Latiale Kultur

eisenzeitliche archäologische Kultur in Mittelitalien Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Latiale Kultur

Latiale Kultur (italienisch cultura laziale) ist der Name einer eisenzeitlichen archäologischen Kultur in Mittelitalien, die sich zwischen der späten Bronzezeit und der Eisenzeit (ca. 10. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) entwickelte.[1]

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Hüttenurne, typisch für die Latiale Kultur. Aus der Nekropole von Campofattore (Marino (Latium)), heute im Museo Nazionale Preistorico Etnografico „Luigi Pigorini“ in Rom

Sie erstreckte sich ungefähr über das antike Altlatium (Latium vetus bzw. Latium antiquum). Die eisenzeitliche Kultur fiel mit der Ankunft eines Volkes in der Region zusammen, das Altlatein sprach. Die Kultur dürfte daher eine Phase des sozio-politischen Selbstbewusstseins des lateinischen Stammes während der Zeit der Könige von Alba Longa und der Gründung des römischen Reiches kennzeichnen.

Die latiale Kultur ist an ihren hüttenförmigen Graburnen zu erkennen. Die Urnen der Proto-Villanovakultur sind schlicht und bikonisch und wurden in einem tiefen Schacht beigesetzt. Die Hüttenurne ist ein rundes oder quadratisches Modell einer Hütte mit einem Spitzdach. Der Innenraum ist durch eine Tür an einer Seite zugänglich. Neben der Bestattung wurde auch die Feuerbestattung praktiziert. Der Stil ist unverwechselbar. Die Hüttenurnen waren Miniaturversionen der Hütten, in denen die Bevölkerung lebte, obwohl sie in dieser Zeit auch die Verwendung von Stein für Tempel und andere öffentliche Gebäude entwickelte.[2][3]

Die Apennin-Kultur von Latium ging nahtlos in die lateinische über, ohne dass es Hinweise auf eine eindringende Bevölkerungsbewegung gab. Die Bevölkerung gab im Allgemeinen Standorte mit rein wirtschaftlichem Nutzen zugunsten von verteidigungsfähigen Standorten auf, die später zu Städten wurden. Für diese Epoche wird der Begriff vorstädtisch (englisch pre-urban) verwendet. Die Verlagerung der Bevölkerung an besser zu verteidigende Orte könnte auf eine Zunahme von Plünderungen hindeuten.[4]

Periodisierung

Das Problem der Datierung von Artefakten, die der latialen Kultur zugeschrieben werden, ist auch heute noch Gegenstand von Diskussionen und Studien unter Archäologen: Der deutsche Archäologe Hermann Müller-Karpe[5][1] schlug 1959 und Giovanni Colonna 1976 die folgenden Perioden vor:[6]

Weitere Informationen Chronologie von Hermann Müller-Karpe, Chronologie von Giovanni Colonna ...
Chronologie von Hermann Müller-Karpe Chronologie von Giovanni Colonna
Periode I: zum Ende der Bronzezeit 1000–900 v. Chr. 1000–900 v. Chr.
Latiale Periode IIA1: Übergang zur frühen Eisenzeit 900–875 v. Chr. 900–865 v. Chr.
Latiale Periode IIA2: 875–850 v. Chr. 865–830 v. Chr.
Latiale Periode IIB1: Eisenzeit 850–825 v. Chr. 830–800 v. Chr.
Latiale Periode IIB2: 825–800 v. Chr. 800–770 v. Chr.
Latiale Periode IIIA: vorangeschrittene Eisenzeit 800–750 v. Chr. 770–750 v. Chr.
Latiale Periode IIIB: 750–725 v. Chr. 750–730/720 v. Chr.
Latiale Periode IVA1: Orientalisierende Periode 730/720–670/660 v. Chr.
Latiale Periode IVA2: 670/660–640/630 v. Chr.
Latiale Periode IVB: jüngste Periode der Orientalisierung 640/630–580 v. Chr.
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Stätten

Latial I[7] konzentriert sich im Raum Rom, in den Albaner Bergen und in den Tolfabergen. Zeugnisse der Zivilisation sind hauptsächlich Bestattungen, die von Nekropolen (Friedhöfen) stammen, wobei die Einäscherung der vorherrschende Ritus war.[8] Feuerbestattungen bestehen aus einer Hüttenurne mit der Asche des Verstorbenen in einem Dolium (einem großen Gefäß) und einigen anderen Gefäßen, die für Speiseopfer verwendet werden. Die Gefäße sind nicht verziert. Anstelle einer Hüttenurne wurde manchmal eine Vase mit einem kegelförmigen Dach oder einem simulierten Helm verwendet. Das Dolium wurde in einen mit Steinen ausgekleideten Pozzo (Loch) gestellt und oberirdisch beigesetzt.

Bei den Grabbeigaben weisen Spindelhörner auf Frauen und Miniatur-Rüstungen und -Waffen auf Männer hin. Statuetten, einige mit ausgestreckten Händen, können vorhanden sein.

Literatur

  • Anna Maria Bietti Sestieri: Laziale, Civilta. In: Enciclopedia dell’Arte Antica, Classica e Orientale. Secondo Supplemento 1971–1994. Band 3. Rom 1995 (italienisch, treccani.it).
  • Gabriel Zuchtriegel: Latiale Kultur. In: Anne-Maria Wittke (Hrsg.): Frühgeschichte der Mittelmeerkulturen. Historisch-archäologisches Handbuch (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 10). Metzler, Stuttgart/Weimar 2015, ISBN 978-3-476-02470-1, Sp. 294–303.
  • Gary Forsythe: A critical history of early Rome: from prehistory to the first Punic War. University of California Press, 2005, Archaic Italy c. 800-500 BC, S. 28–58 (englisch, archive.org [abgerufen am 12. Oktober 2022]).
  • Jörg Rüpke: Religion of the Romans. Polity Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-7456-3014-4, Historical Foundations, S. 39–64 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche deutsch: Die Religion der Römer. München 2001. Übersetzt von Richard Gordon).
  • A. J. Nijboer, J. Van Der Plicht, Anna Maria Bietti Sestieri, A. De Santis: A high chronology for the Early Iron Age in central Italy. In: Palaeohistorica. Band 41/42, 1999/2000, S. 163–176 (englisch, rug.nl [abgerufen am 21. Oktober 2022]).

Siehe auch

  • Hut-shaped urn. In: museivaticani.va. 2003, abgerufen am 30. Oktober 2022.

Einzelnachweise

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