Lebensmittel, das den fliehenden Israeliten auf wundersame Weise in der Wüste erscheint Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dieser Artikel behandelt die biblische Speise. Zu anderen Bedeutungen siehe Manna (Begriffsklärung).
Als Manna (auch Himmelstau, Himmelsbrot, Engelbrot und Brot der Engel genannt) wird in der Bibel(2 Mos 16EU) die Speise bezeichnet, die den Israeliten auf ihrer 40-jährigen Wanderschaft durch die Wüste als Nahrung gedient haben soll. Später wurde Manna unter anderem eine Bezeichnung für den (mannitolhaltigen) Saft der Manna-Esche und anderer Eschen.
Beschrieben wird Manna als „etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif“ (2 Mos 16,14EU), „weiß wie Koriandersamen“ und mit dem Geschmack von „Honigkuchen“ (2 Mos 16,31EU). Diese Speise fiel nachts auf den Wüstenboden und konnte des Morgens aufgesammelt werden. Sie durfte nicht aufgespart werden. Alles, was am Abend noch nicht aufgegessen war, verdarb über Nacht (2 Mos 16,19–20EU). Darin kann eine Forderung des Herrn nach Vertrauen gesehen werden. Nur für den Sabbat durften die Israeliten am sechsten Tag der Woche die doppelte Menge an Manna sammeln. Es verdarb nicht über Nacht. Am Morgen des Sabbat selbst war kein frisches Manna zu finden (2 Mos 16,22–26EU).
Die genaue Bedeutung des Wortes Manna (hebräischמָןman) ist unklar, bezeichnet aber vermutlich im Hebräischen „Was ist das?“ (hebräischמָן הוּאman hu), was sich auf das plötzliche, unerwartete Erscheinen des Mannas in der Wüste beziehen soll. Es wird vermutet, dass der Name die Frage der Israeliten beim Erblicken des Brotes widerspiegeln soll.[1]
Dass bei den biblischen Berichten über das Manna kein naturwissenschaftliches Phänomen im Vordergrund stand, wird nicht nur daran deutlich, dass das Brot nur am Sabbat vor dem Verderben bewahrt wird, sondern auch daran, dass nach Ex. 16,16 jeder über ein Gomer Manna verfügte, obwohl die Israeliten unterschiedlich viel sammelten. Außerdem hörte das Wunder an dem Tag auf, als die Israeliten erstmals im Land Kanaan vom Ertrag des Landes Brot aßen. Eine Bestätigung für die theologische bzw. ethische Ausrichtung der Geschichte liegt in Dtn 8,16, die ausdrücklich darauf hinweist, dass es Gottes Wille gewesen sei, sein Volk zu demütigen, um es zu prüfen.[2]
Sure2 Al-Baqara, Vers57: „Und wir ließen die Wolke über euch Schatten werfen. Und wir sandten das Manna und die Wachteln auf euch hinunter (indem wir euch aufforderten): ‚Esst von den guten Dingen, die wir euch beschert haben!‘ (Doch die Kinder Israel waren undankbar und widerspenstig.) Und sie frevelten (damit) nicht gegen uns, sondern gegen sich selber.“
Sure7 Al-A'raf, Vers160: „Und Wir teilten sie in zwölf Stämme zu Gemeinschaften auf, und Wir offenbarten Moses, als sein Volk von ihm etwas zu trinken forderte: ‚Schlage mit deinem Stock an den Felsen.‘ Da entsprangen ihm zwölf Quellen: so kannte jeder Stamm seinen Trinkplatz. Und Wir ließen sie von Wolken überschatten und sandten ihnen Manna und Wachteln herab: ‚Esset von den guten Dingen, die Wir euch beschert haben.‘ Und sie schädigten nicht Uns, sondern sich selbst haben sie Schaden zugefügt.“
Sure20 Tā-Hā, Vers80: „O ihr Kinder Israels, Wir erretteten euch von eurem Feinde, und Wir schlossen einen Bund an der rechten Seite des Berges mit euch und sandten Manna und Wachteln auf euch herab.“
Im Reisebericht seiner zweiten Pilgerreise ins Heilige Land (1483) erzählt der Pilger Felix Fabri in der Nähe des Berges Sinai den „fallenden morgendlichen Tau“ genossen zu haben.[3] Das Manna wurde dementsprechend auch später als Himmelstau bezeichnet.[4] Im August und September falle „Manna oder Tau, den die Araber dann sammeln und an Pilger verkaufen“.[3] Wegen der geringen Mengen werde allerdings dabei oft mit Fälschungen betrogen.
Eine ältere Deutung interpretiert Manna als die Thalli der im Nahen Osten verbreiteten, essbaren Mannaflechte (Lecanora esculenta). Die Einheitsübersetzung der Bibel verweist auf das Harz der Manna-Tamarisken, macht aber gleichzeitig deutlich, dass dieses in zu geringen Mengen vorkommt, um der Speisung einer größeren wandernden Gruppe zu dienen. (Anmerkung zu 2 Mos 16,31EU). Einer weiteren Theorie zufolge ist Manna ein Ausscheidungssekret von im Sinai auf Tamarisken lebenden Schildläusen, eine Flüssigkeit, die meist nachts in Form von glasartig durchsichtigen, zuckerreichen Wassertröpfchen ausgeschieden wird und infolge Kristallisation nach wenigen Tagen eine milchigweiße bis hellgelb bräunliche Färbung annimmt. Bei den in Frage kommenden Schildläusen handelt es sich vorwiegend um die Arten Najococcus serpentinus und Trabutina mannipura.[5] Manna wäre demnach eine besondere Art von Honigtau. Dieser Stoff hat zwar die größte Übereinstimmung mit 2. Mose 16, dagegen spricht jedoch die geringe Menge, die die Läuse erzeugen und dass es im Sinai nur wenige Stellen gibt, an denen sie vorkommen.[6] Außerdem wäre dieser Getreideersatz nur etwa Ende Mai bis Juli verfügbar gewesen.[2]
Die Ärzte des arabischen und lateinischen Mittelalters verstanden unter der „Manna“ einen Tau (ros[11]) der auf Steine und Bäume fällt, süß ist und wie Honig zusammenrinnt. Sie solle die Natur dessen annehmen, worauf sie fällt. Die „Manna“ sollte den Bauch erweichen, akute Fieber löschen, der Brust und den Lungen sowie den cholerischen und heißen Naturen nützlich sein.
Spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in Europa unter „Manna“ der getrocknete Saft verstanden, der nach dem Anschneiden von Eschenrinden (besonders der Manna-Esche (Fraxinus ornusL., Syn.: Fraxinus rotundifoliaLam.[21])[22]) – austritt. Joachim Camerarius der Jüngere berichtete 1586, „Manna“ werde „in Welschland ... auff Fraxino und seinen Geschlechten“ gesammelt:
„In Welſchlandt wirdt die Manna / welche ſo gebreuchlich iſt die Gallen vnnd wäſſerige feuchtigkeit damit ohne beſchwernuß zu purgieren / gemeinglich auff dem Fraxino vnd ſeinen geſchlechten gefunden vnd geſammlet …“
– Joachim Camerarius der Jüngere: Kommentar in: Kreutterbuch des hochgelehrten vnnd weitberühmten Herrn D. P. Andreae Matthioli … Frankfurt 1586, Blatt 37r[23]
Vom 16. bis 19. Jahrhundert wurde die „Manna“ überwiegend aus Kalabrien („Manna calabrina“) und aus Sizilien bezogen. Dort wurde sie als Absonderung aus den Rinden der Gemeinen Esche oder aus den Rinden der Manna-Esche gewonnen. Als spontane Absonderung während der Hundstage (23. Juli bis 23. August) oder als durch Einschnitte in die Rinden forcierte Absonderung im September und im Oktober. Im Handel wurden je nach Herkunft und nach Reinheit unterschiedliche Qualitäten angeboten.
In der Therapie dienten „Manna“ und Zubereitungen aus „Manna“ bis ins 19. Jahrhundert zum sanften Laxieren nach den Regeln der Säftelehre.
Felix Fabri:Galeere und Karawane. Pilgerreise ins Heilige Land, zum Sinai und nach Ägypten 1483. Hrsg.: Herbert Wiegand. Edition Erdmann, Stuttgart / Wien / Bern 1996, ISBN 3-522-61310-4, S.167f.
Vgl. etwa Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 146 („Manna: Zucker von Fraxinus Ornus L., Manna, Himmelstau“).
Frank Leimkugel: „Und als der Tau weg war, siehe da lag’s in der Wüste rund und klein wie der Reif auf dem Lande“. Die Sinai-Expedition der Hebräischen Universität von 1927 zur Klärung des Manna-Phänomens. In: M. Kaasch, J. Kaasch (Hrsg.): Biologie und Gesellschaft (= Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie. Band 17). 2012, S. 249–253.
Vgl. auch Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 153 (Ros coelestis: Himmelstau).
Abu Muhammad ibn al-Baitar. 13. Jahrhundert. Kitāb al-jāmiʿ li-mufradāt al-adwiya wa al-aghdhiya. Übersetzung. Joseph Sontheimer unter dem Titel Große Zusammenstellung über die Kräfte der bekannten einfachen Heil- und Nahrungsmittel. Hallberger, Band II, Stuttgart 1842, S. 533 Manna (Digitalisat)
Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 239.
Pierre Pomet. Histoire générale des drogues, traitant des plantes, des animaux, & des mineraux; ouvrage enrichy de plus de quatre cent figures en taille-douce tirées d'aprés nature; avec un discours qui explique leurs differens noms, les pays d'où elles viennent, la maniere de connoître les veritables d'avec les falsifiées, & leurs proprietez, où l'on découvre l'erreur des anciens & des modernes...par le sieur Pierre Pomet.... Jean-Baptiste Loyson & Augustin Pillon Paris 1694, Buch 7: Des gommes, Kapitel 2: De la manne (S. 236–239) (Digitalisat) – Deutsch: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler oder Haupt- und allgemeine Beschreibung derer Specereyen und Materialien … in Frantzösischer Sprache … ausgefertiget von Peter Pomet … Leipzig, 1717, Sp 353–364 (Digitalisat)
Nicolas Lémery. Dictionnaire universel des drogues simples, contenant leurs noms, origines, choix, principes, vertus, étymologies, et ce qu’il y a de particulier dans les animaux, dans les végétaux et dans les minéraux, Laurent d'Houry, Paris, 1699, S. 470–471: Manna (Digitalisat) – Deutsch: Vollständiges Materialien-Lexicon. Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition [...] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, [...]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721, Sp. 693–696: Manna (Digitalisat)
Joseph Pitton de Tournefort. Traité de la matière médicale, ou l'Histoire et l'usage des médicamens et leur analyse chymique, avec les noms des plantes en latin et en françois, leurs vertus, leurs doses et les compositions où on les employe. Band I, L. d'Houry, Paris 1717, S. 27–37 (Digitalisat)
Domenico Sestini. Lettere del signor abate Domenico Sestini. Florenz 1780, Band 2, S. 176–192 (Digitalisat) – Deutsch: Johann J. Volkemann (Übersetzer). Des Herrn Abts Domenicus Sestini Briefe aus Sicilien und der Türkey an seine Freunde in Toscana. Caspar Fritsch, Leipzig 1780, Band I, S. 218–226: Von den Eschenbäumen und der Manna.(Digitalisat)
August Friedrich Hecker’s practische Arzneimittellehre. Revidiert und mit neuesten Entdeckungen bereichert von einem practischen Arzte. Camesius, Wien, Band III 1814, S. 72–78: Manna (Digitalisat)
Antoine Laurent Apollinaire Fée. Cours d'histoire naturelle pharmaceutique, ou histoire des substances usitées dans la thérapeutique, les arts et l'économie domestique. Band 2, Crochard, Paris1837, S. 363–368 (Digitalisat)
Theodor Husemann. Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. 2 Bände, Springer, Berlin 1873–1875, 2. Aufl., Springer, Berlin 1883, Band II, S. 593–595: Manna (Digitalisat)