Mauro Giuliani studierte in seiner Jugend Gitarre, Violoncello und Flöte. Im Laufe der Zeit widmete er sich aber ausschließlich dem Gitarrenspiel. Mit 18 Jahren konzertierte er in Italien und in Frankreich. 1806 ließ er sich in Wien als Solist, Lehrer und Komponist nieder und machte sich schon bald einen Namen als Gitarrist und Gitarrenlehrer. Er freundete sich mit Anton Diabelli, Johann Nepomuk Hummel, Ignaz Moscheles und Louis Spohr an und musizierte mit ihnen. 1813/14 wirkte er zudem in mehreren Konzerten Beethovens als Cellist mit. Um 1814 war Beethoven gemeinsam mit Elisabeth Röckel Gast einer Abendgesellschaft im Hause Giulianis (Während seiner Wiener Zeit war Giuliani beteiligt an einem Künstlerkreis, der sich als Ludlums-Gesellschaft[1] bezeichnete).
Auf dem Höhepunkt seines Erfolges sollte sich jedoch sein Schicksal wenden: 1819 musste er Wien wahrscheinlich aus persönlichen Gründen verlassen, denn er hinterließ einige Schulden, sodass seine Konten und sein Eigentum beschlagnahmt wurden.
Quasi aus Wien „vertrieben“ fand er eine neue Heimat in seinem Geburtsland Italien. Erst ließ er sich in Venedig nieder und wohnte im Hotel de Gran Bretania, später zog er nach Rom. Während seines Aufenthaltes in Italien komponierte er Le Rossiniane. Mit diesen Kompositionen trug auch er seinen Teil zum damals herrschenden „Rossini-Fieber“ bei. Im Juli 1823 unternahm Giuliani Konzertreisen nach Neapel, wo sich ihm die Gelegenheit bot, bei seinem schwerkranken Vater zu sein. In Neapel trat er mit seiner Tochter Emilia Giuliani-Guglielmi, die 1813 geboren wurde, im Duo auf. Ende des Jahres 1828 erkrankte er immer häufiger, schließlich starb er am 8. Mai 1829 in Neapel. Bis zu seinem Tod hatte er den Wunsch, wieder nach Wien zurückzukehren.
Ferdinand Pelzer benannte zu Mauro Giulianis Ehren die ab 1833 in London herausgegebene erste ernsthafte Gitarrenzeitschrift The Giulianiad, or Guitarist’s Magazine. 150 Jahre später, 1983 ff., erschienen in Freiburg i. Br. die von Joerg Sommermeyer i. V. m. der Internationalen Gitarristischen Vereinigung edierten Saitenblätter für die Gitarre und Laute im Gedächtnis und als Hommage für Mauro Giuliani und die „alte“ Giulianiad jetzt als Nova Giulianiad betitelt.
„Die ‚endgültige‘ Modifizierung der Gitarre ist in den letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts anzusiedeln, also etwa zwischen 1770 und 1800. In genau dieser Zeit wurden diejenigen Komponisten geboren, die der Gitarre das enorme Ansehen verschafften, das sie schließlich im 19. Jahrhundert besaß: im Februar 1778 Fernando Sor, im April 1784 Dionisio Aguado, schon 1781 Mauro Giuliani und andere mehr. Wir stehen an der Schwelle zur Blütezeit der Gitarre, kurz vor der ‚Vollendung‘ des Instruments.“ (Peter Päffgen)
Giuliani wurde zu einer der glanzvollsten Erscheinungen unter den Gitarrenvirtuosen des 19. Jahrhunderts. Seine Interpretation zeichnete sich durch individuelles künstlerisches Temperament aus, das stets die Bewunderung und den Enthusiasmus der Zuhörer weckte. Die Berichte über das Auftreten Giulianis in Wien überschlugen sich vor Begeisterung. So schrieb die Allgemeine musikalische Zeitung (AMZ) im Mai 1808: „Am 3ten dieses Monats gab M. Giuliani, vielleicht der erste aller Gitarre-Spieler, welche bisher existieren, im Redoutensaal eine Akademie mit verdientem Beyfalle. Man muss diesen Künstler durchaus selbst gehört haben, um sich einen Begriff von seiner ungemeinen Fertigkeit und seinem präcisen, geschmackvollen Vortrage machen zu können.“ (Konrad Ragossnig).
Am 13. Januar 1815 schrieb die AMZ: „Auch Hr. Louis Spohr...gab am 11ten, und Hr. Mauro Giuliani am 26sten Concert im kl. Red. Saale. Beyde Künstler bewahrten ihren Ruf als vollendete Meister ihrer Instrumente, erster auf der Violine, letzterer auf der Guitarre.“ (Konrad Ragossnig).
Mauro Giuliani hat über 200 Werke für Gitarre komponiert, er gilt als der „Mozart der Gitarre“. Er veränderte auch das Notenbild: Giuliani war (wie Wenzel Matiegka[2]) einer der ersten Gitarrenkomponisten, die für das Instrument eine polyphone Notation verwendeten, bei der sich die Stimmen durch die Richtung der Notenhälse unterscheiden:
Grandes Variations pour la Guitarre ... La Sentinelle op. 91 (Das Thema stammt wahrscheinlich von Alexandre-Étienne Choron[19]; jedoch war ein gleichnamiges Werk von Hortense de Beauharnais ein vielgesungener Hit in dieser Zeit[20])
Josef Zuth: Handbuch der Laute und Gitarre. Verlag der Zeitschrift für die Gitarre, Wien 1926–1928, S. 119 f.; Digitalisatin der Google-Buchsuche.
Bruno Henze: Biographische Notiz. In: Mauro Giuliani, Studienkonzert in A-Dur, op.36, für Gitarre und Streichorchester.Friedrich Hofmeister Musikverlag, Nr. 7204/7204a, Leipzig 1959.
Thomas F. Heck: Mauro Giuliani: A Life For the Guitar (GFA Refereed Monographs Book 2), 2013, nur als elektronische Ausgabe für Amazon Kindle. Erweiterte Ausgabe von: Thomas F. Heck.: Mauro Giuliani – Virtuoso Guitarist and Composer. Columbus, Ohio 1995 (= Editions Orphée).[31] Die Ausgabe von 1995 basiert auf der Dissertationsschrift des Autors: Thomas F. Heck: The Birth of the Classic Guitar and its Cultivation in Vienna, Reflected in the Career and Compositions of Mauro Giuliani (d.1829). Yale University, 1970[32]
Gerhard Penn: Mauro Giuliani und andere Gitarristen in München – Übersehene Fakten und verschollene Werke nach einem Vortrag am 26. Oktober 2014. In: www.gitarre-archiv.at als PDF-Dokument, abgerufen am 20. Juli 2023.
Jürgen Libbert (Hrsg.): Wenzel Matiegka, 12 leichte Stücke op. 3 für Gitarre. Nach dem Urtext [aus der Chemischen Druckerei in Wien von etwa 1814] bearbeitet. Edition Preißler, 1979 (= Studio-Reihe Gitarre. Band 3), Vorwort.
Ruggero Chiesa (Hrsg.): Variazioni op. 2. Edizioni Suvini Zerboni, Mailand. Ders.: Variazioni op. 7. Ebenda. Ders.: Variazioni su un tema originale op. 20. Ebenda.
Hildegard Ruhe, Reinbert Evers: Mauro Giuliani, VI Variationen mit Polonaise und Finale, op. 9. Nach der Erstausgabe für den praktischen Gebrauch eingerichtet. Edition Preißler (= Studi-Reihe Gitarre. Band 4).
Vgl. auch Michael Langer: Saitenwege. 500 Jahre Musik für klassische Gitarre. Band 2 (mit CD). Edition Dux, Reichertshofen 2007, ISBN 978-3-934958-56-2, S. 37–43 (Mauro Giuliani: Variationen über „La Folia“).
Louis-Napoléon Bonaparte (Hrsg.): Mémoires de la Reine Hortense , Band 3 (mit Anmerkungen von Jean Hanoteau), Nachdruck der Librairie Plon, Paris 1927, S. 118f., als Digitalisat, abgerufen am 19. Juli 2023.
Gerhard Penn: Mauro Giuliani und andere Gitarristen in München – Übersehene Fakten und verschollene Werke nach einem Vortrag am 26. Oktober 2014. In: www.gitarre-archiv.at als PDF-Dokument, S. 5, abgerufen am 20. Juli 2023.
Vgl. Hildegard Ruhe, Reinbert Evers: Mauro Giuliani, La Chasse, Ronedeau, op. 109. Nach der Erstausgabe für den praktischen Gebrauch eingerichtet. Edition Preißler (= Studi-Reihe Gitarre. Band 4).