Daumier ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter Daumier (Begriffsklärung) aufgeführt.
Seit 1831/32 fertigte Daumier Lithografien für die satirischen Zeitschriften La Caricature und Le Charivari. Als Vorlagen für Zeichnungen bekannter Zeitgenossen wie Politiker oder Journalisten, die in La Caricature erschienen, modellierte er eine Vielzahl von kleinen Porträtplastiken. Für seine überspitzte satirische Bezeichnung des Königs Louis Philippe als Gargantua –ein unersättlicher Fresser und Säufer (Romanfigur von François Rabelais)– wurde er im Jahr 1832 zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Weniger bekannt wurde Daumiers Malerei, in der er sich auch literarischen Themen und der sozialkritisch motivierten Darstellung des einfachen Volks zuwandte. Etwa ab 1848 hielt er engen Kontakt zur realistischen Schule von Barbizon. Im Alter erblindet, starb er verarmt. 1880 wurde sein Leichnam nach Paris überführt und auf dem Friedhof Père-Lachaise feierlich bestattet.
Typisch für Daumiers Malerei ist ein starker Hell-Dunkel-Kontrast und die Verwendung einer deutlich betonten zeichnerischen Umrisslinie. Der Umfang seines grafischen Werks umfasst mehr als 4000 Lithografien und über 1000 Holzschnitte. In der charakteristischen Zeichnung lächerlicher und tragischer Persönlichkeitsprofile erreichen seine Karikaturen überzeitliche Allgemeingültigkeit.
Daumier machte sich zuerst einen Namen durch die von ihm in Le Charivari erschienene Serie „Robert Macaire“. Seine Darstellungen haben die possierlichen und lächerlichen Szenen und Vorfälle des Tags, Albernheiten an merkwürdigen Leuten, die Kehrseiten von großen Dingen, Modetorheiten zum Gegenstand. Die komische Seite des gemeinen Spießbürgerlebens und das Lächerliche der individuellen Natur wusste Daumier scharf und kräftig, ja sogar oft brutal darzustellen (z.B. in der Figur des Ratapoil). Bemerkenswert sind in dieser Beziehung: „Les Bons bourgeois“, „Pastorales“, „Locataires et propriétaires“, „Les papas“, „Les beaux jours de la vie“ und seine „Représentants représentés“, eine Sammlung Karikaturporträts von etwa 100 Repräsentanten der Konstituante und Legislative, sowie auch seine „Idylles parlementaires“, Meisterstücke des politisch-satirischen Witzes, die an die beste Zeit der griechischen Komödie erinnern. Die beiden letzteren sind Früchte der 1848er-Revolution.
Daumiers Karikaturen beschäftigen sich auch mit dem Zusammenhang von Bürgertum und Antike: Während in Frankreich der Klassizismus seit Ludwig XIV. ein kulturelles Herrschaftsprogramm war, wurde er nach der Französischen Revolution zunächst von den Revolutionsführern, dann aber von den eigentlichen Gewinnern der Revolution, dem Bürgertum, genutzt. Diese Vereinnahmung der antiken Ikonografie durch die Bourgeoisie macht Daumier lächerlich: Er zieht dem Kleinbürgertum die falschen Masken ab und zeigt sie in erbärmlichen Alltagsszenen. So erstellt er eine „Mythologie des Alltags“ in kleinen Studien der Physiognomie und des Charakters seiner Mitmenschen. In seiner Karikatur Das Lächeln der Auguren knüpft er an einen Ausspruch Catos an, der meinte, die Auguren müssten lächeln, wenn sie sich begegnen, da sie zu viel wüssten. Daumier hierzu: Die Industriebarone wissen ebenso viel – aber sie lächeln nicht, wenn sie sich begegnen.
Zwei Weltkriege bewirkten, dass eine große Zahl von Daumiers Gemälden verloren gingen oder gestohlen wurden.[1]
Seit April 2011 existiert das Daumier-Register, ein Internet-Zugang zu allen bekannten Ölgemälden, Zeichnungen, Lithographien, Holzschnitten und Skulpturen von Daumier mit in die Tiefe gehenden Forschungsergebnissen, Provenienzangaben, Ausstellungen, Publikationen und zahlreichen Suchfunktionen.[2]
36 erhaltene Prominentenporträts (Terrakottabüsten – 1832/35, Musée d’Orsay, Paris)[3] Von den insgesamt 40 Terrakottabüsten sind nicht alle erhalten geblieben.
Grafik/Karikaturen von Daumier zu verschiedenen Themen sind im Daumier Register[2] zu finden, z.B. für die Themen „Tiere“,[K 1] „Sport“,[K 2] „Musik“,[K 3] „Frühling“,[K 4] „Karneval, Masken, Kostüme“,[K 5] „Jagd“,[K 6] „Feiern und Feste“,[K 7] „Theater“,[K 8] „Wein“,[K 9] „Schule“,[K 10] „Sommer“,[K 11] „Juristen“,[K 12] „Schiffe, Boote“,[K 13] „Bücher, Zeitungen“.[K 14]
2024: Städel Museum, Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig[4] (Ausstellung anlässlich einer Schenkung an den Städelverein)[5]
Robert Jordan: Modelle – Masken – Menschen. Biographischer Roman über Honoré Daumier. Petermänken-Verlag, Schwerin 1956
H. Schwarz: Daumier, Gill et Nadar. In: Gazette des Beaux-Arts. Jg. 99, XLIX, 1957, S. 89ff.
Jean Cherpin: Autour de la première exposition des peintures de Daumier. In: Gazette des Beaux-Arts. Jg. 100, LI, 1958, S. 329ff.
(Cillie) Cäcilia Rentmeister: Honoré Daumier und das Häßliche Geschlecht. Frauenbewegung in der Karikatur des 19. Jahrhunderts. In: Honoré Daumier und die ungelösten Probleme der bürgerlichen Gesellschaft. Berlin 1974 (s.o.). cillie-rentmeister.de
Honoré Daumier und die ungelösten Probleme der bürgerlichen Gesellschaft. Katalog der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), Berlin 1974, Stuttgart (Württembergischer Kunstverein) 1975, Graz/Österreich (Kulturhaus) 1977
Rudolf Pillep: Honoré Daumier. Verlag der Kunst, Dresden 1979
Henri Mondor, Adhémar: Mediziner im Werk von Daumier. Genf 1981
Matthias Recke (Hrsg.): Katalog zur Ausstellung „Wahre Helden? – Daumier und die Antike“. AKAMAS 1, Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-8028-7
Michael Brunner et al. (Hrsg.): Géricault, Delacroix, Daumier und Zeitgenossen. Französische Lithographien und Zeichnungen. bearb. von Karin Althaus, Michael Mohr und Götz J. Pfeiffer, Imhof-Verlag, Petersberg 2009, ISBN 978-3-86568-403-5
Roger Münch, Matthias Winzen (Hrsg.): Daumier und sein Paris. Kunst und Technik einer Metropole. In Zusammenarbeit mit der Honoré Daumier-Gesellschaft. Kehrer Verlag, Heidelberg/Berlin 2010, ISBN 978-3-86828-180-4