Der gaußsche Integralsatz, auch Satz von Gauß-Ostrogradski[1] oder Divergenzsatz, ist ein Ergebnis aus der Vektoranalysis. Er stellt einen Zusammenhang zwischen der Divergenz eines Vektorfeldes und dem durch das Feld vorgegebenen Fluss durch eine geschlossene Oberfläche her.
Der nach Gauß benannte Integralsatz folgt als Spezialfall aus dem Satz von Stokes, der auch den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung verallgemeinert.
Aus dem gaußschen Integralsatz können weitere Identitäten hergeleitet werden. Zur Vereinfachung wird im Folgenden die Notation und sowie die Nabla-Schreibweise verwendet.
- Wendet man den gaußschen Integralsatz auf das Produkt eines Skalarfeldes mit einem Vektorfeld an, dann erhält man
- Betrachtet man den Spezialfall , dann erhält man die erste greensche Identität.
- Betrachtet man hingegen den Spezialfall , dann erhält man
- bzw., nach Komponenten aufgeschlüsselt,
- Wendet man den gaußschen Integralsatz für auf das Kreuzprodukt zweier Vektorfelder und an, dann erhält man
- Betrachtet man den Spezialfall , dann erhält man
- Wendet man den gaußschen Integralsatz auf Vektorfelder im ℝn an, multipliziert die Integrale mit Basisvektoren ê1,2,...,n der Standardbasis, nutzt die Eigenschaften des dyadischen Produktes „⊗“ aus und addiert die Ergebnisse, erhält man die Verallgemeinerung auf Tensoren:[2]
- Das Superskript ⊤ steht für die Transposition. Mit dem Divergenzoperator schreibt sich das:[3]
- Wendet man den gaußschen Integralsatz auf die Ableitung einer reellen Funktion auf dem Intervall an, dann erhält man den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. Die Auswertung des Integrals an den Intervallenden im Hauptsatz entspricht dabei der Auswertung des Randintegrals im Divergenzsatz.
Flüssigkeiten, Gase, Elektrodynamik
Der Satz wird genutzt zur Beschreibung der Erhaltung von Masse, Impuls und Energie in einem beliebigen Volumen: Das Integral der Quellenverteilung (Summe der Divergenz eines Vektorfeldes) über das Volumen im Innern einer Hülle multipliziert mit einer Konstanten ergibt den gesamten Durchfluss (das Hüllenintegral) der gesamten Strömung durch die Hülle dieses Volumens.
Gravitation
Im Gravitationsfeld erhält man: Das Oberflächenintegral ist -4πG mal die Masse innen, solange die Masse darin radialsymmetrisch verteilt ist (konstante Dichte bei gegebener Entfernung vom Mittelpunkt) und unabhängig von irgendwelchen (ebenfalls radialsymmetrisch verteilten) Massen außerhalb. Insbesondere gilt: Die ganze Sphäre außerhalb einer Kugel hat keinen (zusätzlichen) Einfluss, sofern ihre Masse radialsymmetrisch verteilt ist. Allein die Summe der Quellen und Senken im Innengebiet wirken.
Partielle Integration im Mehrdimensionalen
Der gaußsche Integralsatz führt auf eine Formel zur partiellen Integration im Mehrdimensionalen
- .
Der Satz wurde wahrscheinlich zum ersten Mal von Joseph Louis Lagrange im Jahre 1762 formuliert und unabhängig davon später von Carl Friedrich Gauß (1813), George Green (1825) und Michail Ostrogradski (1831) neu entdeckt. Ostrogradski lieferte auch den ersten formalen Beweis.
Björn Feuerbacher: Tutorium Mathematische Methoden der Elektrodynamik: Ausführlich erklärt für Studierende der Physik im Haupt- und Nebenfach. Springer-Verlag, 2019, ISBN 978-3-662-58340-1, S. 116 (google.de [abgerufen am 3. November 2024]).
- Otto Forster: Analysis. Band 3: Maß- und Integrationstheorie, Integralsätze im n und Anwendungen, 8. verbesserte Auflage. Springer Spektrum, Wiesbaden, 2017, ISBN 978-3-658-16745-5.
- Konrad Königsberger: Analysis 2, Springer, Berlin 2004.