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Ausschuss der deutschen Bundesregierung zum Klimaschutz Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Klimakabinett, auch „Kabinettsausschuss Klimaschutz“, ist ein am 20. März 2019 von der deutschen Bundesregierung (Kabinett Merkel IV) eingesetzter Ausschuss. Er soll gewährleisten, dass in Deutschland der Klimaschutzplan 2050 aus dem Jahr 2016 umgesetzt wird und im ersten Schritt die Klimaschutzziele 2030 eingehalten werden. Im September 2019 legte das Kabinett mit dem sogenannten Klimapaket diesbezüglich Pläne vor, die insbesondere unter Wissenschaftlern auf starke Kritik stießen.
Das Klimakabinett besteht aus der Bundeskanzlerin Angela Merkel und den sechs Bundesministern Svenja Schulze (Umwelt), Olaf Scholz (Finanzen), Peter Altmaier (Wirtschaft), Horst Seehofer (Bau), Andreas Scheuer (Verkehr) und Julia Klöckner (Agrar). Zudem gehören dem Ausschuss der Kanzleramtschef Helge Braun und der Staatssekretär und Regierungssprecher Steffen Seibert an.[1]
Nach drei Sitzungen wurde eine vierte für den 20. September anberaumt. Die darauf folgenden Entscheidungen betrafen Förderprogramme, neue Vorgaben und einen Preis für das Treibhausgas CO2 in Deutschland.[2][3]
Zum Maßnahmenbündel des Klimakabinetts zählt ein CO2-Preis in Höhe von 10 Euro pro Tonne CO2 ab 2021. Dieser liegt somit deutlich niedriger als der in anderen Staaten eingeführte Preis (z. B. Schweiz: 80 Euro pro Tonne, Schweden: 115 Euro pro Tonne). In zukünftigen Legislaturperioden soll dieser dann bis auf 35 Euro pro Tonne im Jahr 2025 ansteigen. Ab 2026 soll ein nationaler Emissionshandel mit einem Mindestpreis von 35 Euro und einem Höchstpreis von 60 Euro pro Tonne CO2 eingeführt werden. Für die Zeit ab 2027 kann der Preiskorridor angepasst werden oder auch ganz entfallen.[4] Zudem steigt die Pendlerpauschale, wodurch ein Preisanstieg beim Benzin wieder ausgeglichen werden soll. Bahnfahren soll durch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf den ermäßigten Satz von 7 % verbilligt werden,[5] was durch eine entsprechende Erhöhung der Luftverkehrsabgabe finanziert werden soll. Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung soll für eine Absenkung des Strompreises um 0,25 bis 0,625 Eurocent pro kWh verwendet werden. Ferner enthält das Maßnahmenbündel diverse Einzelmaßnahmen (insgesamt 65) zu den Sektoren Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Energie- und Abfallwirtschaft sowie einige sektorenübergreifende Maßnahmen. Das Klimakabinett soll zukünftig unbefristet eingesetzt bleiben und jährlich die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen überprüfen. Dabei möchte sich die Bundesregierung von einem Expertenrat für Klimafragen (Klimarat) begleiten lassen.[2]
Ursprünglich war geplant, dass jedes einzelne Ministerium die konkreten Einsparungen von Treibhausgasen der vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahmen für das Gesamtpaket auflistet, welche daraufhin von sogenannten „Kreuzgutachtern“ auf ihre Tauglichkeit für den Klimaschutz überprüft werden sollten. Im Laufe der Verhandlungen wurden jedoch alle entsprechenden Zahlen sowohl der Einzelvorschläge als auch des Gesamtpaketes aus dem später vorgelegten Klimaschutzprogramm entfernt. Damit ist es laut Süddeutscher Zeitung nicht mehr möglich, sowohl die Klimaschutzwirkung einzelner Maßnahmen nachzuprüfen als auch, ob das Klimaschutzpaket insgesamt die für das Klimaziel 2030 nötige Emissionsreduktion erzielen kann.[6]
Anfang Oktober wurde bekannt, dass die am 20. September vereinbarten Pläne für das Klimaschutzgesetz auf Betreiben der Unionsfraktion kurz vor dem Einbringen in den Bundestag noch weiter abgeschwächt worden waren: Im neuen Referentenentwurf wurde das nationale CO2-Einsparziel für 2040 entfernt und das zugesagte Erreichen der Klimaneutralität für Deutschland bis 2050 abgeschwächt und durch eine unverbindlichere Formulierung ersetzt. Aufgeweicht wurden auch die Kontrollmechanismen, die sicherstellen sollen, dass Deutschland die Ziele auch tatsächlich erreicht. So soll der Expertenrat kein jährliches Hauptgutachten mehr erstellen, in dem die von der Regierung durchgeführten Maßnahmen auf Wirksamkeit geprüft werden. Auch darf der Expertenrat entgegen der ursprünglichen Fassung keine Vorschläge mehr machen, wenn Ministerien ihre CO2-Einsparziele zu verfehlen drohen. Ebenso soll die Regierung ohne Zustimmung des Bundesrats Emissionsmengen zwischen einzelnen Sektoren ändern können.[7] Es soll ebenso möglich sein, verfehlte Klimaziele in die Zukunft zu übertragen.
Auf Kritik stieß nicht zuletzt die Aufweichung der Kontrollmechanismen, die die Einhaltung der Klimaziele garantieren sollen. Diese Mechanismen hatte die Regierung bei Vorstellung des Rahmenpakets im September als größten Erfolg ihrer Einigung dargestellt. Auch der als Kontrolle dienende Expertenrat ist von der Aufweichung betroffen: In ihm sollen nur noch zwei der fünf Mitglieder tatsächlich Klimaexperten sein.[8]
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) kam zu dem Schluss, dass der CO2-Preispfad nicht ausreiche, um die Klimaziele in den Sektoren Verkehr und Gebäude zu erreichen und die untersuchten Maßnahmen des Klimapakets Menschen mit niedrigen Einkommen in nahezu allen Bereichen stärker belasten als Bürger der höheren Einkommensgruppen:[9]
Trotz der Benachteiligung von Menschen mit geringen Einkommen trägt das Klimapaket laut Claudia Kemfert vom DIW Berlin nur wenig zum Klimaschutz bei: „Wir haben errechnet, dass es bei einem Preis von zehn Euro die Tonne so gut wie keine Lenkungswirkung gibt.“[10]
Einer Bewertung von Wissenschaftlern des Mercator-Instituts und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge war der CO2-Preispfad zu kurz und zu niedrig, um eine für das Klimaziel 2030 ausreichende Lenkungswirkung zu entfalten. Schon vorher könnte er zu einer Verletzung der Ziele Deutschlands im Rahmen der EU-Lastenteilung führen. Die Analyse konstatierte eine soziale Schieflage: Der Ausgleich für ärmere Haushalte sei unzureichend, die Mittelschicht werde am stärksten belastet. Besonders gutverdienende Pendler mit langen Wegen würden von der vorgesehenen Fernpendlerpauschale profitieren. Pläne der Bundesregierung, sich für einen Mindestpreis im EU-Emissionshandel und dessen Ausweitung auf die Sektoren Verkehr und Gebäude einzusetzen, wurden begrüßt. Das Mandat des im Rahmen eines Fortschrittsmonitoring geplanten Expertenrats wurde als schwach angesehen.[11]
Das Umweltbundesamt stellte fest, dass die geplanten Abstandsregeln für Windkraftanlagen die deutschen Klimaziele gefährden würden. Ein Anteil von 65 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 könne bei einem Abstand von mindestens 1000 Metern zu Wohnbebauung nicht erreicht werden.[12]
Nach Kritik aus dem Bundesrat kündigte die Bundesregierung bereits im November 2019 Nachbesserungen am Klimapaket an. CO2-intensive Unternehmen sollten entlastet werden.[39]
Der Bundesrat beschloss am 29. November 2019, zu dem geplanten Gesetz, das die Maßnahmen des Klimapaketes im Steuerrecht umsetzen sollte, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Am 18. Dezember kam es zu einer Einigung. Unter anderem wurde die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern geändert, die Länder sollen eine Kompensation in Höhe von 1,5 Mrd. Euro für Mindereinnahmen erhalten. Die Fernpendlerpauschale soll in den Jahren 2024–2026 um weitere 3 Cent erhöht werden. Die Bundesregierung will im Einvernehmen mit dem Bundesrat im 1. Quartal 2020 Maßnahmen erarbeiten, um die Akzeptanz von Windenergieanlagen zu verbessern; dazu soll vor allem eine Beteiligung der Kommunen an den Erträgen gehören.[40]
Die Bundesregierung sicherte ferner zu, mittels einer Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes im Frühjahr 2020 deutlich höhere CO2-Preise zu beschließen. Der Preis soll demnach 2021 nicht auf 10, sondern bereits auf 25 Euro pro Tonne festgelegt werden und bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne (anstelle von zuvor 35 Euro pro Tonne) ansteigen. Anschließend erfolgt die Preisbildung durch den Handel mit Emissionszertifikaten, wobei die Gesamtmenge der Zertifikate entsprechend der Klimaziele begrenzt werden soll. Im Jahr 2026 soll der Preis in einem Korridor von 55 bis 65 Euro schwanken können.[41] Die zusätzlichen Einnahmen sollen vollständig zur Senkung der EEG-Umlage und zur Finanzierung der höheren Fernpendlerpauschale ab 2024 verwendet werden.[40]
Einer Analyse der Wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer, Matthias Kalkuhl und Axel Ockenfels zufolge beseitigen die Anpassungen teilweise die soziale Schieflage der Vorschläge vom September. Trotz der höheren Preise sei das geplante System aber immer noch unzulänglich: Die Preise seien immer noch zu niedrig, um die europäischen Verpflichtungen einzuhalten, zumal die europäischen Klimaziele weiter verschärft werden sollen. Außerdem würden mit der Zeit weniger einkommensstarke Haushalte wieder stärker belastet werden; um die soziale Ausgewogenheit zu wahren, sollten die Einnahmen zunehmend an die Bürger rückerstattet werden, etwa als Klimadividende. Im Vergleich zu den ordnungspolitischen und Fördermaßnahmen hat, so die Wissenschaftler, die CO2-Bepreisung immer noch ein zu geringes Gewicht.[42]
Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass der CO2-Preispfad allein immer noch nicht reicht, um die Emissionsminderungsziele für 2030 im Verkehrssektor einzuhalten. Für die Ziele im Gebäudesektor könnten die Preise ausreichend sein. Trotz der zusätzlichen Senkung der Strompreise würde es in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Netto-Einkommen immer noch prozentual zu höheren Belastungen kommen. Das DIW empfiehlt ebenfalls eine Klimadividende als sozialen Ausgleich.[43]
Die Beschlüsse werden insbesondere umgesetzt durch ein Bundes-Klimaschutzgesetz,[44] ein Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht und ein Brennstoffemissionshandelsgesetz.[45]
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