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Ein Freudscher Versprecher (nach Sigmund Freud), auch Freudsche Fehlleistung oder lateinisch Lapsus Linguae genannt, ist eine sprachliche Fehlleistung, bei der angeblich ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zutage tritt.
Bei der Bewertung eines scheinbar sinnvollen Versprechers als einer Freud’schen Fehlleistung wird davon ausgegangen, dass in der Bedeutungsabweichung, die durch einen Versprecher entsteht, eine unbewusste Aussage zum Vorschein kommt. Es wird also nicht angenommen, dass solchen Versprechern eine einfache, (neuro-)physiologische oder auch assoziative Beeinflussung der Sprachproduktion zugrunde liegt,[1][2] sondern behauptet, dass es vor allem eine psychische Ursache dafür gibt. Bei den Freudschen Fehlleistungen würde somit anstelle des eigentlich Gemeinten etwas gesagt werden, das dem Gedachten ggf. sogar besser entspräche und in diesem Sinne interpretiert werden könnte.
Die Existenz eines solchen Phänomens wurde durch Freud (1900, 1904) in Zur Psychopathologie des Alltagslebens behauptet. Seit dem allgemeinen Bekanntwerden der auf Freuds Befunde gestützten Theorie der Fehlleistungen hat jemand, dem ein solcher Versprecher unterläuft, einen schlechten Stand, seinem Publikum nachzuweisen, dass es sich gar nicht um einen Lapsus der Freudschen Art handelt, wohingegen vor Freuds Zeit solch ein Versprecher lediglich ein Anlass zur Heiterkeit gewesen wäre, oder eventuell begleitet von völligem Unverständnis, auch empörtem Getuschel.
Ein Beispiel, das Freud aus dem Werk Versprechen und Verlesen: eine psychologisch-linguistische Studie (1895) des österreichischen Sprachwissenschaftlers Rudolf Meringer übernahm, sei hier berichtet:[3]
„Ein Mann erzählt von irgendwelchen Vorgängen, die er beanstandet, und setzt fort: Dann aber sind Tatsachen zum ‚Vorschwein‘ gekommen. ([…] Auf Anfrage bestätigt er, dass er diese Vorgänge als ‚Schweinereien‘ bezeichnen wollte.) ‚Vorschein und Schweinerei‘ haben zusammen das sonderbare ‚Vorschwein‘ entstehen lassen.“
Diese Bewertung hatte also nicht verbalisiert werden sollen, hatte sich aber Bahn verschafft, indem sie sich in die aktuelle Äußerung als (Freudscher) Versprecher einschob. Aufgrund spezifischer Motivation kann man erst dann, nämlich bei solchen, einen Nebengedanken unterdrückenden Maßnahmen, von einer eigentlichen „Fehl“-Leistung sprechen.
Freudsche Versprecher sind solche, bei denen eine psychische Motivation angenommen wird, ein „Sinn“, wie es bei Freud heißt, um eine Abgrenzung gegen die Urteile „Zufall“ oder „physiologischer Hintergrund“ als Ursache solcher (Fehl- oder richtigen) Leistungen vorzunehmen. An dieser Bestimmung wird zugleich die Bandbreite des Problemfeldes deutlich: Einerseits handelt es sich um ein Phänomen. Das heißt: Es ist für den Sprecher mindestens potentiell erkennbar, dass seinen Zuhörern etwas zu Ohren kam, was so nicht bewusst beabsichtigt gewesen war; in einer empirischen Untersuchung wurde allerdings festgestellt, dass ein Großteil der in natürlichen Gesprächssituationen vorkommenden Versprecher unbemerkt bleibt, auch wenn trainierte Personen aufgefordert werden, solche festzuhalten.[5] Andererseits handelt es sich bei Freuds Aussage, es stecke allgemein ein „Sinn“ hinter allen sog. „Freudschen Fehlleistungen“, um die wissenschaftliche Interpretation eines Phänomens: Unter der Prämisse, dass der Versprecher einen unbewussten oder vorbewussten Beweggrund zur Ursache habe – einen erkennbaren Sinn oder eine Struktur – besteht die erste Aufgabe darin, zu untersuchen, welcher Beweggrund als der wahrscheinlichste angenommen werden kann.
Gegenüber dieser Vorgehensweise spaltet sich das wissenschaftliche Lager in mindestens drei Teile auf:
Neurolinguistischen Untersuchungen zufolge existieren organisch bedingte oder zufällig auftretende Störungen des ordentlichen Sprachablaufs. Grund können beispielsweise Zerstörungen oder Fehlbildungen von Arealen des Sprachzentrums im Gehirn sein. Daher ist es nicht sinnvoll, hinter jeder Art von Versprechern eine Freudsche Fehlleistung zu vermuten.
Die Versprecherforschung im Rahmen der kognitiven Linguistik untersucht den Zusammenhang zwischen sprachlichen Strukturen und auftretenden Versprechertypen. Die hierbei gefundenen Erklärungen für unterschiedliche Arten von Versprechern machen in vielen Fällen die Annahme einer psychischen Ursache im Sinne der Freudschen Theorien überflüssig (siehe Linguistische Versprecher-Theorien).
Insbesondere aber ist die Frage der Motivierung bei lexikalischen Versprechern nicht unangebracht. Je nachdem, welche Auffassung man von den psychischen Vorgängen und der „Topologie des psychischen Apparates“ hat, wird man dem Unbewussten mehr oder weniger Wirkungskraft zuschreiben.
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