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jährliche Konferenz zur internationalen Sicherheitspolitik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Münchner Sicherheitskonferenz (englisch Munich Security Conference, MSC) ist eine seit 1963 jährlich im Februar in München stattfindende internationale Tagung, auf der Politiker, Militär- und Wirtschaftsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Experten für sicherheitsrelevante Themen Gespräche außerhalb diplomatischer und protokollarischer Vorgaben führen.[4] Sinn und Zweck ist das Debattieren über aktuelle Themen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist das weltweit größte Treffen seiner Art. Frühere Bezeichnungen sind Wehrkundetagung sowie Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik.[5] Tagungsort ist das Hotel Bayerischer Hof. Ausrichter ist die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH.
Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) | |
---|---|
Rechtsform | gemeinnützige GmbH |
Gründung | 1963 (Tagung) / 2011 (Gründung der gGmbH) |
Gründer | Ewald-Heinrich von Kleist |
Sitz | München, Deutschland |
Vorläufer | Internationale Wehrkundebegegnung (1963) Münchner Wehrkundetagung (1964–1993)[1] Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik (1994–2008)[2] |
Motto | Frieden durch Dialog |
Zweck | Internationale Tagung zu Außen- und Sicherheitspolitik |
Vorsitz | Christoph Heusgen[3] |
Website | securityconference.org |
1963 wurde die Internationale Wehrkunde-Begegnung[6] von Ewald-Heinrich von Kleist-Schmenzin initiiert.[7] Der Widerstandskämpfer aus dem Stauffenberg-Kreis setzte sich dafür ein, militärische Konflikte wie den Zweiten Weltkrieg künftig zu verhindern. Das erste Treffen war auf etwa 60 Teilnehmer beschränkt, darunter Helmut Schmidt und Henry Kissinger.[8]
Von Kleist leitete die Konferenzen bis 1997. Sein Nachfolger wurde der politische Beamte und Wirtschaftsmanager Horst Teltschik, welcher die Leitung von 1999 bis 2008 innehatte. Unter der Leitung von Teltschik öffnete sich die Sicherheitskonferenz ab 1999 für Politik-, Militär- und Wirtschaftsvertreter aus Mittel- und Osteuropa sowie aus Indien, Japan und der Volksrepublik China. Von 2009 bis 2022 wurde die Konferenz von dem ehemaligen Diplomaten Wolfgang Ischinger geleitet. Ischinger gründete 2011 die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz gGmbH, deren Geschäftsführer und Vorsitzender er bis zur Übernahme der Position durch Botschafter Christoph Heusgen im Februar 2022 war.[5][9] Stellvertretende Vorsitzende sind Botschafter Rainer Rudolph, Nachfolger von Botschafter Boris Ruge, und Benedikt Franke, der ebenfalls CEO ist.[10]
Die Sicherheitskonferenz ist privat organisiert und keine offizielle Regierungsveranstaltung. Sie dient ausschließlich der Diskussion unter den Teilnehmern, von denen sie auch zu diskreten Hintergrundgesprächen genutzt wird. Hinzu kommen weitere Treffen, die am Rande der Konferenzen organisiert werden. Viele dieser mehr als 100 Nebenveranstaltungen werden zusammen mit NGOs durchgeführt, darunter Transparency International, Greenpeace oder Amnesty International.[11]
Es werden auf der Sicherheitskonferenz keine verbindlichen zwischenstaatlichen Beschlüsse gefasst und auch keine Abschluss-Kommuniqués veröffentlicht. Außergewöhnlich ist die Präsentation globaler politischer Entscheidungen, etwa durch den Austausch der Ratifizierungsurkunden zum START-Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland, zu dem es 2011 am Rande der Sicherheitskonferenz kam.[12]
Seit ihrer Gründung fand die Münchner Sicherheitskonferenz nahezu jedes Jahr statt. Dreimal wurde sie abgesagt: 1991 aufgrund des Zweiten Golfkriegs, 1997 infolge des Abschieds Kleist-Schmenzins als Vorsitzender[5] und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie[13], als stattdessen eine virtuelle Veranstaltung stattfand.
2014 wurde die Gauck-Rede zu Deutschlands Rolle in der Welt zur Eröffnung der Konferenz gehalten.
Im Vorfeld der Konferenz erscheint seit 2015 jährlich der Munich Security Report, der eine Diskussionsgrundlage für die Münchner Sicherheitskonferenz bietet.
Die University of Pennsylvania zeichnete die Münchner Sicherheitskonferenz 2021 zum fünften Mal als weltweit beste Think Tank Conference aus.[14][15]
Zuletzt fand die 60. Münchner Sicherheitskonferenz vom 16. bis 18. Februar 2024 unter dem Motto „Lose-Lose?“ statt.[16][17] Es kamen knapp 1.000 Teilnehmer aus 109 Ländern zusammen, darunter 45 Staats- und Regierungschefs. Auf den 60 Veranstaltungen des Hauptprogramms waren mehr als die Hälfte der Redner weiblich; über ein Viertel aus Ländern des Globalen Südens. Zudem gab es über 200 weitere Veranstaltungen, die von öffentlichen und privaten Organisationen ausgerichtet wurden.[18][19][20]
Neben der Hauptkonferenz im Februar, richtet die Münchner Sicherheitskonferenz eine Vielzahl an weiteren Veranstaltungen aus.[21]
Munich Leaders Meetings
Seit 2009 finden jährlich ein bis zwei Munich Leaders Meetings in verschiedenen Hauptstädten der Welt statt. Ein begrenzter Teilnehmerkreis diskutiert aktuelle außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen mit besonderem Fokus auf einen bestimmten regionalen Kontext. Diese Treffen wurden vorher als „Core Group Meetings“ bezeichnet.
Munich Strategy Retreats
Ein ausgewählter Kreis von 30 bis 50 Experten, Führungskräften und Denkern, der in einem privaten nichtöffentlichen Rahmen zusammenkommt, um Empfehlungen zu den aktuellsten sicherheitspolitischen Herausforderungen zu entwickeln.
Roundtables
Regelmäßige Roundtable-Veranstaltungen finden mit unterschiedlich hohen Teilnehmerzahlen sowohl im Rahmen internationaler Treffen und Veranstaltungen als auch als eigenständige Events statt. Mehrere Roundtables können in Form eines „Summit“ und einzelne „Conversations“ zum Teil auch in virtueller Form ausgerichtet werden. Die thematischen Schwerpunkte reichen von europäischer Verteidigungspolitik bis zu Cybersicherheit und Themen der menschlichen Sicherheit.
Innovation Board
2021 wurde das MSC Security Innovation Board ins Leben gerufen, das eine Gruppe von Experten aus dem Technologie- und dem verteidigungspolitischen Bereich zusammenbringt, um den Austausch über Innovation im sicherheitspolitischen Bereich zu fördern.
Seit 2009 wird der Ewald-von-Kleist-Preis an Personen verliehen, die sich in besonderer Weise „für Frieden und Konfliktbewältigung“ eingesetzt haben. Preisträger erhalten eine Medaille mit der Inschrift „Frieden durch Dialog“. Von 2005 bis 2008 wurde der Preis unter diesem Namen vergeben. Zu den letzten Preisträgern gehören Jens Stoltenberg (2022), Finnland und Schweden (2023) sowie Mia Amor Mottley und John F. Kerry (2024).[22]
Seit 2019 werden auf der Münchner Sicherheitskonferenz bis zu zwei politikwissenschaftliche Dissertationen ausgezeichnet, die ihren Schwerpunkt auf den transatlantischen Beziehungen haben. Die Auszeichnung wird in Gedenken an John McCain gemeinsam mit den Partnern, der Hochschule für Politik München, dem Geschwister-Scholl-Institut, der Universität der Bundeswehr und dem McCain Institute vergeben. Der Preis umfasst u. a. die Teilnahme an Veranstaltungen der MSC sowie ein Preisgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro.[23]
Beginnend mit der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 vernetzt das Programm eine neue Generation von Entscheidungsträgerinnen aus dem Deutschen Bundestag und dem Europäischen Parlament. Ein ausgewählter Kreis von parteiübergreifenden Mandatsträgerinnen entwickelt ein Jahr lang neue Ideen für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik in verschiedenen Formaten.[24]
Im Jahr 2009 wurden die Munich Young Leaders erstmals in Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung ins Leben gerufen.[25] Diese jährlich parallel zur Sicherheitskonferenz stattfindende Roundtable-Reihe soll die nächste Generation von Entscheidern direkt in den Hauptteil der Konferenz einbinden.[26] Die Tagesordnungen der Roundtables sowie die Teilnehmer- und Referentenlisten werden online veröffentlicht.[27]
Die Konferenz wird jedes Jahr von Protesten durch Friedensinitiativen und Rüstungsgegner begleitet.[28][29] Im Februar 2002 wurden über 750 Menschen in Gewahrsam genommen, weil sie sich an den verbotenen Protesten beteiligten, das DGB-Haus wurde für mehrere Stunden von der Polizei umstellt.[30] Zusätzlich kam es mehrmals, teilweise bundesweit, zu Hausdurchsuchungen im Rahmen der Sicherheitskonferenz.[31] Im Jahr 2003 demonstrierten 35.000 Menschen gegen den bevorstehenden Irakkrieg.[32][33] 2004 registrierten Mitglieder der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union Übergriffe auf Journalisten.[34]
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisiert die „militärische Ausrichtung“ der Konferenz.[35] Zum Schutz der Teilnehmer muss daher eine hohe Anzahl von Polizeikräften aufgeboten werden, so die Veranstalter; im Jahr 2009 waren es 3500.[36] Des Weiteren werden mehrere hundert Soldaten der Bundeswehr für logistische Unterstützungsleistungen bereitgestellt.[37] Rudolf Stumberger kritisierte in der Zeitschrift Stern die damit verbundenen Kosten.[38] Seit 2003 wird als Gegenveranstaltung zeitgleich die Internationale Münchner Friedenskonferenz durchgeführt.[39] Die Internet-Zeitung ngo-online kritisierte 2007 Bemerkungen des damaligen Sicherheitskonferenzvorsitzenden in Bezug auf das Demonstrationsrecht und den Ausschluss kritischer Positionen und Parteien von der Sicherheitskonferenz.[40] Ein Foto vom „CEO-Lunch“ am Rande der Sicherheitskonferenz im Jahr 2022 löste Kritik aus, weil unter den etwa 30 Anwesenden keine einzige Frau oder Person of Color war.[41][42]
An der Finanzierung der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Münchner Sicherheitskonferenz beteiligt sich auch die Bundesregierung.[43][44] Im Jahr 2014 bezifferte sie die Kosten der Veranstaltung auf 1,1 Mio. Euro (ohne Personal) und übernahm selbst 350.000 Euro davon.[45] 2019 und 2020 übernahm das Bundespresseamt jeweils ca. 0,5 Mio. Euro, das Verteidigungsministerium unterstützte die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz mit jährlich 1 Mio. Euro und die personellen Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr sowie das Verteidigungsministerium wurden mit jährlich ca. 1 Mio. Euro angegeben.[46] Weiterhin fördert die Stadt München die Konferenz. Die bayerische Staatsregierung veranschlagte für die Münchner Sicherheitskonferenz in den Jahren 2019 und 2020 nach eigenen Angaben 245.000 Euro an Ausgaben, welche innerhalb des Haushalts der Stadt München, sowie dem Bundesland Bayern vermerkt werden.[47]
Die Konferenz wird auch vom Partner Siemens Energy sowie den Associate Partnern Allianz SE, BMW, Hensoldt und Krauss-Maffei Wegmann unterstützt. Zu den NGO-Partnern der Veranstaltung zählen u. a. die Bill & Melinda Gates Foundation, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Robert Bosch Stiftung und der Wellcome Trust.[48]
Nach der Umstrukturierung der Münchner Sicherheitskonferenz GmbH zu einer gemeinnützigen GmbH im Jahr 2011 wurde 2019 zusätzlich die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz gegründet.[49] Ischinger brachte sein Geschäftskapital ein, der Freistaat Bayern eine Million Euro und der Bund beteiligte sich mit zwei Millionen Euro. Vorsitzender des Stifterkreises ist Botschafter Christoph Heusgen.[50][51][52]
Mit dem Advisory Council wurde 2009 ein MSC-Beirat gegründet,[5] welcher den Vorsitzenden bei der strategischen Ausrichtung und Entwicklung der Sicherheitskonferenz unterstützt. Dem Beirat gehören angesehene Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und privaten Sektor an.[53]
Vorsitzender des Advisory Councils ist Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens Energy.[53]
Die weiteren Mitglieder sind:
(Stand 31. Januar 2024[53])
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