Als Italo-Keltisch bezeichnet die vergleichende Sprachwissenschaft die Hypothese einer erschlossenen gemeinsamen Vorstufe der italischen und keltischen Sprachen. Italo-keltisch gehört zum westlichen Zweig der indogermanischen Sprachen und wurde vermutlich in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christus im heutigen Süddeutschland, Böhmen und Österreich gesprochen. Grundlage der Rekonstruktion des Italo-Keltischen sind mehrere spezifische morphologische Gemeinsamkeiten der keltischen und italischen Sprachen, die kaum durch Entlehnung, aber organisch durch eine Phase der gemeinsamen Entwicklung zu erklären sind.
Diese Überlegungen gehen auf Carl Friedrich Lottner (1861)[1] und Alois Walde aus dem Jahre 1917 zurück „Über älteste sprachliche Beziehungen zwischen Kelten und Italikern“.
Diese Theorie sei nach Haarmann (2016)[2] nicht belegbar, er sieht im Keltischen eine Ausgliederung einer eigenständigen indoeuropäischen Sprachgruppe, die 2000 v. Chr. aus dem (hypothetischen) Proto-Indoeuropäisch (PIE) eingesetzt hatte.[3][4][5][6] Eine ähnliche Meinung vertritt Schmidt (1992).[7]
Dennoch gibt es auch eine Reihe zeitgenössischer Sprachwissenschaftler, nach deren Urteil die Hypothese weiterhin von Interesse ist, so etwa Watkins (1966)[8] oder Peter Schrijver.
- Die thematischen Genitive auf -ī (vgl. lat. dominus, Gen. dominī).
- Der ā-Konjunktiv. Sowohl Italisch als auch Keltisch haben einen Konjunktiv, der auf einen älteren Optativ mit -ā- zurückgeht, der in anderen indogermanischen Sprachen keine Parallele hat.
- Der Zusammenfall des indogermanischen Aorists und des indogermanischen Perfekts zu einer neuen, einfachen Vergangenheitsform.
- Die Superlativbildungen auf *-is°mo-.
- Die Assimilation von *p an nachfolgendes *kʷ, die offenkundig vor dem keltischen Verlust von *p geschehen ist:
- Idg. *penkʷe 'fünf' → lat. quinque; altirisch cóic.
- Idg. *perkʷu- 'Eiche' → lat. quercus; der goidelische Stammesname Querni.
- Idg. *pekʷ- 'kochen' → lat. coquere; walisisch poeth 'heiß' (das anlautende p- im Walisischen setzt protokeltisches *kʷ- voraus).
Weitere spezifische keltisch-italische Gemeinsamkeiten betreffen den Wortschatz, darunter einige Metallbezeichnungen (Gold, Silber, Zinn usw.). Diese lexikalischen Gemeinsamkeiten wären durch Nachbarschaft und Lehnworte durchaus erklärbar, kaum aber die o. g. grammatikalischen Übereinstimmungen.[9]
- Wolfram Euler, Konrad Badenheuer: Sprache und Herkunft der Germanen – Abriss des Protogermanischen vor der Ersten Lautverschiebung. Verlag Inspiration Unlimited, London/Hamburg 2009, ISBN 978-3-9812110-1-6, vgl. v. a. Kapitel 1.2.4.: Germanen, Kelten und Italiker.
- Norbert Oettinger: Zur Diskussion um den Lateinischen ā-Konjunktiv. Glotta (Vandenhoeck & Ruprecht), Göttingen (1984) 62: 187–201. ISSN 0017-1298.
- Schmidt, Karl Horst: Contributions from New Data to the Reconstruction of the Proto-Language. In: Edgar Polomé, Werner Winter (Hrsg.): Reconstructing Languages and Cultures. (1st ed.), Mouton de Gruyter, Berlin / New York, ISBN 3110126710, S. 35–62. OCLC 25009339.
- Calvert Watkins: Italo-Celtic Revisited. In: Henrik Birnbaum, Jaan Puhvel (Hrsg.): Ancient Indo-European dialects. University of California Press, Berkeley 1966, S. 29–50. OCLC 716409.
- Frederik H. H. Kortlandt: Italo-Celtic Origins and Prehistoric Development of the Irish Language. Leiden Studies in Indo-European Vol. 14, Rodopi 2007, ISBN 9789042021778.
- Karl Horst Schmidt: Zur Rekonstruktion des Keltischen: Festlandkeltisches und inselkeltisches Verbum. Zeitschrift für celtische Philologie 41 (1986), 159–179.
- Warren Cowgill: Italic and Celtic superlatives and the dialects of Indo-European. In: Indo-European and Indo-Europeans. Papers presented at the Third Indo-European conference, at the University of Pennsylvania [1966]. G. Cardona (Hrsg.), Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1970 (no. 8), S. 113–53.
- Hans Hablitzel, David Stifter (Hrsg.): Johann Kaspar Zeuß im kultur und sprachwissenschaftlichen Kontext (19. bis 21. Jahrhundert) Kronach 21.7.–23.7.2006. Präsens Verlag, Wien
- Peter Schrijver: Latin f ār, Welsh brys. Münchener Studien zur Sprachwissenschaft (1990) 51 (243-247).
- Peter Schrijver: Studies in British Celtic historical phonology. Rodopi, Amsterdam 1995
- Peter Schrijver: Studies in the history of Celtic pronouns and particles. : National University of Ireland, Maynooth 1997
- Peter Schrijver: Athematic i-presents: the Italic and Celtic evidence. Incontri Linguistici (2003), 26 (59-86)
Carl Friedrich Lottner: Celtisch-italisch. Beiträge zur vergleichenden Sprachforschung auf dem Gebiete der Arischen, Celtischen und Slawischen Sprachen 2 (1861), S. 309–321.
Harald Haarmann: Auf den Spuren der Indoeuropäer: Von den neolithischen Steppennomaden bis zu den frühen Hochkulturen. C.H.Beck, München 2016, ISBN 3-4066-8825-X
Harald Haarmann: Lexikon der untergegangenen Sprachen. C.H.Beck, München 2002, ISBN 3-4064-7596-5, S. 71
Leszek Bednarczuk: The Italo-Celtic Hypothesis from the Indo-European Point of View. In: Proceedings of the First North American Congress of Celtic Studies. Ottawa 1988, S. 179–189.
Karl-Horst Schmidt: Latein und Keltisch: Genetische Verwandtschaft und areale Beziehungen. In: O. Panagl, T. Krisch (Hrsg.): Latein und Indogermanisch. Innsbruck 1992, S. 29–51.
Calvert Watkins: Italo-Celtic Revisited. In: Henrik Birnbaum, Jaan Puhvel (Hrsg.): Ancient Indo-European dialects. University of California Press, Berkeley 1966, S. 29–50. OCLC 716409.
Wolfram Euler, Konrad Badenheuer: Sprache und Herkunft der Germanen - Abriss des Protogermanischen vor der Ersten Lautverschiebung. Verlag Inspiration Unlimited, London / Hamburg 2009, ISBN 978-3-9812110-1-6, S. 24–26.