Die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG ist eine Vereinfachungsregelung im Umsatzsteuerrecht, die Unternehmern mit niedrigen Umsätzen ein Wahlrecht in Bezug auf die Umsatzsteuer gewährt. Der Kleinunternehmer unterliegt dennoch dem Umsatzsteuergesetz, auch wenn die Tätigkeit nur nebenberuflich erfolgt; insoweit entsteht (§ 38 AO) auch die Umsatzsteuer, allerdings wird die Steuer durch das Finanzamt nicht erhoben (§ 218 ff. AO). Im Wesentlichen können Kleinunternehmer daher auf den Ausweis und die Abführung von Umsatzsteuer verzichten, sind dann aber auch vom Vorsteuerabzug aus Rechnungen anderer Unternehmer ausgeschlossen. Bei Umsätzen im EU-Ausland kann die Angabe einer Umsatzsteueridentifikationsnummer erforderlich sein.
Funktionsweise
Die Umsatzsteuer wird von Unternehmern nicht erhoben, wenn der maßgebende Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro (2003 bis 2019: 17.500 Euro) nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Vorsteuerabzug ausschließende, bestimmte steuerfreie Umsätze (§ 19 Abs. 3 UStG) und Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind nicht in den maßgebenden Umsatz einzubeziehen.[1]
Die Grenze wird ab 2025 angehoben. Voraussetzung für die Befreiung ist künftig, dass der inländische Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet.[2]
Umsätze von Kleinunternehmern sind also nicht steuerfrei. Vielmehr wird die fällige Umsatzsteuer aus Vereinfachungsgründen bloß „nicht erhoben“. Macht ein Unternehmer von der Regelung des § 19 UStG Gebrauch, muss er auf jeder Rechnung vermerken, dass die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen und berechnet wird. § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG gilt analog.[3] In der Rechnung darf nur der Nettowert ohne Angabe von Umsatzsteuersätzen und Umsatzsteuer aufgeführt werden. Dadurch wird verhindert, dass ein vorsteuerabzugsberechtigter Leistungsempfänger Vorsteuer aus den Rechnungen des Kleinunternehmers ziehen kann. Weist ein Kleinunternehmer dennoch Umsatzsteuer aus, ist er zur Abführung dieser an das Finanzamt verpflichtet, die nur durch eine entsprechende Korrektur des falschen Steuerausweises in der Rechnung verhindert oder rückgängig gemacht werden kann (§ 14c Abs. 2, § 17 Abs. 1).
Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 Euro, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG). In begründeten Fällen soll die Befreiung jedoch unterbleiben.[4] § 18 Abs. 4a UStG bestimmt die generelle Pflicht – auch bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung – zur Abgabe von Voranmeldungen und Steuererklärungen für:
- Unternehmer, die die Steuer für innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland gegen Entgelt schulden (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG),
- Unternehmer, die als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG die Steuer schulden (Reverse-Charge-Verfahren),
- Unternehmer, die die Steuer gem. § 25b Abs. 2 UStG als letzter Abnehmer eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts schulden, sowie
- Fahrzeuglieferer gem. § 2a UStG.
Die Ergänzung um § 18 Abs. 4a UStG hat zur Folge, dass ein Unternehmer bei Verwirklichung der genannten Sachverhalte in jedem Fall eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben muss. Die 1.000 Euro-Grenze spielt seit einem BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 theoretisch keine Rolle mehr.[5]
Maßgeblicher Umsatz
Zum Umsatz gehören alle vereinnahmten Umsätze und umsatzsteuerrelevante unentgeltliche Wertabgaben. Nicht dazu zählen Umsätze wie der Verkauf von Anlagevermögen, bestimmte steuerfreie Umsätze (§ 19 Abs. 3 UStG) oder Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung. Letztlich gilt als Umsatz die Höhe der tatsächlich vereinnahmten Erlöse. Sofern diese Umsatzsteuer enthalten (und der Unternehmer nicht unter die Kleinunternehmerregelung fällt), ist die Umsatzsteuer zur Berechnung der Umsatzgrenze mit einzubeziehen. Ist keine Umsatzsteuer abzuführen, weil es sich bereits um einen Kleinunternehmer handelt, sind entsprechend ebenfalls nur die erhaltenen Erlösbeträge maßgeblich.
Unentgeltliche Wertabgaben, d. h. gewinnwirksame Hinzurechnungen bei Gegenständen und Leistungen, die auch privat genutzt werden (können), sind nur dann umsatzsteuerrelevant und damit in die Umsatzgrenze einzubeziehen, wenn diese Gegenstände und Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Da der Kleinunternehmer-Status an die Person und nicht an das Unternehmen gebunden ist, ist eine mehrfache Berufung auf die Kleinunternehmer-Regelung nicht möglich. Falls mehrere Gewerbebetriebe geführt werden, werden alle umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen addiert. Zudem gibt es umsatzsteuerfreie Waren und Dienstleistungen, die nicht zur Ermittlung der Kleinunternehmer-Umsatzgrenze hinzugezogen werden wie zum Beispiel folgende Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 4 Nr. 11 bis 28 UStG):[6]
- ärztliche Heilbehandlungen,
- Handel mit menschlichen Organen,
- Vermietung und Verpachtung von Grundstücken,
- Leistungen von Bausparkassen- und Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern,
- Angebote allgemeinbildender oder berufsbildender Schulen oder auch
- Leistungen selbstständiger Lehrkräfte an solchen Einrichtungen.
Wahlrecht
Auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann gem. § 19 Abs. 2 UStG verzichtet werden. Verzichtet der Unternehmer, ist er für fünf Kalenderjahre daran gebunden. Für diese Zeit unterliegen seine Umsätze den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes (sog. Option zur Regelbesteuerung).[7]
Eine Option zur Regelbesteuerung kann gegenüber dem Finanzamt ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten auch in der Weise erklärt werden, dass der Kleinunternehmer auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.[8]
Ist der Unternehmer überwiegend für andere, vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer tätig, kann die Regelbesteuerung Vorteile bringen, denn dann kann auch der Kleinunternehmer selbst Vorsteuerabzug geltend machen. Bei Anschaffungen und anderen mit Umsatzsteuer belasteten Eingangsumsätzen muss er so nur den Nettobetrag finanzieren. Andererseits kann die Notwendigkeit, in Rechnungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinweisen zu müssen (§ 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG), einen Imageverlust darstellen, da die Leistungsfähigkeit des Kleinunternehmers geringer eingeschätzt werden könnte als die eines „Vollblutunternehmers“.
Nicht optierende Kleinunternehmer, die sich mit ihren Waren oder Dienstleistungen überwiegend an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Privatkunden richten, können ihrer Kundschaft im Vergleich zur steuerpflichtigen Konkurrenz objektiv niedrigere Preise gewähren[9] oder entsprechend höhere Gewinne erzielen.
Existenzgründer
Bei Aufnahme oder Änderung der Tätigkeit ist in der Regel eine Anmeldung und Erfassung durch das jeweils zuständige Finanzamt erforderlich.[10] Existenzgründer müssen ihren Umsatz für das Gründungsjahr sowie für das darauffolgende Wirtschaftsjahr schätzen und gegenüber dem Finanzamt glaubhaft machen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der in diesem Zeitraum erzielte Umsatz auf einen Jahres-Gesamtumsatz hochzurechnen. Überschreitet der Umsatz voraussichtlich 22.000 €, scheidet die Anwendung der Kleinunternehmerregelung von vorneherein aus. Überschreitet der Umsatz im Gründungsjahr 22.000 € (2003 bis 2019: 17.500 €), darf die Kleinunternehmerregelung im folgenden Wirtschaftsjahr nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Siehe auch
Einzelnachweise und Anmerkungen
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