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deutscher Entwicklungshelfer und Häuptling der Aschanti Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Fritz Pawelzik, voller Name Hans-Fritz Pawelzik, Ehrentitel Nana Kofu Marfu II. (* 2. Dezember 1927 in Herne;[1] † 29. Januar 2015 in Mülheim an der Ruhr), war ein deutscher Schriftsteller, Missionar des Christlichen Vereins Junger Menschen, Entwicklungshelfer und Aschanti-Häuptling in der Kleinstadt Konongo.[2][3]
Fritz Pawelzik wurde am 2. Dezember 1927 in Herne als Sohn eines Bergarbeiters geboren. Sein Vater war politischer Gefangener während der Zeit des Nationalsozialismus.[4] Pawelzik gehörte der Hitlerjugend an[5] und meldete sich 1943 im Alter von 15 Jahren freiwillig zum Militärdienst. Zunächst wurde er als Kampfflieger ausgebildet, kämpfte dann aber bei den Bodentruppen an der Ostfront und im Oderbruch. Kurz vor Kriegsende geriet er in Berlin, bei der Verteidigung der Reichskanzlei, im Hotel Adlon in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam nach Leningrad. In dieser Zeit erkannte der bisherige Hitleranhänger, welchen Schaden das Hitlerregime der Welt zugefügt hatte.[5] Nach achtzehnmonatiger Gefangenschaft gelang ihm die Flucht und er kehrte nach Herne zurück.[6] Ein britischer Soldat schenkte dem Heimkehrer eine Bibel, nach deren Lektüre Pawelzik zum christlichen Glauben fand und sich aktiv im CVJM betätigte mit dem Ziel, später Missionar zu werden.[7] Seine Ausbildung erhielt Pawelzik an der CVJM-Sekretärschule in Kassel.[8]
Zunächst arbeitete Pawelzik als Bergmannsmissionar, bevor er 1959 nach einer Anfrage des YMCA Ghana im Auftrag des CVJM als Bruderschaftssekretär nach Ghana ging, um dort bis 1966 mit dem Aufbau der CVJM-Arbeit zu beginnen.[9][3] Damit setzte er die Arbeit des englischen Bruderschaftssekräters Ted Ewing fort. Er lebte mit seiner kurz zuvor geheirateten finnischen Frau Karin zunächst in Takoradi, wo sie auch als Zahnärztin praktizierte.[10] In Afrika kamen zwei Töchter und ein Sohn zur Welt.[11] 1964 zog die Familie nach Accra um. Pawelzik lud junge Männer zu Gruppen ein und bildete Mitarbeiter für die Arbeit des CVJM aus. Seine Arbeit konzentrierte sich besonders auf Schüler und Studenten, denen er für ihre Clubs Eigenverantwortung übertrug. Einige seiner ersten Mitarbeiter konnten später im YMCA Ghana, in den Kirchen und der Gesellschaft Leitungsaufgaben übernehmen. Pawelzik erreichte 1961 bei einem Besuch des Bundespräsidenten Heinrich Lübke einen Zuschuss von 100.000 DM Entwicklungshilfe für den Bau eines Lehrlingswohnheims in Accra.[12] Er baute den Sitz des nationalen YMCA auf, in dessen Gebäude auch eine Berufsschule für mittellose Jugendliche untergebracht ist, die dort eine Ausbildung zum Maurer oder Schreiner absolvieren können.[6] Ein weiteres Ausbildungscenter befindet sich in Takoradi. Der YMCA betreibt heute in Ghana mehr als 15 Kindergärten und unterhält an Schulen Vereine, in denen Jungen und Mädchen kulturell gefördert werden sollen.[6]
1966/67 studierte er als erster deutscher CVJM-Sekretär am George Williams College in Chicago und erwarb dort in nur einem Jahr den Master in Social Science.[9]
Zwischen 1967 und 1977 leitete Pawelzik das von ihm entworfenen Ausbildungs- und Fortbildungsprogramm „Christian Leadership Development Program (CLDP)“ für CVJM-Sekretäre in Ostafrika (zuständig für Kenia, Uganda, Tansania, Sambia und Simbabwe). Dieses Programm wurde von Weltbund der CVJM, verschiedenen nationalen CVJM-Verbänden sowie der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) in Bonn finanziert. Pawelzik legte Wert darauf, dass die afrikanischen CVJM die Arbeit der europäischen oder deutschen CVJM nicht einfach übernahmen, sondern eigene, regionaltypische Stile ihrer Arbeit entwickeln konnten. Das spiegelte sich umgekehrt auch darin, wie er z. B. die konkrete afrikanische Gebetssprache ins Deutsche übersetzte und bekannt machte. Er konnte diese Arbeit der afrikanischen CVJM weiter begleiten, als er von 1977 bis 1981 beim CVJM-Weltdienst in Genf in der weltweiten Mitarbeiterausbildung tätig war.[13] Auch als er wieder nach Deutschland zum CVJM-Westbund zurückkehrte, reiste Pawelzik weiterhin regelmäßig nach Afrika. In Deutschland setzte er sich dafür ein, YMCA-Vereine in Ghana und Sierra Leone gleichberechtigt mit deutschen CVJM-Ortsvereinen zu vernetzen und dazu einen persönlichen Austausch von Mitarbeitern zu ermöglichen.[9][3][7] Durch seine Initiative entstanden über 40 Vereins- und Ortspartnerschaften zwischen Deutschland und Ghana, später auch zwischen Deutschland und Sierra Leone.[14] In Deutschland hielt Pawelzik zahlreiche Vorträge in Schulen und anderen Institutionen, in denen er insbesondere Jugendlichen über die Zeit des Zweiten Weltkriegs und seinen Sinneswandel zu einem Neuanfang und einem, wie er es selbst nannte, gütigen Leben berichtete.[6] Pawelzik war nicht nur ein äußerst engagierter Mitarbeiter für die weltweite CVJM-Arbeit, sondern auch ein begnadeter Erzähler. Seine fundierte Bildung konnte er perfekt auf die jeweiligen Verhältnisse herunter brechen, aber auch „ganz oben“ mit dem nötigen Nachdruck vertreten. Er lebte ein fast kindliches Christentum in einer auch für Atheisten und Andersgläubige einladenden Offenheit. In evangelikalen CVJM-Kreisen stieß seine soziologisch fundierte Arbeit immer wieder auf Kritik, von der er sich aber nie entmutigen ließ. Bis zu seinem Ruhestand 1992 war Pawelzik im CVJM-Westbund für dessen Weltdienstarbeit zuständig.[3]
Pawelzik konnte spannend erzählen, insbesondere wie er 1994 Ashanti-Häuptling auf Lebenszeit wurde, und ist gerne in der traditionellen Tracht mit seinem Häuptlingsschwert aufgetreten. Im Nachruf des CVJM Ostwerk e.V. heißt es dazu: „In der Kleinstadt Konongo in der Region des Stammes der Ashanti, wo er beim Ausbau eines Krankenhauses mitwirkte, ernannte man ihn aus Dankbarkeit zum Häuptling. Unter dem Namen 'Nana Kofu Marfu II.' wurde er lebenslanges Mitglied des Leitungsgremiums der Stadt und war 'Chief für die Entwicklung von Konongo'. Im traditionellen Stammes-Outfit berichtete Fritz Pawelzik auf unzähligen Veranstaltungen über sein abenteuerliches Leben in Afrika – spannend, humorvoll, originell und mit ganz viel Herz.“[15] Bis ins hohe Alter flog er einmal jährlich zu den Aschanti und absolvierte dort ein Programm mit vielen protokollarischen Pflichten und half vielen finanziell mit seinen in Deutschland gesammelten Spenden, womit er Kindergärten, Berufsschulen und Kliniken bauen ließ.[6][3]
Er starb im Evangelischen Krankenhaus in Mülheim an der Ruhr nach kurzer schwerer Krankheit im Beisein von zwei seiner Kinder, die in Düsseldorf und Amsterdam wohnen.[3] Noch zu seiner Lebenszeit haben die Ashanti, ein großer Stamm in Ghana, Sabine Drescher zur designierten Nachfolgerin ihres deutschen Häuptlings Fritz Pawelzik gekürt – sie soll nach seinem Tod „Queenmother“ werden.[16]
Günther Haas, ehemaliger Weltdienst-Referent des CVJM-Gesamtverbandes, erinnert sich an seinen Weggefährten.[17]
Carmen Behrens, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim CVJM-Ostwerk e. V., hat ihn in ihrem Nachruf als beeindruckende Persönlichkeit, die allezeit ihre Stimme für den Frieden und Völkerverständigung im Sinne des Evangeliums erhob, bezeichnet. Seine große Liebe habe dem Frieden und Afrika gegolten.[3]
Andreas Altmann, selbst Atheist, hatte ihn 2004 nach Ghana begleitet. Er fand die Folklore, die um den Häuptling in Ghana gemacht wurde, eher rührend und anstrengend. Er schrieb auch von Dritten, die in Pawelzik einen alten Mann sähen, der nur sein eigenes Ego mit den Auftritten in Afrika bestärke und dabei übersähe, dass diese ihn „abzocken“.[6]
Der SCM Hänssler-Verlag bewirbt Pawelziks autobiografisches Buch mit den Worten, es sei „das bewegende Vermächtnis eines beeindruckend menschlichen Originals“.[18]
Weitere Nachrufe von Zeitzeugen, darunter:
Pawelzik veröffentlichte mehr als 40 Bücher, in denen er vor allem seine Erlebnisse aus Afrika verarbeitete. Einige der Werke erschienen in Auflagen von bis zu 80000 Stück und wurden in 18 Sprachen übersetzt.
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