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Hausbesetzungen in Hamburg

Hauptmotivation der Erhalt von Gebäuden Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hausbesetzungen in Hamburg
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Hausbesetzungen in Hamburg finden seit Anfang der 1970er-Jahre in unterschiedlicher Form und aus verschiedenen Beweggründen statt. Wie in anderen Städten auch ist die Hauptmotivation der Erhalt von Gebäuden und bezahlbarem Wohnraum und die Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen, Kultur- und Stadtteilzentren. Besetzungen richten sich oft gegen die Stadtplanungs- und Sanierungspolitik der Stadt Hamburg, die in diesem Zusammenhang gerne, nach Alfred Lichtwark, als Freie und Abrissstadt bezeichnet wird[1], teilweise aber auch direkt gegen Hauseigentümer, wenn gekündigte und von Räumung bedrohte Mieter die Häuser nicht verlassen.[2]

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Besetzung des ehemaligen Finanzamts Altona am 23. April 2011
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Entwicklung

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Eine der ersten Besetzungen, die große öffentliche Aufmerksamkeit erregte, fand im April und Mai 1973 in Hohenfelde in der Ekhofstraße statt. Dort wollten etwa zweihundert zumeist junge Menschen in einem von Abbruch bedrohten Sanierungsgebiet ein leerstehendes Haus als Studenten-, Lehrlings- und Gastarbeiterwohnhaus sowohl zum Wohnen wie als Begegnungszentrum einrichten. Das Haus wurde nach fünf Wochen der Besetzung von einem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Hansestadt geräumt.[3] Gegen die Hausbesetzer wurde anschließend ein umfangreiches juristisches Verfahren eingeleitet, das in drei Fällen zu Freiheitsstrafen von 12, 14 und 16 Monaten führte.[4] Einige der Hausbesetzer (Susanne Albrecht, Wolfgang Beer, Karl-Heinz Dellwo, Bernd Rössner und drei weitere) schlossen sich später terroristischen Gruppen wie der Bewegung 2. Juni und der RAF an und waren an Terroranschlägen beteiligt, bei denen auch Menschen ermordet wurden.

Andere Besetzungen der 1970er-Jahre sind durch Mieterkämpfe entstanden. Die Bewohner des Hauses Haynstraße 1–3 in Eppendorf werden oft als die ältesten Hausbesetzer in Hamburg bezeichnet, sie schlossen sich bereits 1970 zusammen, um eine drohende Räumung zu verhindern. Dies gelang den fünfzig Mietern nur deshalb, weil sie sich trotz unterschiedlichster politischer Vorstellungen, die das gesamte linke Spektrum abdeckten, in einer Art rätedemokratischem Modell organisierten.[5] Auf diese Weise gelang es der „Mieterinitiative Haynstraße“ schließlich 1975/1976, sich mit einem Gemeinschaftsmietvertrag derart abzusichern, dass jedem Kündigungsbegehren seitens der Eigentümer Paroli geboten werden konnte und weiterhin kann.[6] Darüber hinaus wurde ein Ratgeber für Betroffene erarbeitet und 1976 im Selbstverlag publiziert, bevor das Werk in einem regulären Verlag herauskam und zu einem Bestseller wurde.[7] Inzwischen hat sich allerdings ein Großteil der einstigen Mietkämpfer der Hausgemeinschaft Haynstraße längst in Eigentümer der dortigen Wohnungen verwandelt.

Zu einer Hochphase von Hausbesetzungen kam es in den 1980er-Jahren, die allerdings oft nur ein kurzes politisches Aufflackern darstellten. In den meisten Fällen stellten die Eigentümer, staatliche wie private, Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs und die besetzten Häuser wurden umgehend geräumt. In dieser Zeit prägte der Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk eine sogenannte „24-Stunden-Doktrin“ (Pawelczyk-Doktrin): Um „Berliner Verhältnisse“ zu verhindern, sollte jedes besetzte Haus in Hamburg innerhalb von 24 Stunden geräumt werden. Über Hamburg hinaus bekannt wurden die Besetzungen der Hafenstraße ab 1981, die seit 1995 als Wohnprojekt legalisiert ist, und die Besetzung der Roten Flora als autonomes Stadtteilzentrum seit 1989. Ab Ende der 1980er-Jahre gingen die Akteure der Hausbesetzerbewegung mehr und mehr dazu über, sich in oftmals öffentlich geförderten Wohnprojekten zu organisieren. Mit Hilfe der Unterstützung alternativer Sanierungsträger wie der Stattbau Stadtentwicklungsgesellschaft mbH oder der Lawaetz-Stiftung wurden über leerstehende Häuser von Wohngruppen Verhandlungen mit der Stadt geführt und nach zustandegekommenem Vertrag in teilweiser Eigenleistung saniert.[8] Hausbesetzungen gingen in Hamburg daraufhin zurück.

Seit 2009 kommt es im Zuge der Debatte um die Gentrifizierung, vor dem Hintergrund einer Wohnungsnot durch das Fehlen preiswerten Wohnraums, bei gleichzeitig verstärkt auftretendem Wohnungsleerstand, erneut zu öffentlich beachteten Hausbesetzungen. Hervorgehobenes Beispiel hierfür ist die erfolgreiche Besetzung des Gängeviertels.[9]

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Liste der Hausbesetzungen

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Die folgende Liste der Hausbesetzungen in Hamburg zählt öffentlich bekannt gewordene Hausbesetzungen seit den 1970er-Jahren in der Stadt Hamburg wie in seinem direkten Umland in chronologischer Reihenfolge auf. Dabei handelt es sich um politische Aktionen mit verschiedenen Ausgangsbasen, unterschiedlichen Zielsetzungen, Zeiträumen, Bedeutungen und Wirkungen. Einbezogen sind sowohl sogenannte Instandbesetzungen leerstehender Häuser zum Erhalt von Wohnraum, zur Schaffung öffentlicher Räume oder zur Verhinderung stadtpolitischer Umstrukturierungsmaßnahmen, wie auch Mieterkämpfe, in deren Verlauf die Mieter gegen den Willen der Eigentümer ein Haus nicht räumten.

Weitere Informationen Haus, Stadtteil / Ort ...
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Andere Besetzungen

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Eine alternative Wohnform mit politischer und sozialer Nähe zu der Hausbesetzerbewegung sind die Wagenplätze, in der Wohnsiedlungen zumeist aus mobilen Bauwagen geschaffen wurden. Diese entstanden oftmals auf Brachgeländen innerhalb der Stadt oder in unmittelbarer Nähe besetzter oder ehemals besetzter Häuser. Es gab zeitweise auch Wagenplätze, die sich als konkrete Initiativen in politischen Auseinandersetzungen verstanden; so besetzten ab 1979 mehrfach Bauwagenbewohner Plätze im ehemaligen Fischerdorf Altenwerder, das zu Hafenerweiterungszwecken entsiedelt wurde.[51]

Obwohl das Wohnen in mobilen Heimen nach dem Hamburger Wohnwagengesetz grundsätzlich verboten ist, wurde und wird diese Wohnform teilweise geduldet. Zu einer öffentlich spektakulären Räumung kam es im November 2002, als der Wagenplatz Bambule im Karolinenviertel aufgelöst wurde.[Anm. 3]

Langzeitige Besetzungen als politische Protestform gingen auch in Hamburg über Hausbesetzungen hinaus. So waren wochenlange Kirchenbesetzungen Mittel von Atomkraftgegnern, um auf ihren Protest aufmerksam zu machen, oder auch Mittel der Schaffung von öffentlicher Aufmerksamkeit und Zuflucht für abschiebungsbedrohte Migranten.[52] Platzbesetzungen richteten sich gegen Bauvorhaben, so zum Beispiel 1991 die Besetzung des Flora-Parks, mit der eine Randbebauung zugunsten eines Stadtteilparks verhindert werden sollte.

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Altonaer Zeitzeichen vom 24. April 2010: Erinnerung an die erfolgreiche Baumbesetzung im Gählerpark

Im Winter 2009 / 2010 kam es im Gählerpark, heute Emil-Wendt-Park, in Altona-Altstadt zu einer Baumbesetzung. Eine Anwohnerinitiative, unterstützt von Robin Wood, errichtete mehrere Baumhäuser und bewohnte diese über drei Monate bzw. 105 Tage von Anfang Dezember 2009 bis zum März 2010. Sie protestierten damit erfolgreich gegen die von Vattenfall Europe geplanten Fällungen von rund 400 Bäumen für den Bau der sogenannten Moorburgtrasse, einer Fernwärmeleitung vom im Bau befindlichen Kohlekraftwerk Moorburg in die Stadt. Die Baumaßnahme wurde letztlich durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes gestoppt.[53]

Am 25. Oktober 2013 wurde im Zuge der Lampedusa-in-Hamburg-Proteste ein eingerüsteter Schornstein in der Bleicherstraße 14 besetzt. Die Besetzer rollten Transparente mit der Aufschrift Kein Mensch ist illegal aus und machten in einem Redebeitrag auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam. Die Besetzung dauerte zwei Tage und wurde am 27. Oktober 2013 von den Besetzern selbst beendet.[54]

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Literatur

  • Almut Gross, Thomas Schultze: Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der Autonomen, Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1997, ISBN 3-89458-154-9
  • Michael Hermann u. a.: Hafenstraße. Chronik und Analysen eines Konfliktes, Verlag am Galgenberg, Hamburg 1987, ISBN 3-925387-34-X
  • Projektgruppe Wohnen im Stadtteil: Der Schulterblatt. Ein Viertel verändert sich. Hamburg 1982
  • Werner Skrentny (Hrsg.): Zu Fuß durch Hamburg. 20 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart, Hamburg 2001, ISBN 3-434-52590-4
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Anmerkungen

  1. Die Stadt Ahrensburg gehört zu Schleswig-Holstein, als Vorort von Hamburg kann die Gemeinde im Kontext gerade dieser Hausbesetzung im kulturpolitischen Einflussbereich der Hansestadt gesehen werden.
  2. Die Besetzung des Hauses in der Lobuschstraße 1989 bildet den Ausgangspunkt des Kriminalromans Freitags isst man Fisch von Bohnet Pleitgen, siehe Reinhard Jahn in Focus online, ‘‘Ich weiß, was du 1989 getan hast‘‘, 27. Oktober 2009, abgerufen am 12. Juli 2013
  3. Der unter der Regie von Skrollan Alwert im Rahmen einer Arbeit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg produzierte und vielfach beachtete Dokumentarfilm Schillernde Zeiten schildert eindringlich die gesellschaftspolitischen Ereignisse rund um den Bauwagenplatz Bambule im Karoviertel in Hamburg, die mit Räumung des Geländes am 4. November 2002 ihren Höhepunkt fanden, siehe Schillernde Zeiten – Ein Film über Bauwagen, Bambule, Senat und Meinungen, abgerufen am 12. Juli 2013
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Einzelnachweise

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