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Arvalbrüder

römisches Zwölferkolleg von Priestern Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Arvalbrüder
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Die Arvalbrüder (lateinisch fratres arvales) waren ein römisches Zwölferkolleg von Priestern. Ihre Bedeutung ist ursprünglich „Gebrüder des Ackers“ (arvum ‚Feld, Acker‘). Sie waren die Priester der ansonsten unbekannten römischen Göttin Dea Dia, einer Fruchtbarkeitsgöttin. Ihr Versammlungsort war der heilige Hain der Dea Dia an der Via Campana, südöstlich von Rom am rechten Ufer des Tibers.

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Büste des Kaisers Lucius Verus als Arvalbruder (Louvre, Paris, Inventarnummer Ma 1169)
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Geschichte

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Der Kult ist sehr alt und war schon in den Zeiten der römischen Republik kaum mehr verständlich. Ursprünglich sollen die zwölf Priester Söhne der Acca Larentia gewesen sein, die eine Geliebte des Herkules und Gemahlin des Faustulus sowie Amme des Romulus war.[1] Das Kollegium bestand wohl ursprünglich nur aus Patriziern, die sich einen magister (Lehrmeister) zum Sprecher wählten. Neben ihm wirkte der flamen, ein besonders hervorgehobener Priester. Die Mitgliedschaft war lebenslang und wurde durch Kooptation ergänzt.

Nachdem die kultische Vereinigung in den republikanischen Zeiten wahrscheinlich längst nicht mehr existierte und jedenfalls kaum noch von Bedeutung war, wurde sie durch Augustus 27 v. Chr. wiederbelebt. Dies war Teil seines großangelegten ideologischen und politischen Programms, die religiösen und gesellschaftlichen „Sitten der Vorfahren“ (mores maiorum) wiederzubeleben – was nicht zuletzt zum Ziel hatte, sich in der letzten Phase der Römischen Bürgerkriege gegen Marcus Antonius durchzusetzen, der in seiner Politik mit vielen Traditionen brach und daher von Augustus als „unrömisch“ diffamiert wurde. Die überlieferten Riten der Arvalbrüder enthalten Hinweise, dass Augustus und seine Helfer nach alten, in Vergessenheit geratenen Kulten und Kulthandlungen recherchierten und dabei auch Elemente neu zusammenfügten, die in der frührömischen Zeit in ganz andere Kontexte gehört hatten (sogenannte erfundene Tradition).[2] Gleichzeitig wurden die neu zusammengestellten Arvalbrüder bald mit Aufgaben rund um den Kaiserkult betraut. Die Arvalbrüder opferten nun auch an Gedenktagen der Kaiser zu ihrem Wohl. Augustus selbst und sein Freund Marcus Vipsanius Agrippa gehörten zu den ersten Mitgliedern der neu erstandenen Priesterschaft.

Die Arvalbrüder wurden nunmehr vom Kaiser (vor-)ausgewählt und legten ihr Gelübde vor der kaiserlichen Familie ab. Die Mitgliedschaft war nicht mehr auf Patrizier beschränkt. Die Kaiser und einzelne Angehörige ihrer Familie waren Mitglieder des Kollegiums, so zum Beispiel Tiberius Iulius Caesar Nero, genannt Gemellus, der von Caligula später als Konkurrent um den Thron ermordet wurde. Erst mit dem ausgehenden dritten Jahrhundert verlor der Kult wieder an Bedeutung. Das letzte inschriftliche Zeugnis stammt aus dem Jahr 304 und nennt den letzten bekannten Arvalbruder namens Annius Rufus.[3]

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Kulthandlungen

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Die Arvalbrüder führten in der Kaiserzeit detailliert Protokoll über ihre Zusammenkünfte und Kulthandlungen und ließen diese Chronik, die sogenannten Arvalakten, auf Steintafeln einmeißeln, die in ihrem heiligen Hain im Heiligtum der Dea Dia an der Via Campana aufgestellt wurden. Diese Inschriften bieten seltene Einblicke in die alltäglichen Abläufe der römischen Staatskulte und teilweise auch in historische Ereignisse, wenn die Arvalbrüder sich beispielsweise anlässlich eines kaiserlichen Sieges versammelten. Zu den Kultbestimmungen, die sich aus den Texten rekonstruieren lassen, gehört beispielsweise die Festlegung, dass Eisen und auf der Töpferscheibe gedrehte Gefäße in dem heiligen Hain verboten waren.

Neben alten Göttern wie der Dea Dia und dem Quellgott Fons wurde der Kapitolinischen Trias geopfert. An einer Stelle der Arvalakten findet sich als Zitat eingeschoben ein an Mars gerichtetes altes Kultlied der Arvalbrüder, das sogenannte Carmen Arvale. Dieses Gebetslied war wohl schon den kaiserzeitlichen Priestern, zu deren Zeit es inschriftlich festgehalten wurde, nicht mehr ganz verständlich. Es beginnt mit den Worten ENOS LASES IUVATE – „Helft uns, Laren“. Der dazugehörige, im Text erwähnte Tanz, der triumpus (Dreischritt), wurde auch im Triumphzug getanzt, der ihm seinen Namen verdankt.

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Literatur

  • Babett Edelmann: Arvalbrüder und Kaiserkult. Zur Topographie des römischen Kaiserkultes. In: Hubert Cancik (Hrsg.): Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-147895-9, S. 189–205.
  • Jörg Rüpke, Bernd Nüsslein, Helmut Pannke: Fasti sacerdotum. Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v. Chr. bis 499 n. Chr. (= Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge. Band 12). 3 Teilbände, Franz Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-07456-2.
  • John Scheid: Romulus et ses frères. Le collège des frères arvales, modèle du culte public dans la Rome des empereurs (= Bibliothèque des Ecoles française d’Athènes et de Rome. Band 275). École Française de Rome, Rom 1990, ISBN 2-7283-0203-0.
  • John Scheid: Le collège des Frères Arvales. Étude prosopographique du recrutement (69–304) (= Saggi di storia antica. Band 1). „L’Erma“ di Bretschneider, Rom 1990, ISBN 88-7062-679-2.
  • John Scheid: Arvales fratres. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01472-X, Sp. 67–69.
  • John Scheid: Recherches archéologiques à la Magliana. Commentarii Fratrum Arvalium qui supersunt. Les copies épigraphiques des protocoles annuels de la confrérie arvale (21 av.–304 ap. J.–C.). Unter Mitarbeit von Paola Tassini und Jörg Rüpke (= Roma Antica. Band 4). École Française de Rome, Rom 1998, ISBN 2-7283-0539-0 (Edition aller Fragmente der Arvalakten; zu den einigermaßen gut erhaltenen Fragmenten auch eine französische Übersetzung).
  • John Scheid: Ad Deam Diam. Ein heiliger Hain in Roms Suburbium (= Spielräume der Antike. Band 5). Franz Steiner, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-515-12327-3 (knappe Einführung in den Kult der Dea Dia und seine Aussagekraft für das Wesen der römischen Religion).
  • Georg Wissowa: Arvales fratres. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,2, Stuttgart 1896, Sp. 1463–1486.
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Einzelnachweise

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