Lisene
Mauerblende Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Lisene (von frz. lisière „Saum“, „Rand“, „Kante“; auch Lesine, Laschene[1][2]) ist in der Architektur an Fassaden eine schwach vortretende, senkrechte Wandvorlage, selten mit kleinem Kämpfer, aber im Unterschied zum Pilaster ohne Basis und Kapitell.[3]

Funktion
Lisenen werden in der Architektur zur optischen Gliederung einer Fassade oder sonstigen Wandfläche verwendet, allerdings – im Unterschied zum Pilaster – ohne Basis und Kapitell. Sie dienen nicht nur zur Verzierung von glatten Wänden, sondern auch als Ecklisenen zur Betonung der Gebäudekanten – an technisch relevanten Stellen kommt hier aber auch durchaus der Effekt als statische Verstärkung hinzu: So kann die romanische Lisene als Stammform des in der Gotik aus dem Gebäude herausgezogenen Strebepfeilers angesehen werden.
Verwendung
Zusammenfassung
Kontext
Lisenen wurden in verschiedenen Epochen verwendet, so auch in der römischen und in der Folge in der byzantinischen Architektur. Diese in Norditalien (vor allem in Ravenna) verwendete Fassadengliederung griffen die dort siedelnden germanischen Langobarden auf, so dass durch Rundbogenfriese miteinander verbundene Lisenen nahezu stilprägende Merkmale der lombardischen Architektur wurden. Lombardische Baumeister waren wegen ihrer Kunstfertigkeit berühmt, im Ausland begehrt und förderten so die Verbreitung dieses Gestaltungsmerkmals.
Nördlich der Alpen finden sich Lisenen als Gestaltungselemente bereits sehr früh an den Stiftskirchen St. Cyriakus in Gernrode (vor 1000) und der nahegelegenen St. Servatiusstiftskirche in Quedlinburg (997–1021). Von großem Einfluss war die Verwendung von Lisenen am Speyerer Dom (1030–1106), was viele Baumeister zur Nachahmung anregte. In der Folge findet man sie an vielen romanischen Kirchen.
Seit der Renaissance wird die Lisene vom Pilaster verdrängt, obschon formal orientierte Architekten wie Palladio und die Baumeister des klassizistischen Barocks durchaus sehr reduzierte, lisenenhafte Elemente verwendeten. Lisenen lebten aber in den Neostilen des Historismus wieder auf und findet sich durchgängig in der Zweckarchitektur von Industriebauten, insbesondere in der Ziegelarchitektur.
Auch die Putzfassaden des Historismus verwendeten die Lisene als Gliederung, insbesondere als Kantenlisene (oft fälschlich Ecklisene) zur Einfassung der Fassade an der Gebäudekante. In genuteter Form wird sie dort zur Eckquaderung.
Galerie
- Lisenen und Bogenfries an einer Kapellenwand
- Lisenen und Bogenfries (oder Blendarkaden) am Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna (ca. 430 n. Chr.)
- Lisenen am Treppenturm der Stiftskirche Gernrode (vor 1000)
- Lisenen an der Abteikirche Maria Laach (1156)
- Markusturm, Venedig
- Berliner Bauakademie (erbaut 1832–1836, Architekt Karl Friedrich Schinkel), Foto von 1888
- Kantenlisenen mit Bänderung (Bad Kissingen)
- Lisenen am Empfangebäude des Bahnhof Göttingen
Seit dem Brutalismus findet sich die Lisene als sichtiges Tragelement des Skelettbaus in Beton, also nicht als Scheinstütze, sondern als funktionales tragendes Element.
- Moderne und Postmoderne
- Robin Hood Gardens, London – Lisenenfömige Ausbildung des Tragmauerwerks im Stile des Plattenbaus
- Lisenenstruktur einer modernen Verblendmauerwerk-Fassade (Hotelbau in Göttingen, fertiggestellt 2018[4])
Liesenerahmengestell
Kunsthistoriker haben zur Beschreibung von historischen Fassaden den Begriff Lisenenrahmengestell geprägt.[5] Gemeint ist eine Kombination aus Lisenen mit einer oben verbindenden, horizontalen Fassadenvorlage, die insgesamt wie ein aufgeblendetes Gestell wirkt, das gleichzeitig Fensterachsen rahmt. Der Architekturtheoretiker Leonhard Christoph Sturm zeigte diese Möglichkeit der Fassadengliederung bereits 1699 in seiner Civil-Bau-Kunst in einem musterhaften Fassadenaufriss.[6]
- Lisenenrahmengestell
- Aus dem Lehrbuch von Leonhard Christoph Sturm, 1699
- Schule in Bozen, 1911
- Kongresshalle Nürnberg, 1935–1943
Tischlerei
In der Möbeltischlerei bezeichnet man mit Lisene eine erhabene senkrechte Leiste, die eingetiefte Felder rahmt, insbesondere an einer Kante des Möbelstücks. Beispiele finden sich beim Frankfurter Schrank und im Klavierbau.
Im Fensterbau wird als Lisene ein senkrechtes Bauelement bezeichnet, das das Fenster unterteilt.
Literatur
- Günther Binding: Lisene – Pilaster – Wandpfeiler. In: Denkmal-Kultur im Rheinland. Festschrift für Udo Mainzer zum 65. Geburtstag, Werner Verlag, Worms 2010 (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 75.2010), ISBN 978-3-88462-300-8, S. 128–141.
- Wilfried Koch: Baustilkunde. 32. Auflage. Prestel, München 2014, ISBN 978-3-7913-4997-8, S. 465.
- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 29. März 2025), S. 313: Lisene.
- Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 3: H bis P. Leipzig 1883, S. 265: Laschene. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 31. Januar 2024)
Einzelnachweise
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