 Mar 1, S. 436–446.
T. Morimoto, T. K. Gandhi, A. C. Seger, T. C. Hsieh, D. W. Bates: Adverse drug events and medication errors: detection and classification methods. In: Quality and Safety in Health Care. Band 13, Nr. 4, 2004, S. 306–314.
R. R. Benkirane, R. Abouqal, C. C. Haimeur, S. S. Secek, A. A. Azzouzi, A. A. M'Daghri Alaoui u.a.: Incidence of adverse drug events and medication errors in intensive care units: a prospective multicenter study. In: Journal of Patient Safety. Band 5, Nr. 1, 2009, S. 16–22.
W. O. Hackl, E. Ammenwerth, R. Marcilly, E. Charzard, M. Luyckx, P. Leurs, R. Beuscart: Clinical evaluation of the ADE scorecards as a decision support tool for adverse drug event analysis and medication safety management. In: British Journal of Clinical Pharmacology. 76 (Suppl S1), 2013, S. 78–90.
R. Desai, C. E. Williams, S. B. Greene, S. Pierson, R. A. Hansen: Medication errors during patient transitions into nursing homes: characteristics and association with patient harm. In: The American Journal on Geriatric Pharmacotherapy. Band 9, Nr. 6, 2011, S. 413–422.
L. L. Leape, D. W. Bates, D. J. Cullen, J. Cooper, H. J. Demonaco, T. Gallivan u.a.: Systems analysis of adverse drug events. ADE Prevention Study Group. In: Journal of the American Medical Association. Band 274, Nr. 1, 1995, S. 35–43.
D. Grandt, C. Braun, W. Hauser: Häufigkeit, Relevanz, Ursachen und Strategien zur Vermeidung von Medikationsfehlern. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie. Band 38, 2005, S. 196–202.
National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCC-MERP). Taxonomy of Medication Errors (PDF) 1998. Abgerufen am 31. Dezember 2014.
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