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katholischer Traditionalismus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zum katholischen Traditionalismus (auch: Traditionalistenbewegung[1]) werden Strömungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche gerechnet, die insbesondere die kirchlichen Reformen und Erneuerungsbestrebungen aus der Zeit während und im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) prinzipiell kritisieren, ablehnen oder bekämpfen. Besonders die Ablehnung der, im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils umgesetzten, Liturgiereform und die Forderung nach Beibehaltung oder Wiederherstellung der liturgischen Formen aus der Vorkonzilszeit sind ein prägendes Merkmal fast aller traditionalistischen Gruppen der Gegenwart. Abgelehnt wird von den meisten Vertretern des Traditionalismus auch die Ökumene.[2]
Folgende Gruppen akzeptieren grundsätzlich die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils:[2]
Um Traditionalisten, denen es vor allem um eine Revision der Liturgiereform ging, entgegenzukommen, gestattete Papst Johannes Paul II. 1984 unter bestimmten Bedingungen die Feier der Heiligen Messe nach dem Römischen Messbuch aus dem Jahr 1962,[3] nachdem seit 1974 in Gemeindemessen ausschließlich die von Papst Paul VI. 1969 promulgierte Ausgabe des Römischen Messbuches verwendet werden durfte, was von altritualistischen Exponenten der Traditionalistenbewegung seit den 1970er Jahren scharf kritisiert worden war.
In seinem Motu proprio Summorum Pontificum regelte Papst Benedikt XVI. 2007 die Bedingungen, unter denen liturgische Feiern in der von ihm zur außerordentlichen Form des römischen Ritus erklärten vorkonziliaren Form stattfinden können, neu und erweiterte sie stark. Papst Franziskus hob diese Zweiteilung des Römischen Ritus in seinem Motu proprio Traditionis custodes vom 16. Juli 2021 auf und entschied, dass die liturgischen Bücher von 1970 in den von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. herausgegebenen Fassungen „einzige Ausdrucksform der lex orandi des Römischen Ritus“ seien. Die Feier der heiligen Messe nach dem Missale Romanum von 1962 ist seitdem auf wenige Ausnahmen eingeschränkt, die der Zustimmung des jeweiligen Diözesanbischofs bedürfen.
Den größten Bekanntheitsgrad unter den Wortführern des katholischen Traditionalismus erreichte der 1991 verstorbene französische Erzbischof Marcel Lefebvre. Seine Bewegung hat eine Reichweite von angeblich über 600.000 Anhängern. An der Spitze der Bewegung steht die Priesterbruderschaft St. Pius X. mit nach eigenen Angaben über 700 Priestern[4], die seit 1975 keinen kanonischen Status mehr in der römisch-katholischen Kirche hat und als schismatisch angesehen wird.[2] Illegale Bischofsweihen führten 1988 zur Exkommunikation der vier geweihten und zwei weihenden Bischöfe. Einige Priester, die diese schismatische Entwicklung ablehnten, gründeten 1988 die Priesterbruderschaft St. Petrus.[5]
Die Exkommunikation der vier seinerzeit Geweihten wurde am 21. Januar 2009 von Papst Benedikt XVI. aufgehoben. Sie und die Priester der Bruderschaft sind jedoch weiterhin suspendiert und gelten als „vagante Kleriker“, die zwar gültig, aber größtenteils in irregulärer Weise zum Priester geweiht wurden und ohne kirchliche Erlaubnis wirken. Als kurz darauf der Piusbruder Bischof Richard Williamson wegen Leugnung des Holocausts und Volksverhetzung verurteilt wurde,[6] geriet Papst Benedikt XVI. in die Kritik, sich durch die Integration der Piusbrüder nicht ausreichend vom Antisemitismus abgegrenzt zu haben.[7]
2020 feierte die Piusbruderschaft ihr 50-jähriges Bestehen.[8]
Theologisch steht der Traditionalismus in der Kontinuität der im 19. und frühen 20. Jahrhundert in der römisch-katholischen Kirchenleitung zeitweilig dominierenden Strömung des theologischen Integralismus. Der integralistische Traditionalismus lehnt die nach Ansicht seiner Anhänger mit früheren Entscheidungen des kirchlichen Lehramtes unvereinbaren Positionen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab oder kritisiert dessen Verlautbarungen als unklar und missverständlich. Das betrifft neben den liturgischen Veränderungen insbesondere die Anerkennung der Religionsfreiheit und die Kollegialität der Bischöfe.
Historisch nimmt der integralistische Traditionalismus auf den Abwehrkampf des Papsttums gegen Aufklärung und Liberalismus Bezug, der zunächst im Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils und anschließend im innerkirchlichen Kampf Papst Pius X. gegen den so genannten Modernismus kulminierte. Traditionalisten betrachten diese Abwehr moderner Zeitirrtümer und die entsprechenden päpstlichen Verlautbarungen der vergangenen 200 Jahre als wesentlichen Bestandteil der katholischen Doktrin. Im Hintergrund steht ein statischer Traditions- und Offenbarungsbegriff, der im Wesentlichen bei der nachtridentinischen und neuscholastischen Lehrentwicklung stehen bleibt und Weiterentwicklungen, selbst wenn sie aus dem Geist biblischer und patristischer Tradition heraus erfolgen, nicht als Teil einer lebendigen Lehrtradition begreifet und sie deshalb als unzulässige Neuerungen ablehnt.[9]
Traditionalistische Gruppierungen lehnen in aller Regel die sexuelle Revolution, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Pränataldiagnostik, die Erleichterung der Ehescheidung, die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, die Frühsexualisierung und die Sterbehilfe als nicht mit der Lehre der Katholischen Kirche vereinbar ab. Auch der Ökumene stehen sie überwiegend ablehnend gegenüber, da sie in diesem Zusammenhang eine Verwischung zwischen Katholizismus und anderen christlichen Konfessionen befürchten.
Die Piusbruderschaft zeichnet sich darüber hinaus durch eine Ablehnung der Aufklärung, der Demokratie und der Religionsfreiheit ab. Einige ihrer Vertreter fielen außerdem durch Islamfeindlichkeit und, im Unterschied zu den meisten Evangelikalen, auch durch Antisemitismus auf.[10][11][12][13][14]
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