mallorquinischer Orgelbauer (1739-1800) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Jordi Bosch i Bernat, auch Jordi Bosch Bernat oder Jordi Bosch Bernat-Verí, kastilisch-spanischJorge Bosch de Bernat-Veri oder Jorge Bosch y Bernat-Veri, meist verkürzt zu Jordi Bosch [ˈʒɔrdi bɔsk] (* 8. November1739 in Palma de Mallorca; † 2. Dezember1800[1] in Madrid), war ein mallorquinischer Orgelbauer und ab 1779 königlich-spanischer Hoforgelbauer. Er gilt als einer der größten Meister seines Handwerks in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Jordi Bosch war der Sohn des Orgelbauers Mateu Bosch (1709–1751), des Erbauers der Orgel in der Església de Sant Jeroni in Palma de Mallorca (1746) sowie seinerseits Sohn eines Orgel- und Cembalobauers, sowie seiner Mutter Maria Bernat. Er wurde zunächst Schüler seines Vaters und, nach dessen Tod, seines Onkels Pere Josep Bosch. Seine Lehre setzte er – gefördert durch den damaligen Bischof von Mallorca, Francisco Garrido de la Vega – fort bei Leonardo Fernández Dávila in Granada[2], dessen 1756–1759 begonnene Orgel für die Kapelle des Palacio Real in Madrid er 1772–1778 fertigstellte, womit er sein Werkstattnachfolger wurde.[3]
Bosch wurde 1779 zum königlich-spanischen Hoforgelbauer ernannt – mit der Verpflichtung, nicht nur das von ihm erbaute Instrument zu stimmen, zu warten und zu pflegen, sondern auch eine Orgelbauschule aufzubauen. Im selben Jahr heiratete er María Manuela Lidón, eine jüngere Schwester des königlich-spanischen Hoforganisten José Lidón[4] – seine Frau verstarb jedoch schon ein Jahr später.[5] 1795 wurde Bosch zum Kammerdiener ernannt, trotzdem verstarb er finanziell völlig ruiniert im Haus seines Schwagers José Lidón.[6]
Bosch war Verfasser eines ungedruckten 200-seitigen illustrierten Traktats über Orgelbau, das seit dessen Verkauf in Barcelona 1924 verschollen ist. Er gilt auch als Schöpfer einiger Erfindungen außerhalb des Orgelbaus.[7] Namhafte Schüler Boschs waren Antonio Otín Calvete, Francisco Rodríguez – der 1802 eine der beiden Orgeln in der Iglesia San Juan Bautista in Marchena errichtete[8] – und Gabriel Thomás. Sein Werkstattnachfolger wurde mit Juan Debono ein anderer seiner Schwäger.[9]
Werkliste (Auswahl)
Es werden nur die nach gegenwärtigem Kenntnisstand sicheren Projekte Boschs gelistet sowie zusätzlich eine mögliche Zuschreibung, unabhängig vom jeweiligen Erhaltungsgrad.
1764: Binissalem, Parròquia de Santa Maria de Robines. Neubau, Erstlingswerk (1854 umgebaut durch Antonio Portell, erhalten)
1765: Palma de Mallorca, Convent de Sant Domingo. Neubau, Prospekt von Fra Albert Barguny[10][11] (1762 Auftragserteilung, 1835 abgerissen, 1837 teilweise wiederaufgebaut durch Guillem Puig in Santanyí, Parròquia de Sant Andreu, teilweise eingelagert ebenda, 1873 und 1888 weitere Teileinbauten durch Julià Munar, 1957 erster Restaurierungsversuch durch Organeria Española S. A., 1978–2002 restauriert und teilrekonstruiert durch Gerhard Grenzing, erhalten)[12][13]
Disposition der Jordi-Bosch-Orgel von 1765 in Santanyí, Parròquia de Sant Andreu (vormals in Palma de Mallorca, Convent de Sant Domingo)[14]
Terratrèmol (über die beiden äußersten0 der 10 Pedaltasten betätigt)
16′
1772: Palma de Mallorca, Basilica de Sant Francesc. Neubau, letztes mallorquinisches Werk Boschs vor seinem Wechsel auf die iberische Halbinsel (1771 Erstellung einer Studie, 1956 zerstört, Horizontalzungen erhalten in der Orgel von Gerhard Grenzing ebenda aus dem Jahr 2008)[16]
1772–1778: Madrid, Capilla del Palacio Real. Aufbau unter völliger Reorganisation und Erweiterung (1756–1759 erbaut durch Leonardo Fernández Dávila, wegen der Baumaßnahmen am Palast zwischen 1738 und 1764 nicht aufgebaut, 1771 endgültiger Aufbauauftrag an Fernández Dávila, wegen dessen Krankheit und Tod noch im selben Jahr auf ausdrücklichen Wunsch an Bosch übertragen, 1987–1994 restauriert durch Gerhard Grenzing, mit originaler Balganlage erhalten)[17]
1780: Palma de Mallorca, Convent de la Mare dels Socors (Sant Agustí). Erweiterung um Horizontalzungen (1702–1703 erbaut durch die Gebrüder Damiá und Sebastiá Caymari, 1969–1970 restauriert durch Gerhard Grenzing, erhalten)[18]
s. d.: Murcia, Santa Iglesia Catedral de Santa María. Neubau (1854 beim großen Kathedralbrand zerstört)
s. d. – Zuschreibung unsicher: Campos (Mallorca), Església de Sant Francesc de Paula (Convent dels Mínims). Neubau[19] (gegenwärtiges Werk 1823 erbaut durch Gabriel Thomás, erhalten)[20]
Bauliche und klangliche Besonderheiten
Die kompakteste und kompletteste Übersicht hierzu bietet, wenngleich in englischer Sprache, John Michael Barone.[21] Auf sie wird im Folgenden nur dann explizit verwiesen, wenn das betreffende Merkmal singulär bei ihm gelistet ist.
Bau der wahrscheinlich ersten Horizontalzungen auf Mallorca[22]
dabei äußerst reichhaltige Ausstattung insbesondere der Hauptwerke (Orgue major) mit Horizontalzungen[23]
fächerförmige, zum Teil mehrfach geschweifte Anordnung der Horizontalzungen zu bestmöglicher Raumbeschallung – zu diesem und den beiden vorangehenden Merkmalen vgl. das nachstehende Bild[24]
Erfindung überblasender Trompeten mit doppelter Becherlänge[26]
Bau der wahrscheinlich ersten Flautes dobles (eine Art schwebend gestimmter Nachthörner) auf Mallorca[27]
Erfindung von Soloflöten, welche die Anblastechnik der Querflöte zu imitieren versuchen[28]
Erfindung von bis zu 25fachen Mixturen und bis zu 10fachen Kornetten oder Nasarden[29]
Aufbänken der Mixturen, Kornetten und Nasarden auf Holzkonduktenstöcken mit neuartiger Windversorgung[30]
Anordnen aller innenliegenden Pfeifen auf Höhe des Prospekts, so dass sie direkt in den Raum sprechen können[31]
hierzu Erfindung sogenannter T-Windladen (über die Vorstufe von L-Windladen[32]), deren vertikaler Ast die Horizontalzungen und deren horizontaler Ast die Prospekt- sowie alle innenliegenden Pfeifen versorgt[33]
Bau doppelter oder gar dreifacher Windkästen mit hintereinanderliegenden Ventilen zur ausreichenden Windversorgung tiefer Pfeifen insbesondere von mehrchörigen Registern, standardmäßig in der untersten Oktave[34]
erfolgreiche Suche nach Mitteln und Wegen zum Druckausgleich zwischen Bälgen[36][37]
Einführung von Vorrichtungen (Handrad mit Kurbelwelle und Pleuelstangen[38] oder großflächige Wippe[39]), durch welche selbst eine Vielzahl von Bälgen durch eine einzige Person aufgezogen werden können
Weiterentwicklung der mallorquinischen Rückpositive (Cadireta) von zerlegten Prinzipalplena zu kornettartigen Solowerken mit zusätzlichem Regal[40]
Einführung vollausgebauter schwellbarer Oberwerke als Echo (Teclat d’ecos)[41]
in der Geschichte des Orgelbaus womöglich erstmalige Verwendung von Expressionsschlitzen zur Stimmung größerer Metalllabialpfeifen[42]
vorzugsweise Intonation auf halboffenen bis offenen Füßen mit weiten Kernspalten und hohen Aufschnitten bei nur wenigen Kernstichen[43]
Herstellung und Einsatz von dreischichtigem Sperrholz[44]
Herstellung besonders dickwandiger Metallpfeifen zur Erhöhung der Haltbarkeit[45]
Aus bestimmten Merkmalen schon von Boschs mittleren Werken lässt sich schließen, dass er Kenntnis des von 1766 bis 1778 erschienenen grundlegenden Werks über Orgelbau L’Art du facteur d’orgues des Franzosen François Lamathe Dom Bédos de Celles de Salelles (1709–1779) gehabt haben muss.[51] Viele der im vorigen Abschnitt genannten baulichen und klanglichen Besonderheiten seiner mittleren bis späten Werke finden sich auch bei seinen vorwiegend in Andalusien tätigen Schülern und seinem Werkstattnachfolger Juan Debono wieder. Sein Wirken kann demnach – auch im Vergleich zu den zeitgenössischen Instrumenten in seinem Umfeld – als schulbildend bezeichnet werden.[52]
Zugleich hat Bosch manche insbesondere technischen Besonderheiten des bedeutenden französischen Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll (1811–1899) vorweggenommen.[53] Boschs Orgeln dürften in dessen Familie bereits über seinen Großvater Jean-Pierre Cavaillé (1743–1809) und seinen Vater Dominique-Hyacinthe Cavaillé-Coll (1771–1862) bekannt gewesen sein, die beide zeitweise in Spanien und sogar für das spanische Königshaus arbeiteten. Spätestens lernte Cavaillé-Coll sie jedoch während der Ausführung seiner eigenen Aufträge ebenda kennen. Sein Bruder Vincent Cavaillé-Coll (1808–1886) bewarb sich im Übrigen 1847 als Orgelstimmer für die Bosch-Orgel in der Capilla del Palacio Real zu Madrid.[54]
José Luis Barrio Moya:Notas biográficas sobre el mallorquín Jorge Bosch, maestro organero de los reyes Carlos III y Carlos IV. In: Bolletí de la Societat Arqueològica Lul·liana: Revista d’estudis històrics. Nr.58, 2002, ISSN0212-7458, S.337–350.
Gerhard Grenzing:Jordi Bosch. In: ISO Yearbook. 1993, ISSN1017-7515, S.114–141.
Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel).
Domenico Scarlatti & Cia. Órgano Bosch del Palacio Real de Madrid. 2013, Lindoro MPC0717, CD (Andrés Cea, Orgel).
In der Literatur kursiert häufig das Jahr 1801 als Sterbejahr Boschs, dies dürfte jedoch eine Verwechslung mit dem Datum seines Begräbnisses oder der Eröffnung seines Testaments sein.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 6.
Keine der in der einschlägigen Literatur angegebenen Dispositionen der Orgel gleicht der anderen, selbst diejenigen des langjährigen Restaurators Gerhard Grenzing weichen voneinander ab. Die nachstehende Disposition greift daher im Wesentlichen auf diejenige in Sonus paradisi. Virtual Pipe Organ Project: L’Orgue de Jordi Bosch – Santanyi [sic!] (1762) zurück und ergänzt bzw. berichtigt diese, wo immer erforderlich.
Dieses Ple und sein Pendant in der Mà esquerra sind mit 22 bis 25 Pfeifenreihen sowie 1.104 Pfeifen insgesamt die derzeit größte bekannte erhaltene historische Mixtur weltweit.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 6.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 6.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 6.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 6.
Hans-Dieter Möller: Die Orgel der Kirche Sant Andreu zu Santanyi [sic!]. In: Booklet zu Die historische Jordi Bosch-Orgel zu Santanyi [sic!] (Mallorca). 1991, Motette CD 11051, CD (Hans-Dieter Möller, Orgel), S. 5.