Gabelentz lernte am Friedrichsgymnasium in Altenburg Niederländisch, Italienisch und Chinesisch. Ab 1860 studierte er an der Universität Jena Rechtswissenschaft und Kameralistik. Noch im selben Jahr wurde er im Corps Franconia Jenarecipiert.[2] Nach dem Abschluss seines Studiums trat er 1864 in Dresden als Verwaltungsjurist in den sächsischen Staatsdienst. Gleichzeitig setzte er seine Studien des Chinesischen, Japanischen und Mandschurischen in Leipzig fort. 1872 heiratete er Alexandra von Rothkirch. 1876 promovierte er an der Universität Leipzig mit einer Übersetzung des philosophischen Textes Taiji Tu (von Gabelentz mit „Thai-kih-thu“ transkribiert und als „Tafel des Urprinzipes“ übersetzt) des Neukonfuzianers Zhou Dunyi („Tscheu-tsi“) aus dem 11. Jahrhundert nebst Kommentaren von Zhu Xi (12. Jahrhundert) aus dem Chinesischen. Am 1.Juli 1878 wurde auf seine Anregung eine außerordentliche Professur für ostasiatische Sprachen in Leipzig eingerichtet; diese Stelle bekleidete er selbst. Es war der erste akademische Posten im deutschen Sprachraum, der spezifisch dem Chinesischen und Japanischen gewidmet war.
Gabelentz befasste sich außerdem mit dem Mandschurischen, Mongolischen, Tibetischen und Malaiischen, doch als sein Hauptwerk gilt seine Grammatik des klassischen Chinesisch, die 1881 erschien. Sie wurde etwa von dem Sinologen Friedrich Hirth sehr gelobt.[3] Die Grammatik wurde 1953 unverändert neu aufgelegt und erlebte seitdem mehrere Auflagen.
Gabelentz gab 1884–1889 mit Friedrich Techmer (1843–1891) die Internationale Zeitschrift für Allgemeine Sprachwissenschaft heraus.
1889 wurde die Ehe von Georg von der Gabelentz geschieden. Er wurde als ordentlicher Professor für ostasiatische Sprachen und allgemeine Sprachwissenschaft an die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin berufen und am 27. Juni 1889 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1891 heiratete er Gertrud verw. von Adelebsen, geborene Freiin von Oldershausen[1]. Im selben Jahr erscheint ein weiteres wichtiges Werk, Die Sprachwissenschaft, in dem er die Theorie des Zyklischen Sprachwandels sowie die Ziele und Aufgaben der Sprachwissenschaft darstellt. Manchmal wird auch behauptet, so etwa von Eugenio Coseriu, Gabelentz habe Ferdinand de Saussures Unterscheidung von langage, langue und parole und weitere bei Saussure vorkommende Begriffe vorweggenommen.[4] Mit einem Buch über die genetische Klassifikation der austronesischen Sprachen führt er das Werk seines Vaters fort. Postum erschien eine sehr modern anmutende Skizze eines Forschungsprogramms der Sprachtypologie (Gabelentz 1894), die spätere Entwicklungen der Quantitativen Linguistik vorwegnahm.
1860, Spuren eines ausgebildeten Conjugationssystems im Dayak. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, 14, S. 547ff.
1861, Über das Passivum. Eine sprachvergleichende Abhandlung. Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.3. (1861), S.449–546.
1869, Ideen zu einer vergleichenden Syntax. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 6.
1875, Weiteres zur vergleichenden Syntax. In: ZDMG 8.
1876, Thai-kih-thu, des Tscheu-tsi Tafel des Urprinzipes, mit Tschu-hi's Commentare nach dem Hoh-pih-sing-li. Chinesisch mit mandschuischer und deutscher Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen. (Dissertation Dresden).
1878, Beitrag zur Geschichte der chinesischen Grammatiken und zur Lehre von der grammatischen Behandlung der chinesischen Sprache. In: ZDMG 32, S. 601ff.
1878, Ein Probestück vom chinesischen Parallelismus. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 10.
1879, Kin Ping Mei, les aventures galantes d'un épicier. Roman réaliste, trad. du Mandchou. Rev. orient. et américaine (Paris) (pub. par León de Rosny).
1880, Zur chinesischen Philosophie. In: Wissenschaftliche Beilage der Allgemeinen Zeitung, Nr. 92.
1881, Chinesische Grammatik, mit Ausschluss des niederen Stils und der heutigen Umgangssprache. Leipzig: Weigel. Reprograph. Nachdruck: Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1953.; 4., unveränd. Aufl. Halle (Saale): Niemeyer, 1960.
1881, Die ostasiatischen Studien und die Sprachwissenschaft (Leipziger Antrittsrede). In: Unsere Zeit: dt. Revue d. Gegenwart; Monatsschr. zum Conversationslexikon. Leipzig: Brockhaus 1881. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
1881, Sur la possibilité de prouver l'existence d'une affinité généalogique entre les langues dites indochinoises. In: Atti del 4. Congresso Internazionale degli Orientalisti 1878 / International Congress of Orientalists 4, 1878. Firenze 1878 vol. II, S. 283–295. Reprint Nendeln: Kraus, 19XX.
1882, On a new Chinese grammar. In: Abhandlungen des 5. Internationalen Orientalisten-Congresses, gehalten zu Berlin im September 1881. Berlin 1882, Band II, 2 1882, S. [81]–86.
1882 (mit Adolf Bernhard Meyer): Beiträge zur Kenntnis der melanesischen, mikronesischen und papuanischen Sprachen, ein erster Nachtr. zu Hans Conon's von der Gabelentz Werke „Die melanesischen Sprachen“. In: Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Leipzig, Bd. 8, Nr. 4.
1883, Einiges über das Verhältnis des Mafoor zum Malayischen. In: Bijdragen tot de taal-, land- en volkenkunde. Koninklijk Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie. Leiden.
1883, Anfangsgründe der chinesischen Grammatik mit Uebungsstücken. Leipzig: Weigel, 1883.
1884, Über Sprache und Schriftthum der Chinesen. In: Unsere Zeit: dt. Revue d. Gegenwart; Monatsschr. zum Conversationslexikon. Leipzig: Brockhaus 1884.
1884, Zur grammatischen Beurteilung des Chinesischen. In: Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft (hrsg. v. F. Techmer) 1, S. 272–280.
1885, Einiges über die Sprachen der Nicobaren-Insulaner. In: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 37, 9, S. 296–307.
1885, Kolarische Sprachen. In: Ersch und Grubers Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste 1885, II. Serie, Bd. 84, S. 104–108.
1885, Kuki. Volk und Sprache. In: Ersch und Grubers Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste 1885, II. Serie, Bd. 38.
1885, Kunama-Sprache. In: Ersch und Grubers Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste 1885, II. Serie, Bd. 38.
1885, Zur Lehre von der Transkription. In: Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft (hrsg. v. F. Techmer), 2, S. 252–257. Bericht d. Kgl. Sächs. Gesellschaft d. Wissenschaften, philol.-hist. Classe., Sitzung am 11. Dec. 1886.
1886, Some additions to my Chinese grammar. In: Journal of the China Branch of the Royal Asiatic Society (Shanghai) N. S. 20.
1944 Erwin von Zach: Zum Ausbau der Gabelentzschen Grammatik nebst von der Gabelentz' eigenen „Additions“. Hrsg. vom Deutschland-Inst. Beijing, 1944.
1887, Das taoistische Werk Wên-tsi. In: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 39,14.
1887, Zur chinesischen Sprache und zur allgemeinen Grammatik. In: Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft (hrsg. v. F. Techmer) 3, S. 93–109.
1888, Beiträge zur chinesischen Grammatik. Die Sprache des Čuang-Tsï. In: Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 10, 8; S. 582–638.
1888, Confuzius und seine Lehre. (Leipzig).
1888, Über den chinesischen Philosophen Mek Tik. In: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 40, 3, S. 62–70.
1888, (August Friedrich) Pott. In: Allgemeine Deutsche Biographie 1888, 26, S. 478–485. Abgedr. in: Thomas A. Sebeok, (Hrsg.): Portraits of linguists. A biographical source book for the history of Western linguistics 1746–1963. 1966. 2 Bde., S. 251–261.
1889, Der Räuber Tschik, ein satirischer Abschnitt aus Tschuang-tsi. In: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 41, 4, Seiten 55–69.
1889, Stoff und Form in der Sprache. In: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 41,8, Seiten 185–216.
1890, [Antrittsrede Berlin]. In: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 34.
1901, Die Sprachwissenschaft. Ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Leipzig: Weigel Nachf., 2. Aufl.; 1.: 1891. Nachdruck: Tübingen, Narr, 1972 (TBL, 1).
1892, Handbuch zur Aufnahme fremder Sprachen. Berlin: E. S. Mittler & Sohn, 1892.
1892, Zur Beurteilung des koreanischen Schrift- und Lautwesens. In: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
1893, Die Lehre vom vergleichenden Adverbialis im Altchinesischen. In: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
1894, Die Verwandtschaft des Baskischen mit den Berbersprachen Nord-Afrikas nachgewiesen von Georg von der Gabelentz. Hrsg. nach d. hinterlassenen Manuskript durch Dr. A. C. Graf von der Schulenburg. Braunschweig: Sattler, 1894.
1894, Hypologie [=Typologie] der Sprachen. Eine neue Aufgabe der Linguistik. In: Indogermanische Forschungen 4, 1–7.
Karl-Heinz Best: Georg von der Gabelentz (1840-1893). In: Glottometrics. H. 9, 2005, S. 77–79 (PDF Volltext). (Wiederabdruck in: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Studien zur Geschichte der Quantitativen Linguistik. Band 1. RAM-Verlag, Lüdenscheid 2015, Seite 62–64, ISBN 978-3-942303-30-9.)
Eduard Erkes: Georg von der Gabelentz. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe. 3. Jg. (1953/54), H. 4, S. 385–392.
Eduard Erkes: Georg von der Gabelentz und August Conrady. In: Ernst Engelberg (Hrsg.): Karl-Marx-Universität Leipzig 1409–1959. Beiträge zur Universitätsgeschichte. Bd. 1, Leipzig 1959, S. 439–464.
Martin Gimm: Georg von der Gabelentz zum Gedenken. Materialien zu Leben und Werk (= Sinologica Coloniensia. Bd. 32). Harrassowitz, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-447-06979-3.
Klaus Kaden: Die Berufung Georg von der Gabelentz' an die Berliner Universität. In: Ralf Moritz (Hrsg.): Sinologische Traditionen im Spiegel neuer Forschungen. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 1993, S. 57–90.
Henning Klöter, Xuetao Li. (Hrsg.): Von Lindenblättern und verderbten Dialekten. Neue Studien zu Georg von der Gabelentz (1840–1893). Harrassowitz, Wiesbaden 2020 (Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität, Bochum; 70), ISBN 978-3-447-11524-7.
Christina Leibfried. Sinologie an der Universität Leipzig. Entstehung und Wirken des Ostasiatischen Seminars 1878 bis 1947 (= Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Reihe B, Bd. 1). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2003, S. 25–50.
Eberhardt Richter, Manfred Reichardt (Hrsg.): Hans Georg Conon von der Gabelentz. Erbe und Verpflichtung (= Linguistische Studien. Reihe A: Arbeitsberichte, Bd. 53). Berlin 1979.
Gustav Schlegel: Hans Georg Conon von der Gabelentz. In: T'oung Pao. Bd. 5 (1894), S. 75–78.
Manfred Taube: Georg von der Gabelentz und seine Zeit. In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Bd. 34, Berlin 1982, S. 16–36.
"Of all the Chinese grammars so far published this is the most perfect, in as much as it unites with the fulness of Prémare’s work the scholarly clearness of Schott’s 'Chinesische Sprachlehre'.", in: Journal of the North-China Branch of the Royal Asiatic Society, New Series, Bd.XVII, TeilI, S.237.
Eugenio Coseriu: Georg von der Gabelentz et la linguistique synchronique. In: Word 23 (1967), S.74–100; siehe die Kritik an Coserius Ausführungen bei E. F. K. Koerner: Animadversions on some recent claims regarding the relationship between Georg von der Gabelentz and Ferdinand de Saussure. In: Studi Saussuriani per Robert Godel, ed. René Amacker et al., II Mulino, Bologna, 1974, S.165–180.
Gabelentz, Hans Georg Conon von der; Gabelentz, Georg; Gabelentz, Hans Georg von der; Gabelentz, Hans von der; Gabelentz, Georg H. von der; Gabelentz, Hans Georg Conow von der (Sterbeurkunde)