Louis Andriessen war der Sohn des Komponisten und Dirigenten Hendrik Andriessen und jüngster Bruder des Komponisten Jurriaan Andriessen. Er studierte am Königlichen Konservatorium in Den Haag bei seinem Vater und bei Gerard Hengeveld (Piano) sowie bei Kees van Baaren. Weitere Studien absolvierte er 1962 bis 1963 in Mailand bei Luciano Berio sowie in Berlin 1964 bis 1965 (Stipendium der Fordstiftung). Ab 1974 lehrte er selbst am Königlichen Konservatorium in Den Haag Instrumentation und Komposition und war freischaffender Komponist. 1977 erhielt er für seine Komposition De Staat einen ersten Preis des von der UNESCO ausgeschriebenen Kompositionswettbewerbs. 2008 wurde er zum Ehrenmitglied der International Society for Contemporary Music ISCM gewählt.[3]
Andriessen war ein Künstler, dessen „Entwicklung entscheidend von den politischen Umbrüchen der sechziger Jahre beeinflusst wurde“.[4] So war er Mitglied eines Komponisten-Kollektivs, das 1969 die antiimperialistische Oper Rekonstruktion (Reconstructie) schrieb. Mit diesem Kollektiv, zu dem Misha Mengelberg, Peter Schat, Jan van Vlijmen und Reinbert de Leeuw gehörten, aber auch mit Willem Breuker und Harry Mulisch führte er während eines Konzertes von Bernard Haitink und dem Concertgebouw-Orchester die Notenkrakersactie durch, um die Aufführung zu verhindern. Er war Mitbegründer der Ensembles Orkest De Volharding (Bläser-Ensemble) (für das er 1972 bis 1976 schrieb) und Hoketus (1976); mit den Ensemblestücken De Volharding und Hoketus fand er zugleich die Namen für die beiden Instrumentalensembles, mit denen er seine Vorstellungen der Produktion von Musik realisieren konnte – „als Einheit von Schöpfer und Ausführenden“.[4] In seinem Kompositionsstil lassen sich Einflüsse von Strawinski wie auch der Minimal Music bemerken. Er beschäftigte sich mit unterschiedlichen musikalischen Gattungen und Kunstformen – auch mit Musiktheater und Film. So entstand in Zusammenarbeit mit Peter Greenaway der Film M is for Man, Music, Mozart.
Andriessens kompositorisches Schaffen ist von der Überzeugung geprägt, dass Musik nicht abzukoppeln ist vom gesellschaftlichen und politischen Kontext, in dem sie entsteht und erklingt.
Zahlreiche Artikel tragen seinen Namen, zumeist veröffentlicht in The Art of Stealing Time. Mit Elmer Schönberger verfasste er 1982 das Buch Het Apollinisch Uurwerk (übersetzt von Jeff Hamburg als The Apollonian Clockwork, Oxford University Press) eine Studie über Igor Strawinski. 1994 war er künstlerischer Direktor des Meltdown Festival in London. Außerdem leitete er das jährliche International Young Composers Meeting in Apeldoorn, Niederlande.
Andriessen litt an der Alzheimer-Krankheit.[5] Er starb am 1. Juli 2021 im Alter von 82 Jahren in seiner Wohnung in Weesp.[2]
Werke für Orchester
1963 Ittrospezioni II
1966 Anachronie I
1968 Contra tempus
1969 Anachronie II für Oboe und Kammerorchester
1969 Wie es ist (Hoe et is) für 52 Streicher und elektronische Instrumente
1970 Die neun Symphonien von Beethoven (De negen symfonieën van Beethoven), Schelle eines Eisverkäufers, Orchester
2008 Haags Hakkûh (The Hague Hacking), Konzert für zwei Pianos und großes Orchester
2011 La Girò für Ensemble
2013 Mysteriën für Orchester
2013 Tapdance, Konzert für Ensemble
2016 Signs and Symbols für kleines Orchester
2017 Agamemnon für Sprecher und großes Orchester
Bühnenwerke
1969 Reconstructie Moralische Oper, Libretto von Hugo Claus, Harry Mulisch, Solisten, 3 gemischte Chöre (Jeder Chor 4-stimmig), Orchester (11 Hölzbläser, 7 Blechbläser, 2 Gitarren, 11 Keyboards, 10 Streicher), Live Electronics, (Zusammenarbeit mit Reinbert de Leeuw, Misha Mengelberg, Peter Schat, Jan van Vlijmen)
1972–1976 De Staat (Der Staat, Text von Plato), 2 Sopranistinnen, 2 Mezzosopranistinnen, 4 Oboen (3., 4. + Englischhorn), 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Bassposaune, 2 Harfen, 2 E-Gitarren, 4 Geigen, Bassgitarre, 2 Pianos
1976 Matthäus Passion (Mattheus passie) (Musik Theater Werk, Text von Louis Ferron), 8 gemischte Stimmen, 2 Oboen (+ Englischhorn), Hammond organ, string quartet, double bass
1977 Orpheus (Musik Theater Werk, Text von Lodewijk de Boer), 8 gemischte Stimmen, Lyricon, Elektrische Gitarre, Bass-Gitarre, Synthesizer, Perkussion
1984 George Sand (Musik Theater Werk, Text von Mia Meyer), 8 gemischte Stimmen, 4 Pianos,
1984–1988 Die Materie (De Materie) (Musik Theater Werk, Texte von einem Plakat von Verlatinge, Nicolaes Witsen, David Gorlaeus [Niederländische Übersetzung], Hadewijch, M.H.J. Schoenmaekers, Madame van Domselaer-Middelkoop [kann in Niederländisch oder Englisch gesprochen werden], Willem Kloos, Marie Curie [kann in Englisch oder Französisch gesprochen werden], Françoise Giroud [kann in Englisch oder Französisch gesprochen werden]; Erste weibliche Sprecherin und Tänzerin), Sopran, Tenor, 2 weibliche Sprecherinnen, 8 präparierte gemischte Stimmen, präpariertes Orchester (15 Holzbläser, 13 Blechbläser, Harfe, 2 Elektrische Gitarren, 2 Pianos [eins + Elektrisches Piano], off-stage upright Piano, Celesta, 2 Synthesizer, 6 Perkussion, minimum 9 Streicher, Bass-Gitarre)
1991 Tänze (Dances) (Text von Joan Grant, Choreographie von Bianca van Dillen), Sopran, kleines Orchester (präparierte Harfe, präpariertes Piano, Perkussion, Streicher)
1993 M ist Musik, Monolog und Mord (M is Muziek, Monoloog en Moord) (Musik Theater Werk, Text von Lodewijk de Boer)
1993–1994 Rosa (Oper/Pferde Drama in zwei Akten, Libretto von Peter Greenaway), 2 Sopran, tenor, 2 Bariton, weiblicher Sprecher, 8 gemischte Stimmen, Orchester,
1995 Odysseus' Women (Text von Homer, Choreographie von Beppie Blankert), 2 Sopran, 2 Alt, Sampler#
1997–98 Writing to Vermeer (Oper in 6 Szenen, Libretto von Peter Greenaway, drei Frauenrollen, Kinder- und Damenchor)
1998 De eerste minnaar (Text von Ton Tellegen), Knaben-Sopran, Orgel
2003 Inanna für vier Sänger, Chor, Ensemble mit Film
2009–10 Anaïs Nin für Sängerin (verstärkt), Ensemble und Film
2013–15 Theatre of the World eine Groteske – Bühnenwerk in 9 Szenen, UA 2016 in Los Angeles
Werke für Blasorchester
1973 Symphonieën der Nederlanden für zwei oder mehrere Blasorchester
1975 Niederlande, achte auf deine Schönheit (Nederland, let op uw schoonheyt) Symphonisches Blasorchester
Monuments of the Netherlands für Blasorchester
Andere Werke
1974 Il Principe (Text von Niccolò Machiavelli), 2 gemischte Chöre, 8 Holzbläser, 3 Hörner, Tuba, Bass-Gitarre, Piano
1975 Workers Union, jedes laute Ensemble (auch Version für Perkussion, Klanginstallation)
1975 Hoketus, für 2 Gruppen von 5 Instrumentalisten (Panflöte, Tenorsaxophon ad libitum, Bassgitarre, Piano, E-Piano, Conga)
1980 Un beau baiser gemischte Chöre
1981 Die Zeit (De Tijd) (Text von Augustinus von Hippo), Frauen Chor, Perkussion-Ensemble, Orchester (6 Flöten, 2 Alt-Flöten, 3 Klarinetten, Kontrabass-Klarinette, 6 Trompeten, 2 Harfen, 2 Piano, Hammond-Orgel, Streicher, 2 Bass-Gitarren)
1991 M is for Man, Music, Mozart (experimentelle Fernsehproduktion von Peter Greenaway) für weibliche Jazzstimme, Flöte (+ Piccolo), Sopransaxophon, Altsaxophon, Tenorsaxophon, Frenchhorn, 3 Trompeten, 2 Posaunen, Bassposaune, Kontrabass, Piano
1997 Trilogie van de Laatste Dag (Jede der drei Sektionen kann separat aufgeführt werden)
The Last Day Text von Lucebert, Folksong A Woman and Her Lass, Knaben-Sopran, 4 Männerstimmen, Orchester
TAO Text von Lao-tzu, Kotaro Takamura, 4 weibliche Stimmen, Piano (+ Stimme, Koto), kleines Orchester (5 Holzbläser, 2 Hörner, Harfe, Piano (+ Celesta), 2 Perkussion, minimum 14 Streicher)
dancing on the bones Eigener Text, Kinderchor, Orchester
2000 Inanna’s Descent für weibliche Stimme und kleines Ensemble
2003 Letter from Cathy (Text aus einem Brief von Cathy Berberian an den Komponisten) weibliche Jazzstimme, Harfe, Violine, Kontrabass, Piano, Perkussion
2020 May, Kantate für Chor und Orchester
Werke für Orgel
1967 The Garden of Ryoan-gi für 3 Elektronische Orgeln
1969 Choralvorspiele
Werke für Turmglockenspiel (Carillon)
1988 De Toren
1995 Die Ankunft von Willibrord (De komst van Willibrord)