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deutscher Schriftsteller und Publizist Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Jürgen Ploog (* 9. Januar 1935[1] in München; † 19. Mai 2020 in Frankfurt am Main[2]) war ein deutscher Schriftsteller und Publizist. Er studierte Gebrauchsgrafik und war 33 Jahre lang Linienpilot. Seit 1993 widmete er sich ausschließlich dem Schreiben.[3] Er lebte in Frankfurt und Florida.
Sein schriftstellerisches Werk umfasst an die 20 Monografien und über 50 kürzere Arbeiten, vorwiegend in den Organen der Underground-Presse publiziert, unter anderem in der politisch-satirischen Zeitschrift Der Metzger. Es steht ganz im Zeichen der von Brion Gysin „entdeckten“ und von William S. Burroughs weiterentwickelten Cut-up-Technik. Sie diente Ploog als adäquates Ausdrucksmittel für seinen Lebensrhythmus als Langstreckenpilot. Die konstanten Ortswechsel, das verschobene Zeitkontinuum, die Desorientierung und die ständigen Déjà-vus-Leben erzeugten dieses Cut-up-Gefühl.
Jürgen Ploogs Werk lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Die Frühphase um 1970 ist von stark fragmentierten Cut-ups geprägt, die sich in ihrer Sperrigkeit konventioneller Leserezeption deutlich verweigern. Die zweite Phase, ab Mitte der 70er Jahre, zeichnet sich durch formal gemäßigtere Arbeiten mit loser Episodenstruktur aus, mit der Ploog bis zuletzt experimentierte. In den 80er Jahren erschloss sich Ploog ein weiteres Schaffensfeld im Essay, in dem er sich im Wesentlichen mit Schreiben und Literatur beschäftigte. Zusammen mit Carl Weissner und Walter Hartmann war er Mitherausgeber der alternativen Literaturzeitschrift Gasolin 23.[4]
Herausragendes Beispiel für Ploogs erste Schaffensphase ist sein Debütroman, Cola-Hinterland, 1969 im Darmstädter Melzer Verlag erschienen. Die Cut-up-Methode wird hier konsequent angewendet. Resultat ist ein stark fragmentierter und offener Text, dessen kausal-chronologische Bezüge weitgehend aufgelöst sind. Skizzenhaft entsteht ein Universum, das Cola-Hinterland, dessen Bewohner durch die verschiedensten Kommunikationsmedien und -kanäle kontrolliert und manipuliert werden. Zwänge, oftmals sexueller Natur, in grotesk-obszönen Szenen exerziert, sind die Folge der medialen Überwachung. Der Text insgesamt wird als Logbuch einer Raumfahrerfigur präsentiert, die als Forschungsreisender durch fremde Welten driftet. Dieser Rahmen legt nahe, Cola-Hinterland auch als Aufzeichnungen einer inneren Reise zu verstehen. Sie hat das Ziel, Bewusstsein unter massenmedialem Bombardement auszuloten. Die Diagnose ist finster: Persönliche Freiheit erscheint unter den medialen Gegebenheiten kaum noch möglich.
Zu den weiteren Cut-up-Veröffentlichungen von Ploog zählen Die Fickmaschine (1970), Sternzeit 23 (1975) und RadarOrient (1976), in denen die in Cola-Hinterland angelegten Themen variiert werden.
In den späteren Texten von Ploog, wie Pacific Boulevard (1977), Nächte in Amnesien (1980) und Der Raumagent (1993), tritt das Cut-up-Verfahren zugunsten einer Episodenstruktur in den Hintergrund. Damit gestaltete Ploog individuelle Wirklichkeitserfahrung und -verarbeitung als fortrankende Wucherung aus Erinnerungen, Erlebnissen, Träumen und Phantasien zu privaten Logbüchern introspektiver Forschungsreisen. Die Episodenstruktur findet sich wieder in dem Episodenroman Undercover (2005).
Diese Bewusstseinserkundung setzte Ploog auf einer anderen Ebene in seinen Essays fort. Sie kreisen weitestgehend um Literatur und seine Tätigkeit als Schreiber, wie er sich selbst bezeichnete. So näherte sich Ploog in Strassen des Zufalls (1983) dem amerikanischen Schriftsteller William S. Burroughs, der immensen Einfluss auf sein Werk ausübte. In Rückkehr ins Coca & Cola Hinterland (1995) legte Ploog Rechenschaft über das eigene Schreiben ab, das er als Erkundungen eines „Raums hinter den Worten“ begriff. Dahinter standen Bemühungen um die Erweiterung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, denen er ausgehend von der Formel „Sprache=Bewusstsein“ auch eine Expansion der geistigen Fähigkeiten zuschrieb.
Ploogs Werk ist kultur- und literaturwissenschaftlich selten gewürdigt worden. Zu den Ausnahmen zählen Die Cut-up-Connection (Dokumentarfilm 1998) und Ploog – Tanker (Sammelband, herausgegeben von Florian Vetsch mit Texten von und über Jürgen Ploog 2005). Trotz dieser Bemühungen ist „Jürgen Ploog [...] im deutschsprachigen Literaturbetrieb immer der Fremde geblieben; einer allerdings dem anzunähern sich lohnt.“ (Arne Rautenberg: Im Hinterland der Worte. Jürgen Ploog – Deutschlands letzter Beatnik-Poet. In: Neue Zürcher Zeitung (16. Juli 2005))
Den grafischen Einfluss Ploogs auf seine Werke zeigt sich nicht nur in den früheren Veröffentlichungen von Gasolin 23, sondern auch später bei den Veröffentlichung von Undercover. Das Cover, das äußerlich mit dunkel-kühlen Blautönen an ein Krimipaperback erinnert ist letztlich als Kompromiss aus einem Streit zwischen Ploog und dem Verleger Thomas Seeliger entstanden. Die comicartig schwarzweißen Vignetten zu den Kapitelanfängen stammen von Ploog selbst.[1]
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