Aussagen, anhand deren sich einfach die Kongruenz von Dreiecken nachweisen lässt Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Kongruenzsatz bezeichnet man in der ebenen Geometrie eine Aussage, anhand derer sich einfach die Kongruenz von Dreiecken nachweisen lässt. Dreiecke sind kongruent (deckungsgleich), wenn sie in Form und Flächeninhalt gleich sind. Die Dreieckskongruenz (also die Kongruenz von Dreiecken) bildet eine Äquivalenzrelation,[1] das heißt, kongruente Dreiecke können als gleich angesehen werden.
In den üblichen Bezeichnungen der vier Kongruenzsätze steht jeweils „S“ für die Übereinstimmung einer Seitenlänge und „W“ für die Übereinstimmung eines Winkels:
SSS-Satz (erster Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in ihren drei Seitenlängen übereinstimmen, sind kongruent.
SWS-Satz (zweiter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in dem eingeschlossenen Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
WSW-Satz (dritter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge und in den dieser Seite anliegenden Winkeln übereinstimmen, sind kongruent.
Dies schließt über den Satz von der Summe der Innenwinkel im Dreieck auch den folgenden Satz mit ein:
SWW-Satz
Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge, einem dieser Seite anliegenden Winkel und dem dieser Seite gegenüberliegenden Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
Bemerkung: Nicht zwingend kongruent sind jedoch zwei Dreiecke, die in zwei Winkeln und in einer Seitenlänge übereinstimmen, wenn nicht bekannt ist, welche der gegebenen Winkel an der gegebenen Seite anliegen. Aus Angaben zu einer Seite und zwei Winkeln können somit drei im Allgemeinen nicht kongruente Dreiecke konstruiert werden, je nachdem ob der erste, zweite oder beide Winkel der Seite anliegen.
SSW-Satz (vierter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in jenem Winkel übereinstimmen, der der längeren Seite gegenüberliegt, sind kongruent.
Hierbei wird die Einschränkung gegenüber einem nicht allgemein existierenden SSW-Satz durch eine entsprechende Schreibweise oder Kennzeichnung (etwa SsW, Ssw oder SSWg, siehe die Abbildung unten) zum Ausdruck gebracht.
Stimmen zwei Dreiecke in zwei (und damit zugleich allen drei) Innenwinkeln überein, so sind sie dennoch nicht notwendigerweise kongruent. Sie sind jedoch ähnlich.
Die nachfolgende Abbildung zeigt für jeden der vier Kongruenzsätze die Größen, in denen zwei Dreiecke übereinstimmen müssen.
Von links nach rechts: SSS, WSW, SWS, SSW.
Klassisch beweist man die Kongruenzsätze, indem man Konstruktionen mit Zirkel und Lineal angibt, die aus den entsprechenden gegebenen Größen eines Dreiecks ein zweites konstruieren. Geht dies nur auf genau eine Weise, so sind die beiden Dreiecke kongruent. Mit Bezeichnungen wie in obiger Abbildung geht dies wie folgt:
SSS
Gegeben , und . Trage eine Strecke der Länge ab; der Kreis um mit Radius und der um mit Radius schneiden sich in zwei Punkten und , wodurch sich zwei spiegelsymmetrische (also kongruente) Dreiecke und ergeben. Legt man sich auf eine Orientierung fest, ist das Dreieck sogar eindeutig. Dies gilt entsprechend auch für die folgenden Konstruktionen:
WSW
Gegeben , und . Trage eine Strecke der Länge ab; die Halbgerade (der Strahl), die bei mit den Winkel einschließt, und die, die bei mit den Winkel einschließt, schneiden sich in einem Punkt .
SWS
Gegeben , und . Auf zwei Halbgeraden (Strahlen), die mit als Scheitel den Winkel einschließen, trage die Länge bzw. ab, um und zu finden.
SSW
Gegeben , und (wobei ). Konstruiere zwei Halbgeraden, die mit als Scheitel den Winkel einschließen; trage auf einem Schenkel die kürzere Strecke ab, um zu finden; der Kreis um mit Radius schneidet den anderen Schenkel in einem Punkt .
Das nebenstehende Bild zeigt, dass der Winkel beim SSW-Satz der längeren Seite gegenüberliegen muss. Andernfalls hätte man Dreiecke, die zwar in drei Teilen (SSW) übereinstimmen, aber nicht kongruent sind: Die beiden Dreiecke und stimmen in den Seitenlängen und sowie im Winkel überein. Die Seitenlängen und unterscheiden sich aber.
In Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie hat SWS den Rang eines Axioms, die anderen werden aus diesem und den übrigen Axiomen bewiesen. Das erkannte Hilbert als nötig, weil im überlieferten Aufbau Euklids Beweisideen verwendet wurden, die nicht aus seinen Axiomen und Postulaten rein logisch abzuleiten waren, sondern sich auf die anschaulich einleuchtende freie Beweglichkeit der Dreiecke beriefen.
Es ist unter Umständen auch möglich, ein Dreieck aus anderen drei Bestimmungsstücken zu konstruieren, unter denen beispielsweise Inkreisradius, Umkreisradius, Fläche oder Höhen auftreten. Die zugehörigen Kongruenzaussagen werden jedoch nicht zu den klassischen Kongruenzsätzen gezählt.
In der sphärischen Geometrie weicht die Sachlage teilweise ab. So sind dort zwei (sphärische) Dreiecke bereits kongruent und nicht nur ähnlich, wenn sie in den drei Innenwinkeln übereinstimmen. Die Angabe des dritten Winkels ist auch nicht mehr redundant (Sphärischer Exzess).
Die vier Kongruenzsätze bilden die Grundlage eines Beweisverfahrens, das in der Elementargeometrie häufig verwendet wird: In einem Kongruenzbeweis begründet man die Gleichheit zweier Streckenlängen oder zweier Winkelgrößen dadurch, dass man zunächst die Kongruenz zweier geeigneter Dreiecke zeigt und anschließend die Gleichheit entsprechender Seitenlängen bzw. Winkel folgert.
Hans Schupp: Elementargeometrie. UTB, Stuttgart 1977. ISBN 3-506-99189-2, S. 76.