Bezeichnung für einen geologischen Aufschluss mit marinen Sedimentgesteinen, der als Referenz (Typlokalität) für die Grenze einer chronostratigraphischen Einheit dient Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Global Stratotype Section and Point (auch Global Boundary Stratotype Section and Point, wörtlich „Profil und Punkt des weltweiten Grenz-Stratotypus“, kurz GSSP) ist die Bezeichnung für einen geologischen Aufschluss mit marinen Sedimentgesteinen, der als Referenz (Typlokalität) für die Grenze einer chronostratigraphischen Einheit dient. Das geologische Profil des Aufschlusses wird bis ins Detail geologisch untersucht und beschrieben. Die Lage der entsprechenden Grenze im Profil ist meist durch das Erstauftreten eines bestimmten Fossils definiert und im Aufschluss markiert.
Inzwischen existieren mehr als hundert GSSPs (siehe Abschnitt unten: Liste aller GSSPs). Mit Ausnahme des Ediacariums haben bislang nur Einheiten des Phanerozoikums einen GSSP.
Das GSSP-Verfahren definiert eine chronostratigraphische Einheit durch den Typus (engl. stratotype) und dessen „Fußpunkt“ (engl. point). Der Typus besteht aus einem Referenzprofil (engl. reference section, entsprechend auch Typusprofil, engl. stratotype section, genannt) aus Sedimentgesteinen, in dessen Schichtenfolge eine bestimmte Position als Untergrenze (ebenjener „Fußpunkt“) der Einheit bestimmt wird. Diese Position wird in Anlehnung an das Bild eines großen, markierenden Nagels als Golden Spike bezeichnet. Die meisten Untergrenzen fallen mit dem erstmaligen oder letztmaligen Auftreten einer bestimmten Fossil-Spezies zusammen („biostratigraphische“ Grenzziehung) und/oder sind durch eine paläomagnetische Anomalie gekennzeichnet („magnetostratigraphische“ Grenzziehung) und/oder weisen einen stratigraphischen Marker auf, der eine Klimaanomalie oder einen Klimaumschwung anzeigt („klimatische“ Grenzziehung), wobei unter anderem Isotopenanomalien als Marker dienen. Idealerweise kommt mindestens eines dieser Merkmale weltweit in jeder entsprechend alten Schichtenfolge vor. Die so definierte chronostratigraphische Einheit umfasst alle Gesteine, die zeitlich zwischen dieser Grenze und der Grenze der folgenden, gleichrangigen Einheit gebildet wurden. Ein GSSP wird durch internationale Gremien wie der International Commission of Stratigraphy nach einem intensiven Auswahlverfahren festgelegt und wird im Sinne einer eindeutigen inhaltlichen Bezeichnung der chronostratigraphischen Einheiten von quasi allen Geowissenschaftlern akzeptiert.
Vorteile
Gegenüber anderen Verfahren (z.B. ausschließlich mittels der Biostratigraphie oder durch ein geochronologisches absolutes Alter) hat diese Art der Festlegung einer chronostratigraphischen Einheit einige Vorteile: Es ist objektiv in der Art, dass es auf eine oder mehrere unveränderliche und objektive Eigenschaften des Referenzprofils verweist. Subjektiv bleibt alleine die Übertragung dieser Eigenschaften auf Vorkommen abseits des Referenzprofils. Mit dem Fortschreiten der Erkenntnis in unabhängigen Hilfsdisziplinen, wie z.B. der Eventstratigraphie, ist eine weitere Präzisierung der Identifikation dieser Grenze in anderen Aufschlüssen möglich. Auch lassen sich dazu heute nicht bekannte, zukünftige Verfahren nutzen.
Das GSSP-Verfahren definiert direkt weder ein absolutes Alter noch ein absolutes Zeitintervall. Eine direkte absolutzeitliche Definition einer chronostratigraphischen Einheit ist auch deshalb nicht sinnvoll, weil die Methoden der relativen Datierung derzeit gegenüber den radiometrischen Verfahren der Altersbestimmung ein vielfach höheres Auflösungsvermögen besitzen, nicht zuletzt weil nur bestimmte Schichten bzw. Gesteinskörper überhaupt radiometrisch datiert werden können. Im Zuge der Anwendung verbesserter absoluter Datierungsverfahren ist es deshalb hin und wieder nötig, dass der absolute Alterswert der Grenze einer bestimmten chronostratigraphischen Einheit korrigiert werden muss (in der Regel um einige hunderttausend bis wenige Millionen Jahre, mit fallender Tendenz).
Anforderungen
Obwohl ein solcher GSSP sich in jedem beliebigen Profil im Prinzip an einer beliebigen Position definieren lässt, erfüllt ein guter, im Auswahlverfahren mehrheitsfähiger GSSP bestimmte Anforderungen. Er
ist im Umfeld des „golden spike“ möglichst frei von Sedimentationslücken
befindet sich in einer stratigraphischen Position, die möglichst mit einem leicht erkennbaren und weltweit verfolgbaren Marker zusammenfällt
bietet eine Fülle von zusätzlichen für die Korrelation nutzbaren Informationen (im Idealfall multiple biostratigraphische sowie magneto- und isotopenstratigraphische Marker)
ist für wissenschaftliche Untersuchungen verfügbar und zugänglich
untersteht einem gewissen Schutz und ist dadurch langfristig im Bestand gesichert
bildet möglichst eine historisch etablierte Grenzposition ab
Revision
Ein einmal ausgewählter und ratifizierter GSSP gilt prinzipiell als unveränderlich, sowohl geographisch als auch stratigraphisch. So kann eine neue Lokalität nur dann ausgewählt werden, wenn der ursprüngliche GSSP zerstört wurde oder dauerhaft nicht mehr zugänglich ist. Ein Umsetzen des „golden spike“ im Referenzprofil kann in Ausnahmefällen vorgenommen werden, „wenn Forschungsergebnisse, die nach der Einrichtung eines GSSP erzielt wurden, dies erforderlich machen,“ jedoch erst nach einer Sperrfrist von mindestens 10 Jahren.[3] Tatsächlich besteht bei einigen GSSPs aktuell Revisionsbedarf, da nachfolgende Untersuchungen des Profils erbrachten, dass die ursprüngliche Grenzziehung nicht optimal war (in den untenstehenden Tabellen durch rote Schrift in der Spalte „Definitionsmerkmale“ gekennzeichnet).
Biostratigraphisch: letztes relativ häufiges Auftreten (highest common occurence, HCO) der planktonischenForaminifereChiloguembelina cubensis
Biostratigraphisch: letztes Auftreten (highest occurence, HO) des CoccolithenSphenolithus predistentus (am Monte Cagnero 1 m unterhalb des HCO von C. cubensis)
Biostratigraphisch: HCO des CoccolithenSphenolithus distentus (am Monte Cagnero 4 m oberhalb des HCO von C. cubensis)
Klimatisch: Häufigkeitsintervall der kaltwasseranzeigenden Dinoflagellatencyste Svalbardella cooksoniae (am Monte Cagnero zwischen den Profilmetern 201 bis 208, was innerhalb der Polaritäts-Chronozone C9n liegt)
Fußpunkt: Profilmeter 197, 30 cm unterhalb einer 40 cm mächtigen Kalksteinbank, die in der Mitte eines 7 m mächtigen, mergeligen Intervalls herauswittert
potenzielle Kandidaten sind Lokalitäten in Südost-Frankreich
potenzielle Marker sind das Erstauftreten von Praediscosphaera columnata (kalkigesNannofossil), eine Kohlenstoffisotopanomalie („Schwarzschiefer-Episode“) und ein Ammonit
potenzielle Marker sind die Basis der magnetischen Polaritäts-Chronozone M18r, die Basis der Calpionelliden-Zone B und das Erstauftreten von Berriasella jacobi (Ammonit).
„Level“ und „Plattform“ sind hier Behelfsausdrücke für eine bessere räumliche und stratigraphische Orientierung in der monotonen, ungeschichteten Abfolge des Referenzprofils. Hierbei sind „Levels“ künstlich optisch markierte und fortlaufend nummerierte Abschnitte und die „Plattformen“ sind die stufenartig angeordneten Abbausohlen im Steinbruch.[6]
Biostratigraphisch: Erstauftreten von Dactylioceras (Eodactylites) simplex und/oder Auftreten von D. (E.) pseudocommune und/oder D. (E.) polymorphum als Repräsentanten des unteren Teils der polymorphum-Ammonitenzone.
Fußpunkt: Basis der Schicht 15e an der Ponta do Trovão („Couches de passage“ der höchsten Lemede-Formation)
Biostratigraphisch: Erstauftreten von Eoprotrachyceras curionii (Basis der E. curionii-Ammonitenzone).
Fußpunkt: Basis einer 15–20cm mächtigen Kalksteinlage, die auf eine deutlich ausgeprägte Schichtfuge (die sogenannte Chiesense groove, gebildet von einer Lage aus Kalkstein-Knollen in einer tonigen Matrix) folgt.
aussichtsreichste Kandidaten sind die Tiefwasserkarbonat-Abfolgen von Naqing (Guizhou, China) und Werchnjaja Kardailowka im südlichen Ural (Russland),[9] Entscheidung nicht vor 2018 erwartet
Biostratigraphisch: Erstes Vorkommen des ConodontenLochriea ziegleri
Biostratigraphisch (unpräzise): Erstauftreten von Siphonodella sulcata (Conodont), das nachfolgend jedoch deutlich unterhalb des Fußpunktes festgestellt wurde
Biostratigraphisch: ursprünglich die Basis der Cyrtograptus centrifugus-Graptolithenzone, die aber nicht (mehr) mit dem GSSP übereinstimmt; Neudefinition soll auf Basis von Conodonten erfolgen.
Biostratigraphisch: Knapp oberhalb des letzten Auftretens von Eocoelia intermedia und unterhalb des ersten Auftretens von Eocoelia curtisi (Brachiopoden).
Biostratigraphisch (unpräzise): Erstes Auftreten von Trichophycus pedum (Spurenfossil), jedoch ist T. pedum nachfolgend noch ca. 4,5m unterhalb des Fußpunktes nachgewiesen worden.[10]
Fußpunkt: 2,4 m oberhalb der Basis der Subformation 2 der Chapel-Island-Formation
Klimatisch: rascher Rückzug der marinoischen Eisschilde und Einsetzen von Karbonatsedimentation (sogenannte „Deckkarbonate“, engl. cap carbonates), damit verbunden ein auffälliges Muster aus lang anhaltenden Kohlenstoffisotopenanomalien
Fußpunkt: Basis des Deckkarbonats der Nuccaleena-Formation
Felix M. Gradstein, James G. Ogg, Alan G. Smith (Hrsg.): A Geologic Time Scale 2004. Cambridge University Press, 2004, ISBN 0-521-78673-8.
Felix M. Gradstein, James G. Ogg, Mark Schmitz, Gabi Ogg (Hrsg.): The Geologic Time Scale 2012. Elsevier B.V., 2012, ISBN 978-0-444-59425-9.
Michael A. Murphy, Amos Salvador (Red.): International Stratigraphic Guide — An abridged version. Episodes. Bd.22, Nr.4, 1999, S.255–271 (online), S.266ff.
Liste aller bislang festgelegten GSSPs auf der Website der ICS (englisch) mit numerischem Alter, Lokalitätsdaten, Art des oder der stratigraphischen Marker(s) usw.; ein Datenblatt mit weiteren Details ist jeweils in der ganz linken Spalte verlinkt, die Publikation der Ratifizierung in der Spalte ganz rechts
D. J. McLaren: The Silurian-Devonian Boundary Committee: a final report. S.1–34 in: A. Martinsson (Hrsg.): The Silurian-Devonian Boundary. IUGS Series A, Bd. 5. Schweizerbart, Stuttgart 1977.
„[…] if a strong demand arises out of research subsequent to its establishment. But in the meantime it will give a stable point of reference. Normally this stability should be maintained and the practical value of the boundary definition tested for a minimum period of ten years.“ zitiert aus den Revised guidelines for the establishment of global chronostratigraphic standards by the International Commission on Stratigraphy (ICS) (Remane et al., 1996) in Alan G. Smith, Tiffany Barry, Paul Bown, John Cope, Andy Gale, Philip Gibbard, John Gregory, Mark Hounslow, David Kemp, Robert Knox, John Marshall, Michael Oates, Peter Rawson, John Powell, Colin Waters: GSSPs, global stratigraphy and correlation. Geological Society, London, Special Publications. Bd.404, 2014, S.37–67, doi:10.1144/SP404.8 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate)
Formal subdivision of the Pleistocene Series/Epoch. Subcommission on Quaternary Stratigraphy 2010, abgerufen am 1. April 2016; faktisch wortgleich enthalten in B. Pillans, P. Gibbard: The Quaternary Period. S.979–1010 in Felix M. Gradstein, James G. Ogg, Mark Schmitz, Gabi Ogg (Hrsg.): The Geologic Time Scale 2012. Elsevier B.V., 2012, ISBN 978-0-444-59425-9, S.987f.
Katsumi Ueno & Moscovian-Kasimovian and Kasimovian-Gzhelian boundary task group: 2015 Work plans for the task group to establish the Moscovian-Kasimovian and Kasimovian-Gzhelian boundaries. ICS Subcomission on Carboniferous Stratigraphy, 2015 (PDF 50kB)
Alexander Alekseev & Bashkirian-Moscovianv boundary task group: 2015 Work plans for the task group to establish a GSSP close to the existing Bashkirian-Moscovian boundary. ICS Subcomission on Carboniferous Stratigraphy, 2015 (PDF 30kB)
Barry C. Richards & Viséan-Serpukhovian boundary task group: 2015 Work plans for the task group to establish a GSSP close to the existing Viséan-Serpukhovian boundary. ICS Subcomission on Carboniferous Stratigraphy, 2015 (PDF 60kB)