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Entführung von Personen aus Israel in den Gazastreifen durch palästinensische Terroristen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Während des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden 239 Geiseln in den Gazastreifen entführt. Die Geiseln waren mehrheitlich israelische Zivilisten, es befinden sich aber auch israelische Soldaten und ausländische Staatsangehörige unter ihnen; teilweise haben die Betroffenen eine doppelte Staatsbürgerschaft.
Der Umgang mit entführten Staatsbürgern ist in Israel umstritten: Der Fall des entführten Soldaten Gilad Schalit gilt als Blaupause für den Umgang mit entführten Staatsbürgern. Nach Schalits Entführung im Jahr 2006 und seiner fünfjährigen Gefangenschaft im Gazastreifen stimmte Israel einem Austausch zu, bei dem über tausend palästinensische Häftlinge freigelassen wurden. Dies signalisierte das bis dahin unbedingte Bemühen um den Schutz israelischen Lebens. Es gibt Bedenken, dass dieser Ansatz die Regierung erpressbar gemacht hat. Außerdem nahmen einige der freigelassenen Palästinenser später Schlüsselrollen in der Hamas ein, darunter auch Yahya Sinwar, der die Hamas im Gazastreifen leitete.[1]
Nach Angaben der israelischen Regierung wurden etwa 240 Geiseln genommen, von denen 138 einen ausländischen Pass besaßen. Unter den ausländischen Geiseln befanden sich zwölf deutsche Staatsbürger. Angehörige deutscher Geiseln sprachen bei einer Protestaktion in Tel Aviv von 14 Personen. Des Weiteren sind 54 Thailänder betroffen, die als Arbeiter auf israelischen Feldern in der Region um den Gazastreifen tätig waren.[2] Die Liste der ausländischen Geiseln umfasste auch 15 Argentinier, zwölf US-Bürger, sechs Franzosen und sechs Russen. In vielen Fällen wurde angenommen, dass diese Personen zusätzlich zur ausländischen Staatsbürgerschaft auch die israelische Staatsbürgerschaft besitzen.[3] Die Hamas ist nicht die einzige Organisation, die während des Angriffs auf Israel Geiseln nahm. Der Islamische Dschihad in Palästina gab etwa an, mehr als 30 Personen in seiner Gewalt zu haben.[1][4]
Zahlreiche internationale Regierungen bemühten sich in Krisengesprächen um die Freilassung der Geiseln. Der Nationale Sicherheitsberater der USA Jake Sullivan erklärte vor Reportern, dass die genaue Anzahl und der Zustand der amerikanischen Geiseln in der Gewalt der Hamas unbekannt sei. Es gab mehr als 20 vermisste amerikanische Staatsbürger in Israel, von denen jedoch unklar war, wie viele von ihnen von der Hamas festgehalten wurden.[5][6]
Nach Angaben des israelischen Militärs am 30. Oktober 2023 wurden 239 Familien darüber informiert, dass ihre Angehörigen in den Gazastreifen verschleppt worden waren.[7]
Die verstärkte Berichterstattung über geschlechtsspezifische Gewalt während des Terrorangriffs der Hamas weckte Besorgnis um die Sicherheit von Frauen, die sich noch in der Gewalt der Terrororganisation befinden. Laut dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant gehörten dazu bis zum 5. Dezember 2023 15 Frauen und zwei Kinder.[8]
Die jüngste Geisel der Hamas ist Kfir Bibas aus dem Kibbuz Nir Oz. Der Junge hatte am 18. Januar 2024 seinen ersten Geburtstag. Seine Eltern und sein vier Jahre alter Bruder Ariel wurden ebenfalls entführt. Er wurde für viele Israelis zum Symbol „für die Hilflosigkeit und den Zorn“ darüber, nichts für die von der Hamas Entführten tun zu können.[9]
Das Vorgehen bei der Suche des israelischen Militärs nach den vermissten Geiseln gilt international als umstritten, da dabei auch Angriffe auf humanitäre Einrichtungen wie Krankenhäuser stattfanden, in denen Terroristenstützpunkte vermutet wurden. Der Einsatz im Bereich des Al-Shifa-Krankenhauses ergab, wie der israelischen Armeesprecher Hagari berichtete, dass das Krankenhaus gegen das Völkerrecht verstoßen habe, indem es für militärische und terroristische Zwecke genutzt worden sei. Die darauf folgende Erstürmung des Krankenhauses hatte international teilweise starke Kritik hervorgerufen.[10]
Die US-Regierung unterstützte die Darstellung des israelischen Militärs, dass die Hamas und der Islamische Dschihad Krankenhäuser im Gazastreifen, einschließlich der Al-Shifa-Klinik, für militärische Aktionen nutzen. Laut dem nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus wird Al-Shifa als Kommandozentrum und möglicherweise auch als Waffenlager genutzt, was als Kriegsverbrechen betrachtet wird. Es gibt auch Hinweise auf Tunnel unter den Kliniken, die zur Verdeckung von Militäroperationen und zur Gefangennahme von Geiseln dienen.[11][12]
Bei einem Treffen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf, an dem u. a. Familien der Geiseln und der israelische Außenminister Eli Cohen und Gesundheitsminister Menachem Buso teilnahmen, teilte die Präsidentin, Mirjana Spoljaric, mit, dass bislang kein Vertreter des IKRK mit einer der Geiseln sprechen konnte: „Wir haben keine Lebenszeichen.“[13] Cohen hatte zuvor das IKRK kritisiert, nicht genug zu unternehmen, um Kontakt zu den Geiseln herzustellen. Eine Sprecherin des IKRK betonte die Dringlichkeit ihrer Organisation, die Geiseln zu finden und ihnen bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Dies sei jedoch aufgrund des fehlenden humanitären Raums unmöglich: „Wir können uns nicht durch Bomben einen Weg bahnen. Und wir brauchen einfach den guten Willen aller Parteien, ihre Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht zu respektieren.“[14]
Premierminister Benjamin Netanjahu ernannte General Gal Hirsch zum Koordinator für Vermisste und Geiseln. Hirsch wurde beauftragt, alle Geiseln zu befreien und vermisste Personen zu finden. Die Entscheidung des Premierministers, diese Aufgabe einem umstrittenen General zu übertragen, führte zu erheblichen Kontroversen. General Hirsch führte militärische Operationen während des Libanonkriegs 2006 durch, bei denen zahlreiche israelische Soldaten ihr Leben verloren. Dies führte zum vorläufigen Ende seiner militärischen Laufbahn, da er nicht weiter befördert wurde und 2012 aus dem Dienst ausschied.[15]
Die israelische Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet teilten am 30. Oktober mit, dass es der israelischen Armee bei einem Bodeneinsatz gelungen sei, die als Geisel gehaltene Soldatin Ori Magedisch, die am 7. Oktober entführt worden war, zu befreien. Sie befinde sich bei guter Gesundheit und im Kreise ihrer Familie.[16][17]
Bei einem Einsatz in Rafah befreiten Soldaten der israelischen Spezialeinheit "Shayetet 13" in einer gemeinsamen Aktion mit Schin Bet und der israelischen Polizei nach eigenen Angaben am 12. Februar 2024 zwei Geiseln. Es handelte sich um den 60-jährigen Fernando Simon Marman und den 70-jährigen Norberto Louis Har (beide israelisch-argentinische Doppelstaatler)[18], die am 7. Oktober 2023 aus dem Kibbuz Nir Jitzhak verschleppt worden waren. Sie seien in guter körperlichen Verfassung und wurden in ein Krankenhaus in dem Ort Ramat Gan gebracht.[19] Louis Har wurde mit seiner Lebensgefährtin, zwei ihrer Geschwister und ihre Nichte entführt. Nach einer Fahrt auf der Ladefläche eines Toyota-Pickup in den Gazastreifen seien sie für drei Stunden barfuß durch dunkle, unbefestigte Tunnelgänge gegangen und zu einem Apartment gebracht worden, in dem er selbst bis zu seiner Rettung bleiben musste, berichtete Har der Tagesschau. Die beiden Frauen und das Mädchen kamen im Zuge der Waffenruhe im November 2023 frei.[20]
Am 8. Juni 2024 gaben die Israelischen Verteidigungskräfte bekannt, die Geiseln Noa Argamani (25), Almog Meir Jan (21), Andrey Kozlov (27), und Shlomi Ziv (40) aus dem Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum Gazas befreit zu haben.[21] Die Geiseln wurden aus zwei Häusern in einem Wohnviertel befreit.[22] Sie waren am 7. Oktober vom Supernova-Musikfestival verschleppt worden.[23]
Am 27. August 2024 wurde bekannt, dass die Geisel Kaid Farhan Alkadi befreit wurde. Der 52-jährige Beduine, ein Vater von 11 Kindern, war am 7. Oktober entführt worden, während er im Kibbuz Magen als Wachmann tätig war.[24]
Am 3. Oktober kündigten die Außenministerien von Israel und dem Irak an, dass die Jesidin Fawzia Amin Sido, die 2014 vom sogenannten IS im Irak entführt und dann nach Gaza verkauft wurde, gerettet werden konnte.[25]
Das israelische Militär fand Mitte November 2023 in der Nähe des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt die Leichen zweier Geiseln, die geborgen und nach Israel gebracht werden konnten. Es handelte sich dabei um die 65-jährige Yehudit Weiss sowie die 19-jährige Soldatin Noa Marciano.[26] Die Hamas gab an, die Soldatin sei am 9. November bei einem israelischen Luftschlag getötet worden.[27] Israels Militär bestätigte, dass sie durch einen Luftschlag verletzt worden sei. Einer pathologischen Untersuchung zufolge sind die Verletzungen aber nicht tödlich gewesen, sondern sie sei durch einen Hamas-Terroristen getötet worden.[28]
Zu den Menschen, die Hamas-Terroristen vom Supernova-Musikfestival bei Reʿim verschleppten, gehörte auch die 22-jährige Deutsch-Israelin Shani Louk. Es wurde zunächst angenommen, dass sie noch lebte. Erst am 30. Oktober 2023 meldeten Medien, die sich auf das israelische Außenministerium beriefen, ihren Tod. Sie war vermutlich schon am 7. Oktober 2023 ermordet worden.[29]
Am 1. Dezember 2023 gab die israelische Armee den Tod von fünf Geiseln bekannt. Der Leichnam einer Geisel sei nach Israel zurückgekehrt. Israelische Soldaten und Mitglieder des Geheimdienstes Schin Bet hätten zudem den Leichnam des 27-jährigen Ofir Tsarfati ausfindig gemacht und nach Israel zurückgebracht.[30] Er hatte die israelische und französische Staatsangehörigkeit, stammte aus Kiryat Ata und studierte Elektrotechnik.[31]
Am 8. Dezember 2023 veröffentlichten die Kassam-Brigaden ein Video, in dem die Leiche eines 25-jährigen israelischen Studenten zu sehen sein soll. Auch aus Israel wurde der Tod bestätigt. Die Kassam-Brigaden behaupteten, die Geisel sei bei einem Befreiungsversuch getötet worden.[32] Die israelische Armee gab daraufhin bekannt, dass ein Befreiungsversuch von Geiseln gescheitert sei; zwei Soldaten seien schwer verletzt sowie mehrere Terroristen bei dem Angriff auf einen Hamas-Stützpunkt getötet worden.[33] Später wurde vermeldet, dass der Student Sahar Baruch dabei tatsächlich ums Leben gekommen war, das genaue Geschehen blieb jedoch unklar.[34]
Am 15. Dezember gab die israelische Armee bekannt, dass während Kämpfen in Schedschaija im Norden des Gazastreifens die Geiseln Alon Shamriz, Samer al-Talalka und Yotam Haim von israelischen Soldaten erschossen wurden. Die Soldaten hätten die drei Personen „versehentlich als Bedrohung identifiziert“.[35] Eine erste Untersuchung der Armee zeigte, dass die drei Geiseln vor ihrer Erschießung kein Hemd trugen und einer von ihnen einen Stock mit einer behelfsmäßigen weißen Fahne trug. Einer der Männer floh in ein Gebäude und rief auf Hebräisch um Hilfe, nachdem die Soldaten das Feuer eröffneten und die beiden anderen Geiseln getötet hatten. Er wurde kurz darauf ebenfalls von israelischen Soldaten erschossen.[36] Den drei Geiseln war die Flucht gelungen, nachdem ihre Bewacher fünf Tage zuvor bei Kämpfen mit der israelischen Armee getötet wurden. Ihnen gelang es, mit „Hilfe, 3 Geiseln“ und „SOS“ beschriftete Schilder an einem Gebäude aufzuhängen. Die israelischen Truppen vor Ort hätten dies für einen Hinterhalt gehalten, teilte die Armee mit.[37] Nach dem Vorfall versammelten sich am Abend in Tel Aviv Hunderte, um gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu protestieren. Die Menschen blockierten eine Hauptstraße und forderten die sofortige Freilassung aller Geiseln aus dem Gazastreifen.[38]
Am 16. Dezember 2023 bestätigte das „Forum der Familienangehörigen von Geiseln und Vermissten“, dass die auf dem Supernova-Musikfestival durch die Hamas verschleppte 27-jährige israelische Geisel Inbar Haiman tot sei. Zeugen hatten berichtet, dass sich Haiman zunächst mit Freunden unter einer Bühne versteckt und schließlich hinter einem Busch Deckung gesucht habe, bevor sie von zwei mit Messern bewaffneten Hamas-Terroristen aufgegriffen worden sei. Sie sei offenbar in Gefangenschaft getötet worden. Ihr Leichnam werde vermutlich von Terroristen im Gazastreifen zurückgehalten.[39]
Nach israelischen Schätzungen hat die Hamas die Leichname von 20 Geiseln nicht herausgegeben. (Stand: 16. Dezember 2023)[40]
Die israelische Regierung bestätigte am 22. Dezember 2023 den Tod des 73-jährigen Jazz-Musikers Gadi Haggai. Er hatte die israelische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Er war während des Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 in seinem Heimatort Nir Oz getötet worden. Sein Leichnam wurde von der Hamas nach Gaza gebracht und seitdem festgehalten.[41][42] Seine Frau, die 70-jährige Judith Weinstein, wurde mit Haggai am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt, als sich das Paar auf einem Spaziergang befand. Sie teilte noch einen 40-sekündigen Videoclip in einem Gruppenchat, als die Hamas-Terroristen in den Kibbuz einmarschierten. Das war ihr letzter Kontakt mit ihrer Familie.[43] Sie soll während des Angriffs verwundet worden sein.[44] Das Forum der Geiselfamilien bestätigte am 29. Dezember auch den Tod von Judith Weinstein, die die amerikanische und die kanadische Staatsbürgerschaft besaß. Sie sei von der Hamas ermordet worden.[45]
Laut Medienberichten vom 25. Dezember 2023 barg die israelische Armee nach eigenen Angaben die Leichen von insgesamt fünf Geiseln aus dem Tunnelsystem im Gazastreifen im Bereich des Flüchtlingsviertels Dschabaliya. Zwei der Leichen seien bereits zwei Wochen zuvor, drei weitere einige Tage später gefunden worden.[46] Die Armee teilte mit, dass es sich um die sterblichen Überreste von drei Soldaten und zwei Zivilisten handelte, die am 7. Oktober aus Israel verschleppt worden waren. Wie die Geiseln gestorben sind, war nicht bekannt, Obduktionen stünden noch aus.[47]
Am 15. Januar 2024 gab die entführte Noa Argamani in einem Hamas-Video an, dass die Geiseln Yossi Sharabi und Itai Svirsky bei israelischen Luftschlägen getötet worden seien; dazu wurden Bilder ihrer Leichen gezeigt.[48] Die Armee räumte Anfang Februar 2024 ein, dass zumindest Sharabi wahrscheinlich bei einem Hauseinsturz ums Leben gekommen war, der aus der Bombardierung eines Nachbargebäudes resultierte; Svirsky soll dahingegen einige Tage später von der Hamas erschossen worden sein.[49]
Am 7. Februar 2024 wurde bekannt, dass von den 136 noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln nach Angaben des israelischen Militärs 31 Menschen nicht mehr leben. Einige von ihnen wurden nach dem Bericht der Zeitung The New York Times unter Berufung auf ein vertrauliches israelisches Geheimdienstpapier bereits während des Terrorangriffs der Hamas auf israelischem Staatsgebiet getötet. Ihre Leichen wurden dann in den Gazastreifen gebracht, ihr Tod war zu diesem Zeitpunkt nicht bestätigt, weshalb sie als Geiseln gezählt wurden. Andere erlagen ihren Verletzungen oder wurden von Hamas-Terroristen getötet. Es gebe zudem unbestätigte Hinweise auf den Tod von mindestens 20 weiteren Geiseln.[50][51]
Der 35-jährige Musiker Yagev Buchshtab starb im Februar 2024 in der Geiselhaft der Hamas. Das teilte die israelische Regierung seiner Familie im April 2024 mit. Als Todesursache wird Verhungern, Medikamentenmangel oder Erschöpfung angenommen. Die Familie Buchshtab gehörte zu den Zehntausenden Israelis, die seit dem Terrorüberfall an jedem Wochenende in Tel Aviv und anderen Städten des Landes für einen schnellen und bedingungslosen Austausch aller Geiseln gegen eine große Zahl an palästinensischen Haftgefangenen demonstrierten.[52] Yagev Buchshtab war zusammen mit seiner Ehefrau Rimon Buchshtab-Kirsht am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nirim von der Hamas verschleppt worden. Rimon Buchshtab-Kirsht wurde im November 2023 frei gelassen.[53]
In der Nacht zum 17. Mai 2024 wurde die Leiche der Deutsch-Israelin Shani Louk aus einem Tunnel in Gaza geborgen,[54] zudem die Überreste von Amit Buskila und Itzhak Gelerenter.[55] Tags darauf wurde auch der Leichnam von Ron Benjamin entdeckt.[56] Am 23. Mai 2024 wurden drei weitere Geiseln tot aufgefunden,[57] dazu zählte neben Michel Nisenbaum und Hanan Yablonka auch Shani Louks mexikanischer Freund Orión Hernández Radoux. Offenbar waren alle Opfer, die sich mit Ausnahme von Benjamin und Nisenbaum auf der Flucht vom Gelände des Supernova-Musikfestivals befanden, bereits am 7. Oktober nahe des Kibbuz Mefalsim getötet worden; ihre Leichen wurden anschließend in den Gazastreifen verbracht.[58]
Am 20. August 2024 berichteten verschiedene Medien über eine nächtliche Operation des israelischen Militärs, bei der die Leichen von sechs Geiseln aus einem Tunnel in Chan Junis im Gazastreifen geborgen wurden. Die israelische Armee bestätigte die Bergung und nannte die Namen der Entführten: Yagev Buchshtab, Alexander Dancyg, Avraham Munder, Yoram Metzger, Nadav Popplewell und Haim Perry.[59] Diese Männer waren am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt worden und wurden bereits zuvor für tot erklärt.[60] Die Bergung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet.[61]
Am 31. August 2024 gaben die israelischen Verteidigungsstreitkräfte bekannt, sechs Leichen im Gazastreifen gefunden zu haben. Es handelte sich um Hersh Goldberg-Polin, Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Almog Sarussi, Ori Danino und Alexander Lobanov. Nach erster Einschätzung der Armee wurden sie von Hamas-Terroristen getötet, kurz bevor die israelischen Soldaten sie befreien konnten.[62] Als Fundort wurde später ein unterirdischer Tunnel der Hamas in Rafah im südlichen Gazastreifen angegeben. Das israelische Gesundheitsministerium ließ die Leichen obduzieren und gab bekannt, dass die Geiseln etwa 48 bis 72 Stunden vor der Autopsie aus nächster Nähe erschossen worden seien.[63][64]
Unter den Entführten war Yotam Haim, der Schlagzeuger der Metalcore-Band Persephore. Am 15. Dezember wurde er zusammen mit zwei anderen Geiseln irrtümlich durch israelische Soldaten getötet.[65] Die israelisch-kanadische Friedensaktivistin Vivian Silver galt bis Mitte November 2023 als vermisst.[66] Ihr Tod wurde am 14. November bestätigt, sie wurde bereits am 7. Oktober 2023 während des Terrorangriffes der Hamas im Kibbuz Be’eri ermordet.[67] Zu den Geiseln gehörte auch der israelische Historiker der Gedenkstätte Yad Vashem, Alex Dancyg.[68] Er wurde 1948 als Sohn von Überlebenden des Holocaust in Warschau geboren und kam mit seiner Familie 1957 nach Israel. Zum Zeitpunkt des Terrorangriffs lebte er im Kibbuz Nir Oz.[69][70] Der Journalist und Friedensaktivist Oded Lifshitz (83) und seine Frau, die Fotografin und „Ikone“ der israelischen Friedensbewegung Jocheved Lifshitz (85) wurden am 7. Oktober verschleppt.[71] Sie gehören zu den Gründungsmitgliedern des Kibbuz Nir Oz, wo sie seit 1955 lebten. Er schrieb für die Arbeiterzeitung Al-Hamishmar und war einer der ersten Journalisten, die über das Massaker von Sabra und Schatila berichteten. Er setzte sich für die Rückgabe von Land an Beduinen und Palästinenser und ihre Rechte ein.[72] Seine Frau wurde am 23. Oktober freigelassen. Er blieb in der Gewalt der Hamas (Stand: 4. Januar 2024). Das Auseinanderreißen von Familien ist laut der Jüdischen Allgemeine Teil der psychologischen Kriegsführung der Hamas.[73] Im Juli 2024 teilten die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) mit, dass Alex Dancyg von der Hamas ermordet worden sei.[74] Im August 2024 fanden Soldaten der IDF seine Leiche und die fünf weiterer Geiseln.[75]
Die Hamas ließ am 21. Oktober 2023 zwei US-amerikanische Geiseln – eine Mutter und ihre Tochter – frei und übergab sie dem Roten Kreuz.[76] Diese Freilassung erfolgte nach erfolgreichen Verhandlungen zwischen den USA und Katar mit der Hamas. Zwei weitere Frauen im Alter von 79 und 85 Jahren aus dem Kibbuz Nir Oz, der von der Hamas am 7. Oktober überfallen worden war, wurden aus „humanitären Gründen“ freigelassen. Ihre Ehemänner blieben in Gefangenschaft. Die Freilassung erfolgte nach Vermittlung durch Katar und Ägypten. Die Frauen wurden über den Grenzübergang Rafah vom Gazastreifen nach Ägypten gebracht und von dort in Krankenwagen nach Israel gebracht.[77] Nach Medienberichten vom 29. Oktober bemühte sich die Regierung von Katar um die Freilassung weiterer Hamas-Geiseln.[78]
Mitte November 2023 bestätigte der Nationale Sicherheitsberater der USA Sullivan, es würden Verhandlungen geführt, an denen Katar beteiligt und die US-Regierung aktiv eingebunden sei. Der US-Regierung lägen keine genauen Zahlen der Geiseln vor. Es gebe nur eine Zahl von Vermissten. Unklar sei aber, wie viele von ihnen noch am Leben seien.[79]
Der Kronprinz und Ministerpräsident von Bahrain, Salman bin Hamad Al-Chalifa, forderte Mitte November einen Austausch zwischen Israel und der Hamas und betonte die Forderung nach Freilassung israelischer Geiseln durch die Hamas, insbesondere von Frauen und Kindern. Im Gegenzug dazu sollte Israel weibliche und minderjährige palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen.[80]
Mit Stand 16. Dezember 2023 wurden nach israelischen Schätzungen noch 112 bei dem Überfall der Hamas aus Israel verschleppte Menschen im Gazastreifen festgehalten. Angehörige forderten, die Kämpfe zu stoppen und Verhandlungen zur Freilassungen der Geiseln wieder aufzunehmen.[81]
Nach Angaben des Golfemirats Katar hat sich Anfang Januar 2024 die Kommunikation bezüglich der Verhandlungen über weitere Freilassungen von Geiseln mit der Hamas verschlechtert. Laut dem Ministerpräsidenten von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, ist der Tod eines hochrangigen Kommandeurs der Terrormiliz Hamas am 2. Januar 2024 in Beirut der Grund dafür. Die genauen Umstände sind bisher nicht geklärt.[82][83][84]
Am 21. November 2023 stimmte die israelische Regierung einem unter Vermittlung von Katar ausgehandelten Abkommen mit der Hamas zu. Die Vereinbarung beinhaltete eine viertägige Feuerpause und den Austausch von 150 palästinensischen Gefangenen gegen 50 Geiseln.[85] Das Kriegskabinett und das Sicherheitskabinett, bestehend aus Regierungsmitgliedern sowie Verantwortlichen der Armee und der Geheimdienste, gaben ihre Zustimmung. Der wachsende Druck, sowohl von den Familien der Geiseln als auch von der US-Regierung, führte zu diesem Abkommen zwischen Israel und der Hamas.[86] Demnach sollte es zu einer viertägigen Feuerpause sowie zum Austausch von 50 Geiseln gegen 150 palästinensische Häftlinge kommen.[87] Insgesamt sollten 100 von der Hamas aus Israel verschleppte Geiseln gegen 300 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden.[88] Bei den palästinensischen Häftlingen handelte es sich um Frauen und Jugendliche, von denen viele in Administrativhaft saßen, das heißt ohne gerichtliche Verurteilung, teilweise ohne Angabe des Haftgrunds und mit beliebig verlängerbarer Haftzeit.[89]
Am 24. November 2023 übergab die Hamas dem Roten Kreuz 24 Geiseln aus ihrer Gefangenschaft, darunter 13 Israelis, zehn Thailänder und einen philippinischen Staatsbürger.[90] Unter den Geiseln befanden sich zwei Frauen und zwei Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft, die aus dem Kibbuz Nir Oz entführt worden waren.[91][92] Die jüngste israelische Geisel war zehn Monate alt.[93] Unter den frei gelassenen Geiseln war nach Angabe ihrer Familie auch Hanna Katzir, von der die Terrororganisation Palästinensischer Dschihad behauptet hatte, sie sei umgekommen.[94] In Krankenhäusern in der Nähe von Tel Aviv wurden sie mit ihren Familien vereint. Nach Auskunft der Direktorin des Schneider Children’s Medical Center waren vier Kinder, drei Mütter und eine Großmutter in guter körperlicher Verfassung. Fünf Geiseln wurden ins Wolfson Medical Center gebracht.[95] Für die Freilassung der Geiseln entließ Israel 39 inhaftierte Palästinenser, darunter 24 Frauen und 15 Minderjährige.[96]
Am späten Abend des 25. Novembers 2023 erfolgte die Übergabe einer zweiten Gruppe von Geiseln, die von der Terrormiliz Hamas in Gaza festgehalten wurden, an das Rote Kreuz. Die Gruppe setzte sich laut Angaben des israelischen Militärs aus 13 Israelis und vier thailändischen Staatsbürgern zusammen. Katar zufolge sollen unter den freigelassenen Israelis acht Minderjährige und fünf Frauen gewesen sein.[97] Nach Angaben der Bundesregierung befinden sich unter den von der Hamas freigelassenen Geiseln vier Personen mit deutschem Pass, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.[98] Im Gegenzug sollten am Abend 39 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Nach Angaben der Hamas sind unter ihnen sechs Frauen und 33 männliche Jugendliche unter 19 Jahren,[99] welche laut dem israelischen Armeesprecher wegen terroristischer Straftaten verurteilt oder angeklagt worden waren.[100] Das irisch-israelische Mädchen Emily Hand war nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober für tot gehalten worden. Doch nach 50 Tagen in der Gefangenschaft war sie unter den freigelassenen Geiseln. Während ihrer Geiselhaft wurde sie neun Jahre alt.[101]
Am 26. November 2023 erfolgte der dritte Austausch von zuvor von der Terrormiliz Hamas entführten Geiseln gegen in Israel inhaftierte palästinensische Häftlinge. Es handelte sich um 14 Israelis und drei Thailänder.[102] Von den 14 Israelis hat ein Kleinkind auch einen US-amerikanischen Pass, ein Mann auch einen russischen Pass.[103] Von diesem abgesehen waren unter den Israelis neun Kinder und vier Frauen. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen.[104] Die islamistische Hamas tauschte eine vierte Gruppe von Geiseln am 27. November 2023 gegen 33 weibliche und jugendliche palästinensische Häftlinge aus.[105] Es handelte sich um 11 Israelis und 6 Thailänder.[106] Von den 11 Israelis haben zwei auch einen deutschen, drei auch einen französischen und sechs auch einen argentinischen Pass.[107]
Am 28. November 2023 wurde im Rahmen der Vereinbarung zur Feuerpause durch die islamistische Terrororganisation Hamas eine fünfte Gruppe von 10 israelischen Geiseln und zwei thailändischen Geiseln freigelassen. Im Austausch ließ Israel 30 palästinensische Gefangene frei. Laut der Agentur AFP sind alle Geiseln weiblich und eine Israeli hat einen deutschen Doppelpass.[108][109]
Am 29. November 2023 ließ die islamistische Terrororganisation Hamas eine sechste Gruppe von 10 israelischen Geiseln frei, wobei es sich um 5 Frauen und 5 letzte verbliebene Jugendliche unter 18 Jahren handelt, sowie vier thailändische Geiseln.[110][111] Die israelischen Geiseln kommen im Gegenzug zur Entlassung von 30 weiteren palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen frei.[112] Zudem wurden zwei weibliche erwachsene Geiseln mit israelisch-russischem Doppelpass aufgrund Bemühungen der russischen Regierung freigelassen.[113]
Am 30. November 2023 ließ die islamistische Terrororganisation Hamas als siebte Gruppe eine 17-jährige Minderjährige, 6 weitere erwachsene israelische Frauen und einen israelischen jungen Mann frei. Eine Israeli hat einen israelisch-französischen Doppelpass.[114][115] Nach dem Auslaufen der Waffenruhe am 1. Dezember 2023 sind laut Angaben der israelischen Regierung 137 Personen immer noch Geiseln der Hamas, darunter 2 Kinder, 20 Frauen und 115 Männer.[116]
Am 16. Januar 2024 einigte sich Israel mit der Hamas unter Vermittlung der Regierungen von Katar und Frankreich, dass die israelischen Geiseln im Gazastreifen mit insgesamt 60 Tonnen Arzneimitteln und anderen medizinische Gütern versorgt werden sollen. 45 Geiseln seien chronisch krank. Im Gegenzug seien Hilfslieferungen im Verhältnis 1 zu 1000 für die palästinensische Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet vereinbart worden. Für jede Kiste für Geiseln in Hamas-Gewalt, sollten jeweils 1000 solcher Kisten an die Bevölkerung verteilt werden.[117] Es wurden zu dem Zeitpunkt noch 136 Geiseln vermisst.[118]
Nach Angaben der Deutsch-Israelin Yarden Romann, die Ende November 2023 von der Hamas im Rahmen eines Abkommens mit der israelischen Regierung freigelassen worden war, hatten vor allem Frauen Ängste durchzustehen, vergewaltigt oder „Teil einer Reihe von Taten“ zu werden.[119]
Vierzehn Geiseln, die im November 2023 im Austausch mit palästinensischen Häftlingen freikamen, mussten nach einem Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian auch Wochen später noch intensiv psychiatrisch behandelt werden. Sie hätten schlimmste Misshandlungen und Traumata erlitten, teilte die Leiterin der Psychiatrie am Ichilov-Zentrum in Tel Aviv, Renana Eitan, mit. Von den Geiseln, die von ihrem Team behandelt würden, seien neun jünger als 18 Jahre sowie zwei Kinder unter zehn Jahren. Einige der Kinder seien während ihrer Gefangenschaft unter anderem mit Ketamin betäubt worden und litten unter schweren Entzugserscheinungen. Andere seien sexuell missbraucht worden oder hätten sexuellen Missbrauch mit ansehen müssen. Nach Eitans Bericht wurden zwei Frauen in 1 bis 1,5 Meter großen Käfigen gehalten.[120][121] Laut der Kinderärztin und Direktorin vom Schneider Children's Medical Center of Israel Efrat Bron-Halev, die 19 minderjährige Geiseln im Alter von drei bis 17 Jahren seit ihrer Freilassung betreute, berichteten die meisten Jugendlichen von psychischer Gewalt. Die Geiselnehmer hätten Dinge gesagt wie: „Niemand will dich mehr. Du hast keine Familie mehr. Du wirst immer in Gaza bleiben. Es gibt kein Israel mehr.“ Sie mussten ganz still sein. Die ganz kleinen Kinder beschäftigen schreckliche Bilder. Noch zwei Monate nach der Befreiung hatten viele Kinder Albträume und Angstattacken. Etliche von ihnen hatten Familienmitglieder verloren oder Verwandte befanden sich noch in der Gewalt der Geiselnehmer.[122]
Die 21-jährige Mia Schem, eine französisch-israelische Staatsbürgerin, die am 7. Oktober vom Musikfestival Supernova nach Gaza verschleppt worden war und im Zuge eines Deals zwischen Israel und der Hamas am 30. November freikam, schilderte ihre Erlebnisse israelischen TV-Sendern. Sie beschrieb die ersten Momente ihrer Entführung. Sie habe noch versucht, mit einem PKW zu entkommen, die Hamas-Miliz habe auf die Reifen geschossen und ein Hamas-Mitglied habe ihr aus nächster Nähe in den Arm geschossen, so dass sie ihre Hand verlor. Am Tag nach der Operation „in einer Art Operationssaal“ habe die Hamas Schem gezwungen, ein Propagandavideo zu drehen, das der Terrormiliz zur Veröffentlichung dienen sollte.[123] Aufgrund des Traumas und des Schlafmangels hat sie nach Angaben ihrer Familie während ihrer achtwöchigen Geiselhaft eine Epilepsie entwickelt.[124]
Laut Welt und Spiegel hat die 61-jährige Aviva Siegel, die am 7. Oktober mit mehr als 200 anderen Menschen in den Gaza-Streifen verschleppt und nach 51 Tagen wieder freigelassen wurde, bei ihrer Aussage in der Knesset unter anderem mitgeteilt, eine Frau sei derart verstört und außer sich von einem Toilettengang zurückgekehrt, dass sie davon ausging, es sei durch den begleitenden Wärter zu einem sexuellen Übergriff gekommen. Überdies sei sie Zeugin der Misshandlung einer Frau geworden, die von der Hamas offenbar für ein Mitglied der Israelische Verteidigungsstreitkräfte (IDF) gehalten wurde.[125] Siegel erklärte, die Terroristen behandelten die verschleppten Mädchen wie Puppen, „mit denen sie machen können, was sie wollen“.[126] Dem Spiegel zufolge gibt es „zahlreiche Berichte, in denen Zeugen Vergewaltigungen und Missbrauch im Zuge des Hamas-Überfalls schildern“.[127] Auch die Times of Israel berichtete darüber und erwähnte die Tage zuvor freigelassene Agam Goldstein-Almog, die, selbst ein Teenager, ebenfalls von sexuellen Übergriffen auf Mädchen erzählte, deren schwere Verletzungen keine Wundversorgung erfuhren.[128] Nach Angaben eines Arztes sind mindestens zehn freigelassene Geiseln beiderlei Geschlechts in der Gefangenschaft der Hamas sexuell missbraucht worden.[129]
In einem Interview mit der Zeit berichteten Nili Margalit, die nach 55 Tagen Geiselhaft freikam, und Noam Peri, deren Vater von den Hamas-Terroristen seit dem 7. Oktober in den Tunneln von Gaza als Geisel gefangen gehalten wird. Margalit, die mit Peri zusammen im Kibbuz aufwuchs, schilderte die katastrophalen Zustände, unter denen vor allem ältere und kranke Menschen zu leiden hätten. Es fehle grundsätzlich an regelmäßiger Versorgung mit Medikamenten und dem Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln. Es gebe keine Belüftung, und die Versorgung mit Sauerstoff sei oft knapp gewesen. Waschgelegenheiten habe es nur alle fünf bis zehn Tage gegeben, und nur mit kaltem Wasser in einem Waschbecken. Alle Geiseln würden auf Matratzen schlafen, und die wenigen Mahlzeiten müssten auf dem Boden eingenommen werden. Nili Margalit, die als Kinderkrankenschwester auf der pädiatrischen Intensivstation gearbeitet hatte, unterstützte während ihrer Gefangenschaft andere Geiseln, um deren Gesundheit unter den katastrophalen Bedingungen zu stützen. Sie forderte für chronisch kranke Menschen die regelmäßige Versorgung mit Medikamenten ein. Nach ihrer Freilassung erfuhr sie, dass ihr Vater von der Hamas ermordet wurde. Noam Peri setzt sich kontinuierlich für die Freilassung der restlichen Geiseln ein. Sie traf den Premierminister von Katar in Doha und US-Politiker: „Die Geiseln werden es nicht mehr lange dort aushalten. Wenn wir nicht alles tun, was in unserer Macht steht, werden wir alle dafür verantwortlich sein, was mit ihnen dann passiert.“ Auf dem Weltwirtschaftsforums in Davos setzten sich beide Frauen dafür ein, die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufzufordern, um die 136 Geiseln, die seit mehr als 100 Tagen von der Hamas festgehalten wurden, zu befreien.[130]
Amit Soussana, die aus dem Kibbuz Kfar Azza entführt wurde und nach 55 Tagen frei kam, beschrieb im März 2024 in einem Interview mit der New York Times, dass ein Entführer einen sexuellen Übergriff an ihr beging. Außerdem wurde sie gefoltert, indem man sie mit ihren zusammengebundenen Händen an einen Stock fesselte.[131]
In Deutschland leitete nach Medienberichten der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen noch unbekannte Mitglieder der Terrororganisation Hamas ein. Gegenstand der Ermittlungen ist u. a. Geiselnahme zu Lasten deutscher Staatsangehöriger.[132] Ein Offener Brief von israelischen und internationalen Rechtswissenschaftlern und Rechtswissenschaftlerinnen, vorwiegend mit dem Schwerpunkt Völkerrecht, stufte das absichtliche Töten von hunderten Zivilisten und die Geiselnahme von mindestens mehreren Dutzend weiterer Zivilisten in den Gaza-Streifen als eine grobe Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.[133]
Wegen sexualisierter Gewalt gegen Shani Louk erstattete die israelische Anwältin Yael Vias Gvirsman Anzeige bei französischen und deutschen Gerichten sowie dem Internationalen Strafgerichtshof.[134] Die Angehörigen von Shani Louk gehören zu den 56 Familien von Opfern und Geiseln, die sie vertritt.[135]
Die israelische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Nitsana Darshan-Leitner reichte Anfang November 2023 Beschwerde beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein. Die Beschwerde richtete sich gegen militärische und politische Befehlshaber der Hamas und des Islamischen Dschihad in Palästina. Sie forderte einen internationalen Haftbefehl gegen die Beschuldigten. Im Zusammenhang mit dem Massaker gingen mindestens drei Beschwerden beim Strafgerichtshof ein, eine im Namen von 24 Familien der 240 nach Gaza Verschleppten und eine von Angehörigen getöteter Festivalbesucherinnen.[136] In Deutschland leitete der Generalbundesanwalt Ermittlungen im Fall der deutsch-israelischen Staatsbürgerin Shani Louk ein. Die Strafanzeige beruht auf dem in Deutschland verankerten Weltrechtsprinzip, das die Verfolgung schwerster Verbrechen ermöglicht, selbst wenn sie in anderen Ländern begangen wurden.[137]
Innerhalb 24 Stunden nach dem Terrorangriff durch die Hamas bildete sich ein internationales Netzwerk mit dem Namen Hostages and Missing Families Forum (deutsch: Forum für die Familien der Geiseln).[138] Diese Betroffenenorganisation hat ihren Hauptsitz in Tel Aviv und besteht aus etwa 2000 Freiwilligen. Das Forum bietet unter anderem rechtliche und psychologische Unterstützung an.[139][98]
In Tel Aviv wurde symbolisch an die von der Hamas entführten Geiseln erinnert. Auf dem Platz vor dem Tel Aviv Museum of Art wurde ein Tisch für 200 Personen gedeckt, um Schabbat zu feiern. Auch in deutschen Städten (Berlin, München, Frankfurt, Düsseldorf) sowie in Österreich (Wien) und in der Schweiz (Zürich, Bern) erinnerten öffentliche Schabbat-Tafeln an die Geiseln.[140][141][142][143][144][145][146][147]
Auf dem Safra-Platz von Jerusalem baute die Organisation Bring Them Home Now in Zusammenarbeit mit israelischen Kunstschaffenden die Installation Empty Beds auf mit mehr als 230 leeren Betten, Pyjamas und Nachttischen, auf denen Bilderbücher liegen. Yifat Gurion, die Kuratorin einer jährlichen Kunstmesse, initiierte die Kunstaktion „This is us“, die ein Zeichen der Hoffnung setzen soll. 150 Künstler und Künstlerinnen schufen vor dem Tel Aviv Museum of Art nach Fotovorlagen Gemälde der Geiseln.[148] Vor einem Brunnen in Tel Aviv (Dizengoff Square) wurde eine Installation mit Stofftieren in Form von Teddybären mit verbundenen Augen und roter Farbe initiiert. An jedem Teddybären ist ein Foto eines entführten Kindes angebracht.[149]
Die in New York lebenden israelischen Straßenkünstler Nitzan Mintz und Dede Bandaid initiierten die Plakataktion „Kidnapped“ und entwarfen nach dem Vorbild der «Missed» Plakate in den USA Poster in verschiedenen Sprachen mit Fotos der Entführten,[150] die Familien und Angehörige in verschiedenen Städten weltweit verteilten[151] und bei Solidaritätsaktionen unter dem Motto „Bring them home“ (Bringt sie nach Hause) mitführten.[152] Viele der Poster wurden wieder abgerissen.[153] Studierende der Harvard University hängten als Erste die Poster auf dem Campus auf, auch als Reaktion auf die Israelfeindlichkeit, die an der Universität verbreitet wurde.[154]
Unter dem Hashtag „Bring them home now!“ drehte eine private Initiative israelischer Filmschaffender, darunter Yael Reuveny und Ari Folman, kurze Videos von Interviews mit Angehörigen der Verschleppten und richteten diese als Appell an die Hamas.[155] Ein Animationsfilm von Yoni Goodman, in dem eine Mutter von der Geiselnahme ihrer beiden Söhne, 12 und 16 Jahre alt, aus dem Kibuzz Nir Oz erzählt, sollte helfen, die Jungen zurückzubringen.[156]
Am 23. November 2023 brachte der israelische Graffiti-Künstler Benzi Brofmann in der Berliner Oranienburger Straße, unweit der Neuen Synagoge, ein riesiges Graffito an einer Hauswand an. Der Künstler nahm am 6. Oktober am Nature Party Festival Kibbuz Reʿim teil und reiste am gleichen Tag wieder ab. Als die Terrormiliz Hamas am 7. Oktober das Massaker beging, bei dem sie 364 Menschen ermordete, beschloss er, die Menschen, die er kennengelernt hatte, in Porträts zu verewigen. Ein erstes Graffito entstand in Haifa. Kurz darauf beauftragten ihn die israelische Botschaft in London und die Stadt Berlin, mit Graffiti an das Schicksal der Geiseln zu erinnern.[157]
Angehörige der von der Hamas entführten Geiseln initiierten am 14. November 2023 einen fünftägigen Fußmarsch von Tel Aviv nach Jerusalem. Der Zweck des Marsches bestand darin, die Regierung unter Ministerpräsident Netanyahu aufzufordern, verstärkte Bemühungen für die Freilassung der Geiseln zu unternehmen.[158][159]
Am 18. Dezember 2023 organisierte die Produzentin Talya Yarom ein Konzert mit 1.000 Musikern und Sängern im Amphitheater von Caesarea, um auf die in Gaza gefangen gehaltenen Geiseln aufmerksam zu machen. Die Veranstaltung bestand aus verschiedenen Teilnehmern, darunter Amateure und Profis, Rock- und klassische Musiker. Das Ergebnis, Homeland Concert, umfasst ein Medley aus Ehud Manors Lied Home und der israelischen Nationalhymne Hatikva.[160]
Angehörige der israelischen Geiseln protestierten bei einer Sondersitzung der Knesset in Jerusalem am 25. Dezember 2023 mit Sprechchören („Jetzt, jetzt, jetzt“) gegen eine Rede von Regierungschef Benjamin Netanjahu. Sie hielten Transparente, auf denen unter anderem „80 Tage Hölle“ stand. Sie forderten sofortige Maßnahmen für die Befreiung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.[161]
Der World Jewish Congress initiierte die Aktion „Das gelbe Klavier“.[162] An öffentlichen Orten in mehreren Städten wurde auf einem gelben Flügel gespielt, um 100 Tage nach dem Überfall der Hamas auf Israel an die 136 noch gefangen gehaltenen Geiseln zu erinnern, so in der Fußgängerzone von Tel Aviv, in der U-Bahn von Tokio, am Washington Square Park in New York oder in Amsterdam. In Berlin spielte Igor Levit am 14. Januar 2024 „das gelbe Klavier“. In der James-Simon-Galerie gab er ein Solidaritätskonzert mit Stücken von Johannes Brahms für Israel und den verschleppten 22-jährigen israelischen Pianisten Alon Ohel, stellvertretend für alle Geiseln. Zu dem geladenen Publikum gehörte auch die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer.[163]
Im Januar 2024 versammelten sich erstmals Angehörige und Freunde der Geiseln an der Grenze zu Gaza, um mit leistungsstarken Lautsprechern Botschaften in das abgeriegelte Gebiet zu rufen. Ihre Hoffnung ist, dadurch Zugang zu ihren in den Gazastreifen verschleppten Verwandten zu erhalten.[164] Im August 2024 fand eine weitere Zusammenkunft statt, um mittels Lautsprecherdurchsagen die im Gazastreifen gefangen gehaltenen Geiseln zu erreichen.[165]
Nationale Zugehörigkeit | Entführt | Freigelassen1 | Von der israelischen Armee befreit | Tot aufgefunden | Ref | ||||||||||||
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Gesamt | Männer | Frauen | Kinder | Gesamt | Männer | Frauen | Kinder | Gesamt | Männer | Frauen | Kinder | Gesamt | Männer | Frauen | Kinder | ||
Israel (ohne Mehrstaatigkeit) | > 82 | 53 | 1 | 13+? | 11+? | 6 | 4 | 2 | 17–21 | 12+? | 3 | ||||||
Thailand | bis zu 54 | 23 | 10 | ? | ? | [166] | |||||||||||
Israel-Argentinien | mind. 6 | 6 | 2 | 2 | [167][168] | ||||||||||||
Argentinien | bis zu 13 | 2 | 2 | 4 | 8 | 2 | 4 | [169][170] | |||||||||
Israel-Deutschland | mind. 10 | 13 | 2+? | 4+? | 1 | 1 | [171][172] | ||||||||||
Philipinen | mind. 1 | 1 | 1 | [166] | |||||||||||||
Israel-USA | mind. 21 | 1 | 1 | 1 | 1 | [173] | |||||||||||
Israel-Frankreich | 6 | 4 | 1+? | 2+? | 1 | 1 | [171] | ||||||||||
Israel-Russland | mind. 3 | 3 | 1 | 2 | |||||||||||||
Russland | 3–6 | [174] | |||||||||||||||
Mexiko, Israel-Mexiko, Frankreich-Mexiko | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | [175][176] | |||||||||||
Brasilien oder Israel-Brasilien | ? | 1 | 1 | [177][175] | |||||||||||||
Israel-Irland | 1 | 1 | 1 | 1 | [178] | ||||||||||||
Israel-Österreich | 4 | 1 | 1 | 2 | 3 | 1 | 2 | [179][180] | |||||||||
Gesamt | ca. 243 | 120 | 8 | 6 | 2 | 13–216,7 | mind. 12 | mind. 4 | [181] |
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