kroatische Streitmacht im Bosnienkrieg Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Hrvatsko vijeće obrane (kroatisch für Kroatischer Verteidigungsrat), kurz HVO, war die Armee[2][3] der Kroaten in Bosnien-Herzegowina während des Bosnienkriegs (1992–1995). Der HVO operierte vor allem auf dem Gebiet der Kroatischen Republik Herceg-Bosna, einem international nicht anerkannten De-facto-Staat. In Sarajevo, Tuzla und Bihać kämpften HVO-Brigaden im Verband der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina (ARBiH).
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Führung | |||
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Oberbefehlshaber de jure: | Präsident der Kroatischen Republik Herceg-Bosna Mate Boban (1991–1993) Krešimir Zubak (1993–1994) | ||
Oberbefehlshaber de facto: | Präsident der Republik Kroatien Franjo Tuđman (1990–1999) | ||
Verteidigungsminister: | Bruno Stojić (1992–1993) Vladimir Šoljić (1993–1995) | ||
Militärischer Befehlshaber: | Oberst Milivoj Petković (ab April 1992); Generalmajor Slobodan Praljak (ab 24. Juli 1993); Generalleutnant Ante Roso (ab 12. Nov. 1993); Generalmajor Milivoj Petković (ab 26. Apr. 1994); Generalmajor Tihomir Blaškić (ab 5. Aug. 1995) | ||
Sitz des Hauptquartiers: | Mostar | ||
Militärische Stärke | |||
Aktive Soldaten: | |||
Wehrpflicht: | Ja | ||
Wehrtauglichkeitsalter: | |||
Geschichte | |||
Gründung: | 8. April 1992 | ||
Auflösung: | 2001 | ||
Höchste Mannstärke: | 50.000[1] |
Der HVO entstand aus selbstorganisierten paramilitärischen Einheiten von kroatischen Freiwilligen, die sich unter dem Eindruck des Kroatienkrieges unmittelbar vor Beginn des Bosnienkriegs gebildet hatten (z. B. 1. bojna „Poskok“). Die Zentralregierung in Sarajevo lehnte eine Verteidigung der kroatischen Dörfer in Bosnien und Herzegowina ab und schaute passiv auf die serbischen Angriffe („Das ist nicht unser Krieg“ Alija Izetbegović, damals Präsident der Republik). Dadurch bestand der HVO zu Kriegsbeginn größtenteils aus lokal organisierten, milizenartigen Infanteriebrigaden, deren Aufgabe darin bestand, die kroatische Bevölkerung zu schützen und die Politik des bosnisch-herzegowinischen Zweiges der Partei HDZ durchzusetzen.[2] Die Unterstützung der verbündeten und teils gemeinsam operierenden kroatischen Armee durch Ausbildung, Ausrüstung und Personal machte den HVO mit einer Gesamtstärke von bis zu 50.000 Soldaten zur effektivsten Streitmacht im Bosnienkrieg.[4] Auch ausländische Söldner aus Europa und Übersee dienten im HVO.[5] Angehörige des HVO verübten Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen an der bosniakischen und serbischen Zivilbevölkerung.[6]
Kurz vor Beginn des Krieges entstanden in der Westherzegowina durch Selbstorganisation der kroatischen Gemeinschaft, schon im Sommer 1991 erste Einheiten der Kroaten als Vorbereitung eines zu erwartenden serbischen Angriffs[7]. Die Gründung des HVO am 8. April 1992 wurde mit der „Passivität“ der Bosniaken begründet, welche den Serben zu wenig Widerstand entgegensetzen würden. Historiker gehen jedoch davon aus, dass es als ein Element der „großkroatischen“ Politik des damaligen kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tuđman und ein Instrument für den Anschluss der mehrheitlich von Kroaten besiedelten Gebiete an Kroatien war.[8][9][10][11] Die Unterstützung der kroatischen Armee ermöglichte dem HVO eine relativ gute Ausrüstung seiner Soldaten und den Einsatz großer Mengen an schweren Waffen. Lange operierte der HVO gemeinsam mit der kroatischen Armee, die Ähnlichkeit der Bezeichnung HVO mit der Bezeichnung für die Kroatische Armee: Hrvatska vojska (HV) ist unverkennbar.
Der HVO kämpfte zunächst mit der verbündeten bosnischen Regierungsarmee (ARBiH) gegen die Armee der bosnischen Serben (VRS). Im April 1993 eskalierte ein Konflikt zwischen den Verbündeten im kroatisch-bosniakischen Krieg.[12] Mit der Unterstützung Zagrebs forderte der HVO den Rückzug der bosnischen Regierungstruppen aus den Gebieten, welche nach dem Vance-Owen-Plan von den Kroaten kontrolliert werden sollten. Als Izetbegović ablehnte, begann der HVO die Gebiete zu besetzen und führte ethnische Säuberungen durch.
Im ganzen Lašva-Tal wurden Bosniaken vertrieben.[8] Zunächst befanden sich die kroatischen Truppen auf dem Vormarsch und verübten unter anderem am 16. April das Massaker von Ahmići, bei welchem Truppen des HVO etwa 120 bosniakische Zivilisten ermordeten und bosniakische Häuser in Brand setzten.[8][13] Dabei gingen Einheiten des HVO von Haus zu Haus, ermordeten die Dorfbevölkerung und zerstörten einen großen Teil der Ortschaft.[12]
Am gleichen Tag wurde auch das Massaker von Vitez begangen. Dabei belagerten Truppen des HVO die Ortschaft Vitez und bombardierten bosniakische Gebiete. Der Großteil der bosniakischen Häuser wurde in Brand gesetzt, 172 bosniakische Zivilisten ermordet, 5000 vertrieben und 1200 in Internierungslager inhaftiert.[14]
Von Mai 1993 bis Januar 1994 attackierte der HVO Mostar und führte eine ethnische Säuberung durch. Tausende von Bosniaken wurden vertrieben und ihre Häuser geplündert. Die Männer wurden im Lager Dretelj interniert.[8]
Der HVO betrieb ebenfalls mehrere Internierungslager für Bosniaken, deren Insassen gefoltert und geschlagen wurden. Dabei wurden auch bosniakische Frauen misshandelt und vergewaltigt.[8]
Am 29. Juli 2004 wurde der HVO-General Tihomir Blaškić in der Berufungsinstanz des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem die erstinstanzlich verhängte Strafe von 45 Jahren reduziert worden war, und am 2. August 2004 aus der weitgehend verbüßten Haft entlassen.
Am 29. November 2017 wurden die HVO-Funktionäre Slobodan Praljak (Militärchef) und Berislav Pušić (Chef des Büros für Gefangenenaustausch) vom Internationalen Strafgerichtshof in zweiter Instanz zu 20 beziehungsweise 10 Jahren Haft verurteilt. Praljak beging nach der Urteilsverkündung, bei der die erstinstanzlichen Urteile jeweils bestätigt worden waren, in Den Haag Suizid.[15]
Mit dem Ende des Bosnienkrieges und der Bildung der bosniakisch-kroatischen Föderation, zu der auch die überwiegend von den Kroaten besiedelten Landesteile gehörten, kam es offiziell zur Auflösung des HVO. Jedoch wurden noch fünfeinhalb Jahre nach Kriegsende im Verlauf einer Razzia bei der Hercegovačka banka rund 50 Unterkonten des Verteidigungsrates, der sich bis 1997 als Anteilseigner selbiger Bank betätigt hatte, entdeckt. Der Verbleib der Gelder wurde auch nach der Verhaftung des der Unterschlagung beschuldigten HDZ/BiH-Politikers Ante Jelavić im Januar 2004 nur teilweise aufgeklärt.[16][17]
Im Jahr 2006 wurden aus der Armee der Föderation Bosnien und Herzegowinas (VFBiH) und der Armee der Republika Srpska (VRS) die Streitkräfte von Bosnien und Herzegowina (OSBiH) gebildet. Dabei wurde das 1. Infanterie-Regiment der bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte als kroatisches Traditionsregiment des HVO aufgestellt und in der Kaserne „Stanislav Baja Kraljević“ (ehemals „Heliodrom“) stationiert. Der 8. April eines Jahres wird als Gründungstag des HVO (Dan utemeljenja HVO-a) mit militärischen Ehren begangen. Der 20. Gründungstag im Jahr 2012 wurde mit mehrtägigen Feierlichkeiten begangen, an denen auch offizielle Vertreter der Regierung von Bosnien und Herzegowina teilnahmen.
Die militärische Gliederung des HVO orientierte sich grundsätzlich an der Gliederung der Kroatischen Armee. Alle Oberbefehlshaber waren abgeordnete Offiziere der Kroatischen Armee, ausgenommen Tihomir Blaškić.
Die Landstreitkräfte des HVO gliederten sich in ein Generalhauptquartier in Mostar und fünf Operationszonen. Jede Operationszone umfasste 8 bis 14 Infanterie-Brigaden (brigada), ein Militärpolizei-Bataillon und ein Leichtes Militärpolizei-Sturmbataillon. Die insgesamt 38 Infanterie-Brigaden, wurden aus Reservisten, Wehrpflichtigen und Freiwilligen formiert. Jede dieser Brigaden hatte 3 bis 4 Bataillone mit unterstützenden Diensten.[18]
Der HVO verfügte außerdem über das, aus Berufssoldaten bestehende, Elite-Regiment „Ante Bruno Bušić“, zwei selbstständige Infanterie-Bataillone, ein leichtes Aufklärungs-Bataillon sowie Spezial- und Artillerieeinheiten.
Die HVO-Einheiten, welche zusammen mit dem 5. Korps der bosnischen Regierungsarmee die Enklave Bihać verteidigten, unterstanden einem eigenen Generalhauptquartier.
Im November 1993 übernahm der Kroatische Armee-General Ante Roso den militärischen Oberbefehl und nahm eine Neuorganisation nach dem überarbeiteten Vorbild der Kroatischen Armee vor. Die fünf Operationszonen wurden in vier Korpsgebiete, mit jeweils einer, aus Berufssoldaten bestehenden, motorisierten Garde-Brigade umorganisiert. 29 Infanterie-Brigaden wurden in sogenannte Heimwehr-Regimenter (Domobranska pukovnija) umgewandelt, in der Regel mit gleicher Bezeichnung und Standort. Jedes dieser Heimwehr-Regimenter hatte drei Infanterie-Bataillone. Vier Brigaden wurden aufgelöst und die Militärpolizei auf ein Leichtes Militärpolizei-Sturmbataillon reduziert.[19][20]
Zu Beginn war es der erst neu entstandenen kroatischen Luftwaffe unmöglich, den HVO beim Aufbau einer eigenen Luftwaffe zu unterstützen. Auf Initiative des Hauptquartiers in Mostar nahm der HVO daher zwei zivile Flugzeuge mit 12 Mann in Dienst. Später wurden die HVO-Luftwaffe und die Flugabwehr-Artillerie gebildet.
Der Text der Hymne des HVO (Himna HVO) stammt von Ranko Boban. Die Musik im Stil eines Marschliedes von Mirko Krstičević. Gesang: Vlatko Grizelj.
Kroatischer Text[21] | Deutsche Übersetzung |
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Die Dienstgrade des HVO waren:[22]
Dienstgrade für Generäle | ||||||
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General-bojnik (Brigadegeneral) |
General-pukovnik (Generalmajor) |
General-zbora (General) |
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Dienstgrade für Offiziere | ||||||
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Zastavnik (Feldwebelleutnant) |
Poručnik (Leutnant) |
Nadporučnik (Oberleutnant) |
Satnik (Hauptmann) |
Bojnik (Major) |
Pukovnik (Oberstleutnant) |
Brigadir (Oberst) |
Dienstgrade für Unteroffiziere | ||||||
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Desetnik (Unteroffizier) |
Vodnik (Stabsunteroffizier) |
Stožerni vodnik (Feldwebel) |
Narednik (Oberfeldwebel) |
Stožerni narednik (Hauptfeldwebel) |
Časnički namjesnik (Stabsfeldwebel) |
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Dienstgrade für Mannschaften | ||||||
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Pozornik (Obergefreiter) |
Razvodnik (Hauptgefreiter) |
Am 6. April 2024, dem 32. Gründungstag des HVO, zeichnete Präsident Milanović die 102. Brigade (Odžak) und 108. Brigade (Brčko), das 111. Heimwehr-Regiment „xp“ (Žepče) sowie die 115. Brigade „Zrinski“ (Tuzla, Drijenča) in Knin ebenfalls mit dem Orden des Nikola Šubić Zrinski aus.[27]
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