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deutscher Historiker und Hochschullehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Josef Matzerath (* 11. Dezember 1956 in Linnich) ist ein deutscher Historiker und Hochschullehrer.
Matzerath studierte Geschichte und Philosophie an der Universität Bonn. Dort wurde er 1990 mit einer von Gerhard Wirth betreuten Dissertation über den Altertumsforscher Albert Schwegler promoviert. Seit 1993 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte der Technischen Universität Dresden tätig, wo er sich 2003 mit einer Schrift über die Adelsprobe an der Moderne habilitierte und zum außerplanmäßigen Professor für Neuere Geschichte ernannt wurde.
In seinen Forschungen beschäftigt sich Matzerath mit drei Hauptfeldern: Ein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der deutschen Adelsgeschichte, mit besonderem Fokus auf Adelsforschung in der Moderne. Seine Thesen lauten: Die Sozialformation des Adels hat sich in den letzten 150 Jahren nicht aufgelöst, obwohl sie das nach den gängigen soziologischen Theorien (Modernisierungstheorie, Karl Marx, Max Weber, Niklas Luhmann) hätte tun sollen. Sie hat sich hingegen entkonkretisiert: Adlige sind einerseits auf den Feldern tätig, die von gesellschaftlichen Funktionsapparaten (Parteien, Aktiengesellschaften, Kulturinstitutionen) dominiert werden. Im Privatleben und in der Freizeit pflegen moderne Adlige andererseits die Konventionen ihrer Gruppe und halten die Erinnerung an die eigene Familie hoch. Mit dem Hinweis, dass die Vorfahren bereits in der Vormoderne zu einer Herrschaftsformation gehörten, reklamieren Adlige in der Moderne ein Alleinstellungsmerkmal – einen Anspruch, den moderne Eliten nicht erlangen können, weder durch erworbenen Reichtum, erworbene Macht noch durch akkumuliertes Wissen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt Matzeraths ist die Parlamentsgeschichte der Neuzeit, besonders in Sachsen. Hier argumentiert er folgendermaßen: Parlamente gehören nach dem Ende der Fürstenhöfe zu den wenigen Zentralorten moderner Gesellschaften. In Deutschland hat der Sächsische Landtag eine der beachtenswertesten Kontinuitäten, die von der Moderne über die frühneuzeitliche Ständeversammlung bis ins späte Mittelalter zurückreicht. Dennoch handelt es sich auch bei den (kur)sächsischen Landtagen um Institutionen mit von Epoche zu Epoche wechselndem Charakter. Zu dieser Thematik verfasste Matzerath in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Landtag eine mehrbändige Reihe zur Geschichte der sächsischen Volksvertretungen unter dem Titel Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Gemeinsam mit dem Dresdner Mittelalterhistoriker Uwe Israel verfasste er eine Gesamtdarstellung zur sächsischen Parlamentsgeschichte,[1][2] die 2019 erschien.
Dritter großer Forschungsschwerpunkt Matzeraths ist die Ernährungsgeschichte. Ähnlich wie in der Kunst- oder Musikgeschichte soll auch für den Bereich der Ernährung deren ästhetische Entwicklung erforscht werden. Das ist gerade für Deutschland bisher kaum geschehen. Ein besonderes Augenmerk richtet Matzerath hier auf die Gourmetküche – denn hier finden sich bis heute eher europäische Gemeinsamkeiten als nationale Unterschiede. Die feine Kochkunst arbeitet seit jeher auch mit regionalen Produkten, die in der Nahrungsmittelindustrie kaum mehr zu finden sind. Diese Kochkunst war in Europa entgegen einer verbreiteten Ansicht nie ausschließlich in Frankreich zu finden, sondern schon in der Vormoderne an den Fürstenhöfen aller Länder verbreitet. Um 1900 fokussierte die kulinarische Ästhetik wesentlich mehr als heute die Komposition eines Menüs, in dem die Speisen der verschiedenen Gänge aufeinander abgestimmt sein mussten. Die hohe Kochkunst öffnete sich auch vor 100 Jahren nicht für die Angebote der Nahrungsmittelindustrie, sondern setzte auf handwerkliche Verarbeitung möglichst hochwertiger und saisonaler Produkte. Dies will Matzerath für Deutschland am Beispiel Dresdens zeigen – bereits für die Zeit vor der Veröffentlichung von Auguste Escoffiers epochemachendem Kochkunstführer. Der Ernährungsgeschichte in Sachsen widmet sich Matzerath in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft und dem Verein „Ernährungsgeschichte in Sachsen e. V.“ Matzerath hat maßgeblichen Anteil an der Gründung des Deutschen Archivs der Kulinarik an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB).[3]
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