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österreichischer römisch-katholischer Priester Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Johannes Ude (* 28. Februar 1874 in Sankt Kanzian am Klopeiner See, Kärnten; † 7. Juli 1965 in Grundlsee, Steiermark) war ein österreichischer römisch-katholischer Priester und Theologe, Lebensreformer, Vegetarier, Tierversuchs- und Atomkraftgegner, Pazifist, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler. Er engagierte sich für die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells und ab 1938 in Österreich gegen die NS-Herrschaft. Udes teils radikale Ansichten und seine rhetorische Begabung führten zum Beinamen „Savonarola von Graz“.[1]
Johannes Ude kam als Sohn des Volksschullehrers Peter Ude und dessen Ehefrau Hedwig, geborene Bresnigg, zur Welt. Im Jahr 1876 zogen die Eltern mit ihren elf Kindern nach Sankt Margarethen bei Silberberg in der Steiermark. Dort absolvierte er drei Klassen am privaten Gymnasium des Benediktinerstifts Sankt Lambrecht und wechselte im Anschluss daran an das private fürstbischöfliche Knabenseminar in Graz. Seine Matura legte er 1894 am Oberrealgymnasium Lichtenfels in Graz ab.[2]
Bereits in seiner Kindheit, nicht zuletzt als Konviktist an der Klosterschule empfing Ude starke religiöse Impulse. Er wollte Priester werden und immatrikulierte sich nach der Reifeprüfung an der Gregoriana in Rom. Dort studierte er zunächst Philosophie, anschließend Theologie. Er wurde in beiden Fächern promoviert und empfing schließlich – ebenfalls in Rom – die Priesterweihe. Zusätzlich studierte er Naturwissenschaften und wurde 1907 zum dritten Mal promoviert. Anlässlich dieser Promotion kam es in Graz zu größeren Tumulten auf der Universität, denn Ude wurde es verwehrt, als Mitglied der K.Ö.H.V. Carolina Graz (damals im CV, ab 1933 im ÖCV) in Band und Mütze zu erscheinen. Bei seiner Auffahrt zur Universität zettelten Deutschnationale Burschenschafter eine Schlägerei an. Er beschwerte sich und erhielt daraufhin vom Rektor eine Rüge für sein „provozierendes“ Verhalten.
Bereits 1905 habilitierte er sich im Fachbereich Theologie mit einer Arbeit über die Spekulative Dogmatik. Nebenbei studierte Ude Wirtschaftswissenschaften (Promotion 1924), Kunstgeschichte und Medizin. 1927 kandidierte Ude mit der eigenen Liste Udeverband, Bund gegen Korruption für den österreichischen Nationalrat. Diese politische Tätigkeit wurde ihm allerdings von seinem Bischof untersagt.[3]
Von 1936 bis 1937 lehrte Ude an der Universität Graz. Sein Lehrauftrag wurde ihm von den kirchlichen Behörden entzogen. Udes anfängliche Sympathien für den Nationalsozialismus – hervorgerufen durch die antikapitalistischen Thesen der NS-Propaganda („Brechung der Zinsknechtschaft“) – verwandelte sich durch die Ereignisse der Reichspogromnacht in eine kompromisslose Gegnerschaft. Ude verfasste am 11. November 1938 einen eindeutigen und öffentlichen Protestbrief. Darin sprach er die grausamen Verbrechen der Nazis an den jüdischen Bürgern und Bürgerinnen offen an und bezog eine klare Stellung gegen den nationalsozialistischen Staat, ohne dabei auf die Gefahr, in die er sich damit brachte, Rücksicht zu nehmen; im Protestbrief heißt es unter anderem: „Ich verurteile die banditenartigen, im gesamten Deutschen Reich, wie es scheint, wohlorganisierten, in einer einzigen Nacht verübten Überfälle auf die jüdischen Synagogen, auf die jüdischen Zeremonienhallen und auf die jüdischen Geschäfte, die man in Brand gesteckt, zertrümmert und verunehrt hat.“[4] 1939 wurde er wegen des Briefes an Gauleiter Sigfried Uiberreither des Gaues verwiesen und in die Verbannung nach Grundlsee bei Bad Aussee geschickt. Es wird angenommen, dass Ude an der Ausseer Widerstandsbewegung aktiv beteiligt war. Während des Krieges schrieb er pazifistische und antimilitaristische Studien, die nach dem Krieg gesammelt und unter dem Titel Du sollst nicht töten (Udes wohl bekanntestes Buch) veröffentlicht wurden. Ude wurde 1944 verhaftet und wegen Wehrkraftzersetzung und „Feindbegünstigung“ angeklagt und zum Tode verurteilt. Der Todesstrafe entging er aufgrund Zusammenbruches des NS-Regimes 1945.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Ude eine umfangreiche Vortrags- und schriftstellerische Tätigkeit auf und setzte sich bis zu seinem Tode konsequent für die Ziele der pazifistischen Bewegung ein. Die Rückkehr an die Universität wurde ihm durch die kirchlichen Behörden verwehrt. Der Grund dafür waren seine politischen Einstellungen. 1951 kandidierte Johannes Ude für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten – allerdings mit sehr geringem Erfolg.[5]
Er wurde auch 26 Mal für den Friedensnobelpreis nominiert, erhielt ihn allerdings nie.[6]
Die Entwicklung seiner Tätigkeitsfelder beschrieb Ude folgendermaßen: „Zuerst bekämpfte ich den Alkoholismus und Nikotinismus, dann die Unsittlichkeit, vor allem die Reglementierung der Prostitution, beschäftigte mich mit der Genuss- und Warenerzeugungsfrage, setzte mich für den Vegetarismus ein, bekämpfte den Krieg und arbeitete für den Friedensgedanken, und stemmte mich mit aller Macht gegen die politische Verderbtheit und gegen den Kapitalismus.“
Sein seelsorgerliches Ziel war es zunächst, dem Menschen zu einem naturgemäßen Leben zu verhelfen und auf Veränderung des persönlichen Lebensstils hinzuwirken. Ude lebte konsequent – was er auch von anderen forderte. Er war überzeugter Nichtraucher, Vegetarier und Totalabstinzenzler. Im Vegetarismus sah Ude zunächst die Basis einer gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Gesundung sowie die Erfüllung christlicher Werte. Der Vegetarismus könne – angesichts seiner volkswirtschaftlichen Vorteile hinsichtlich Bodennutzung und der Arbeitskraft- und Zeitersparnis – einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung des Kapitalismus leisten. Je stärker er sich jedoch mit den Wirtschaftswissenschaften beschäftigte, um so deutlicher wurde ihm, dass die Ursache des Kapitalismus tiefer liegt und nicht durch Appelle zur Verhaltensänderung zu bekämpfen ist. Durch den Volapükisten Jakob Sprenger lernte er die Freiwirtschaftsbewegung kennen, die ihn durch ihre Freigeld- und Freilandtheorie für ihre Ziele gewinnen konnte. In seinen Schriften formulierte er unter anderem: „Wer also für die ausbeutungsfreie Wirtschaft einsteht, und dafür soll doch jeder Christ einstehen, der kommt nach unserer Überzeugung um das Freigeld nicht herum.“[7] An anderer Stelle schrieb Ude: „Die Freiwirtschaftslehre ist also gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell von geradezu grundlegender Bedeutung.“[8]
Udes Publikationseifer, mehr noch sein legendäres Redetalent, sorgten für erhebliches Aufsehen und einen beachtlichen Bekanntheitsgrad. Sein Engagement für einen sich stetig radikalisierenden Pazifismus und Antikapitalismus erregte zunehmend das Missfallen der Kirchenhierarchie, bis es schließlich zum Bruch kam.
1962 führte er Hans-Joachim Führer, einen Sohn Silvio Gesells, zum katholischen Glauben und taufte ihn.
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