Steinmetz der Spätgotik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Franz Sickinger (geb. vor 1470; gest. nach 1503) war ein deutscher Steinmetz der Spätgotik, der von 1475 bis 1503 in Burghausen tätig war.
Über Abstammung und Herkunft von Franz Sickinger gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Zu vermuten ist, dass Sickinger schon um 1470 als Lehrling oder bereits als Geselle in der Werkstatt der Brüder Hans und Matthäus Haldner in München tätig war. Gegen 1475 ließ sich Sickinger als selbstständiger Meister in Burghausen nieder, wo er 1489 als Bürger nachweisbar ist. Er übernahm eine bereits bestehende Werkstatt, vermutlich vom Meister der Lehnberger Wappengrabsteine, dessen Werke sich seit Mitte des 15. Jahrhunderts im Rentamt Burghausen nachweisen lassen. Wo sich die Werkstatt in Burghausen befand, ist nicht überliefert. Vermutlich war Sickinger Mitglied der wohl 1459 gegründeten, aber mit Sicherheit erst 1478 belegten Burghauser Steinmetzenbruderschaft. Sickinger wurde früh mit bedeutenden Aufträgen betraut und wahr wohl zeitweise der angesehenste Meister seines Faches im Teilherzogtum Bayern-Landshut. Seine letzten bekannten Werke entstanden im Jahr 1503 für das Kollegiatstift Altötting. Möglicherweise kam Sickinger beim Burghauser Stadtbrand am 10. November 1504 ums Leben. Sein von ihm selbst noch zu Lebzeiten erstellter Grabstein befindet sich heute in der Turmhalle von St. Jakob in Burghausen.
Sickingers künstlerische Handschrift ist sehr charakteristisch. Seine besonders sorgfältig ausgearbeiteten Inschriften wurden von der von den Haldnern verwendeten Schriftart abgeleitet. Besonders bei den Initialen entwickelte Sickinger eigenständige Formen. So wurden beispielsweise die Großbuchstaben A und H häufig besonders, z.B. mit Spottmasken verziert. Sich um den Plattenrand ziehende gewellte Schriftbänder mit einem Männlein als Wappenschildhalter sind besonders in seinem Spätwerk häufig anzutreffen. Charakteristisch sind auch die Zeichen und Zierelemente, die in die Schrift eingefügt wurden oder mit denen Lücken am Zeilenende gefüllt wurden. Diese Rosetten, Blütenstengel oder stilisiertes Ast- und Laubwerk zeichnen sich sowohl durch eine besondere Fülle als auch außerordentliche formale Vielfalt aus.
Sickingers Werke sind ausschließlich aus rotem Kalkstein, sogenanntem Rotmarmor, gearbeitet.
Frühwerk
Um 1475: Grabplatte für den Kanoniker Ulrich Stettner im Kloster Baumburg
Um 1446: Gedenkstein für die selige Irmingard in Frauenchiemsee
1446: Grabplatte für die Äbtissin Magdalena Auer von Winckl in Frauenchiemsee
1476: Grabplatte für Margarete Frauendienst in Frauenchiemsee
Grabplatte für den Bürger Friedrich Möringer und seine Frau Katharina († 1475); Gartenmauer der Stadtapotheke Burghausen
Um 1476/77: Deckplatte der Thumba für Georg von Laiming und seine Frau Anna in St. Rupertus (Amerang)
1477: Gedenkstein des Turnieradelsgeschlechts der Taufkirchner, früher in der Taufkirchnerkapelle, jetzt im Langhaus der Augustinerchorherrenstiftskirche, Kloster Baumburg
Grabplatte für den Kanoniker Georg Perfaller († 1478) im Kloster Baumburg
Grabplatte für den Klosterrichter Thomas Waldner († 1487) in Frauenchiemsee
Um 1483/84: Grabplatte für den Traunsteiner Bürger Hans Rinkheimer († nach 1513) und dessen Ehefrauen Magdalena und Elisabeth, Pfarrkirche in Haslach (Traunstein)
Um 1483/84: Grabplatte für den Adeligen Thomas Trenbeck und seiner Schwägerin Margerete Trenbeck, geb. Radlkofer im Pflaster des Kollegiatstifts-Kreuzgangs (Altötting)
Epitaph des Geschlechts der Schweibermair in der (von Osten) 5. Seitenkapelle im südlichen Seitenschiff von St. Martin (Landshut)
Grabstein für Ulrich Zächenperger († 1491) an der Choraußenwand von St. Jakob (Burghausen)
Um 1493: Grabstein für den Steinmetz Franz Sickinger und den Meister Stephan Lederer und ihre Frauen im Turmuntergeschoß von St. Jakob (Burghausen)
Grabplatte für Elisabeth Trenbeck († 1493) an der Südaußenwand von St. Stephan (Braunau)
Um 1493: Grabplatte für Luzia Apfentaler in der Pfarrkirche in Haslach (Traunstein)
Epitaph für den herzoglichen Markt- und Landrichter Gebhard Schirnecker († 1493) und seine Frau Barbara, geb. Venedig(er) an der Südaußenwand von St. Andreas (Trostberg)
Um 1494/95: Grabplatte für den Bürger Stephan Polntrescher, seine Hausfrau Magdalena und deren Bruder Hans Golter in St. Johannes der Täufer (Passau)
Grabplatte für den Adeligen Carl Kärgl zu Obersüßbach († 1495) und seine Gemahlinnen Margarete von Harsch und Dorothea von Freudenberg in der Preysingkapelle, Kloster Seligenthal (Landshut)
Epitaph für den Maler Wolfgang Reuter († 1495) in St. Stephan (Braunau)
Grabplatte für den Kanoniker Erasmus Pullinger († 1495), Kloster Baumburg
Grabplatte für den Traunsteiner Bürger Conrad Schwaiger († 1495) und seine Ehefrau Magdalena sowie für Wolfgang Schwaiger († 1505) in der St. Michaelskapelle in Haslach (Traunstein)
Grabplatte für den Kaplan Wolfgang Kapler († 1495) an der Friedhofsmauer der Pfarrkirche in Haslach (Traunstein)
Grabplatte für den Traunsteiner Bürger Heinrich Straßberger († 1485) und dessen Ehefrau Elisabeth sowie für Andreas Straßberger an der westlichen Friedhofsmauer der Pfarrkirche in Haslach (Traunstein)
Grabplatte für den Priester Johannes Goltperger († 1495) in St. Andreas (Trostberg)
Spätwerk
Epitaph und Grabplatte für Doktor Johannes Parreyt († 1497) in St. Stephan (Braunau)
Fragment einer Grabplatte für N. Mauerperger und seine Ehefrau († Ende des 15. Jahrhunderts) an der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus (Neuötting)
Volker Liedke: Die Burghauser Sepulkralskulptur der Spätgotik. Teil 1: Zum Leben und Werk des Meisters Franz Sickinger (= Burghauser Geschichtsblätter Band 36; = Ars Bavarica Band 21/22; = Studien zur Sepulkralskulptur der Gotik und Renaissance in Deutschland und Österreich Band 3, 1). Burghausen 1981.
Markus T. Huber: Von "märbelstainernen Säulen" und "verruckhten Altären". Der spätgotische Lettner der Altöttinger Stiftskirche und seine Relikte. In: Passauer Jahrbuch 58, 2016, S. 221–237.