Die Anglo-Métis (meist als Countryborn bezeichnet) waren im 19. Jahrhundert eine Métis-Gruppe aus Nachfahren von Trappern, Händlern und sogenannten Mountain Men, die meist von den Orkney-Inseln, aus Schottland oder England stammten, sowie deren indianischen Frauen. Oft hatten diese Männer bei mehreren Stämmen, mit denen sie Handel trieben, eine Frau und Kinder. Die Sprache dieser Kinder war meist die ihrer indianischen Mütter, die meist den Cree, Saulteaux, Assiniboine und Stoney angehörten, sowie kanadisches Englisch. Einige ihrer Väter sprachen zudem Gälisch oder Schottisch, was zur Entwicklung des Bungee (auch als Bungie, Bungay und Red River Dialect bezeichnet) führte.
Heute sprechen die meisten Métis Englisch. Auch Französisch und Michif sind noch in Gebrauch.
Die heutige Volksgruppe der Métis entstand zwischen dem 17. und dem späten 19.Jahrhundert. Die ersten Métis lebten um 1600 auf der Labrador-Halbinsel; ihre Väter waren europäische (französische, baskische, portugiesische) Fischer. Im Zuge der Westwanderung der französischen Pelzhändler entstanden die Gemeinden der westlichen Métis in Manitoba, später auch in Saskatchewan und Alberta, in Teilen Ontarios und am Mackenzie River, wo sie unter englischen Einfluss gerieten. Während die Hudson Bay Company der englischen Pelzhändler Ehen zwischen den europäischen Trappern und einheimischen Frauen ablehnte, wurden diese von der Compagnie du Nord-Ouest der französischen Jäger und Händler gefördert. Die Métis arbeiteten für beide Gesellschaften erfolgreich als Pfadfinder, Jäger, Fallensteller und Dolmetscher.[1]
International bekannt wurden die Métis durch die Red-River-Rebellion und Louis Riel (1844–1885), der 1869 am Red River, dem heutigen Manitoba, mit dem Comité National des Métis de la Rivière Rouge eine provisorische Provinzregierung bildete und den Eintritt in die kanadische Konföderation anstrebte. Anlass war der Verkauf des Landes durch den vorherigen Besitzer, die Hudson Bay Company, an die kanadische Regierung und die dadurch entstandene Unsicherheit der Landrechte der Métis. 1885 führte Riel die Métis als „Prophet“ in die Nordwest-Rebellion gegen die kanadische Regierung und wurde am 16. November 1885 wegen Hochverrats gehängt. Dies führte zu Spannungen zwischen englischen Kanadiern und französischen, die mit den Métis sympathisierten.
Seit 1982 sind die Métis als indigenes Volk in Kanada anerkannt, seit 1983 vertritt sie in Kanada der Métis National Council/Ralliement national des Métis. Es gibt im Gegensatz zu den First Nations kein Anerkennungsverfahren. Die Gemeinden bestimmen selbst, wer zu ihnen gehört. Ihre Gesamtzahl lag nach den Ergebnissen der Volkszählung von 2006 bei 389.785.[2]
Métis National Council (MNC) (französisch: Ralliement national des Métis), besteht aus fünf Métis-Organisationen auf Provinzebene, die wiederum in mehrere regionale Councils unterteilt sind:
Métis Nation British Columbia (MNBC)[3] (vormals: Métis Provincial Council of British Columbia, Abbotsford, BC)
Vancouver Island (Region 1)
Alberni Clayqout Métis Association (Port Alberni, BC)
Cowichan Valley Métis Association (Duncan, BC)
Métis Nation of Greater Victoria[4] (Victoria, BC)
Trotz seines Namens ist der Métis National Council keine nationale Organisation und repräsentiert nicht alle Métis in ganz Kanada, sondern er ist die Dachorganisation der sogenannten Historic Métis Nation oder Red River Métis in Ontario, Manitoba, Saskatchewan, Alberta und British Columbia. Die Mitglieder müssen also Nachfahren der Historic Métis Nation sein, die einst im Historic Métis Nation Homeland (die kanadischen Prärieprovinzen – die Red-River-Kolonie (in Manitoba), Saskatchewan, Alberta – sowie Montana und North Dakota in den Vereinigten Staaten) vor und zur Zeit der Red-River-Rebellion als die Métis unter Führung von John Bruce (oder Brousse) sowie Louis Riel am 8. Dezember 1869 die Provisorische Regierung der Métis in den Northwest Territories ausriefen.
Ein weiteres wichtiges Datum für die Entstehung der Métis Nation ist die Schlacht von Seven Oaks im Jahr 1816 während des Pemmikan-Kriegs. Einige Mitglieder des Métis National Council vor allem aus Ontario und British Columbia betrachten diese regionale Definition als zu eng gefasst, da sie die Aufnahme von Mitgliedern aus den Nordwest-Territorien ausschließt.
Jacqueline Peterson: Many Roads to Red River: Métis genesis in the Great Lakes Region, 1680–1815. In: Jacqueline Peterson, Jennifer S. H. Brown (Hrsg.): The New Peoples. Being and Becoming Métis in North America (= Manitoba Studies in Native History. Bd. 1). University of Manitoba Press, Winnipeg 1985. ISBN 0-88755-617-5, S. 37–71
Chris Andersen: Metis. Race, Recognition, and the Struggle for Indigenous Peoplehood. University of British Columbia Press, Vancouver 2014
Devrim Karahasan: Métissage in New France and Canada 1508 to 1886. Peter Lang, Bern 2009. ISBN 978-3-631-58975-5
Bernadette Calonego: Zwischen allen Stühlen. Métis in Manitoba, in: 360° Kanada. Die Rundum-Perspektive, 3, Sommer 2019, 360-Grad-Medien, Mettmann ISSN1869-8328 S. 56–57, mit Bildern
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