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tschechischer Historiker und Politiker Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
František Palacký (* 14. Juni 1798 in Hodslavice, Mähren; † 26. Mai 1876 in Prag) war ein böhmisch-österreichischer Historiker und Politiker. Die Universität in Olmütz trägt seit 1990 seinen Namen.
František Palacký war der Sohn des evangelisch-lutherischen Dorfschullehrers Jiří (Georg) Palacký in Hodslavice bei Olmütz in Nordmähren. In seiner Familie wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Deutsch gesprochen.[1] In deutscher Sprache verfasste er später seine wichtigsten Schriften. Gleichwohl sprach er auch Tschechisch.[2] Sein Vater schickte ihn von Weihnachten 1807 bis Juli 1809 auf die freisinnige Privatschule der Gräfin Maria Walburga von Waldburg-Zeil-Lustenau-Hohenems in Kunewald. Von August 1809 bis Juni 1812 besuchte er die Lateinschule in Trentschin, anschließend bis 1819 die evangelisch-theologische Lehranstalt in Preßburg und war danach als Privatlehrer in adligen Familien tätig.
Im Jahr 1823 wurde er in Prag zunächst Archivar der Grafen Sternberg. Von 1827 bis 1838 war er in der Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen engagiert und Redakteur der tschechischen Zeitschrift des böhmischen Landesmuseums (Monatschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums)[3] in Prag, an deren Gründung und Aufbau zu einem Sprachrohr tschechischer Intellektueller er großen Anteil nahm. 1830 war er Gründungsmitglied der tschechischen kulturellen Vereinigung Matice česká und des Vereins zum Bau des tschechischen Nationaltheaters. Seit 1838 war er Landeshistoriograph der böhmischen Stände.
Im Jahr 1832 begann František Palacký an einer umfangreichen Geschichtsdarstellung seiner Heimat zu schreiben, die ab 1836 in deutscher Sprache (unter dem Titel Geschichte von Böhmen, bis 1867 in fünf Bänden) und ab 1848 vor dem Hintergrund der Revolution von 1848/1849 im Kaisertum Österreich auch in tschechischer Sprache unter dem bedeutsam veränderten Titel Dějiny národu českého v Čechách a v Moravě („Geschichte des tschechischen Volkes in Böhmen und Mähren“) erschienen ist. Dabei griff er auch auf die quellengesättigte, unter dem Titel Moravopis erschienene Darstellung der mährischen Geschichte durch Tomáš Pešina zurück.[4] Palacký widmete sein Hauptwerk den Ständen des Königreichs Böhmen, die diese wissenschaftliche Arbeit finanziert und dadurch erst ermöglicht hatten.
Er unternahm auch den Versuch, ein tschechisches Nachschlagewerk vom Typ der Brockhaus Enzyklopädie herauszugeben, ein Unternehmen, welches sein Schwiegersohn František Ladislav Rieger zum Abschluss und Druck brachte (Riegrův slovník naučný). Im Revolutionsjahr 1848 wurde Palacký von dem die deutsche Nationalversammlung vorbereitenden Fünfzigerausschuss in die Frankfurter Nationalversammlung eingeladen, lehnte aber seine Teilnahme sowie den Anschluss slawischer Gebiete an ein Deutsches Reich ab. Er vertrat die Meinung, dass die slawischen Gebiete wie Böhmen und Mähren nicht ausreichend in ihrer historischen Existenz berücksichtigt seien. Palacký wollte keinen Nationalstaat, sondern das Fortbestehen des übernationalen Kaisertums Österreich: „Wahrlich, existierte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müsste im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen.“[5] Vertreten waren in der Frankfurter Paulskirche daher nur die 33 Abgeordneten deutscher Muttersprache aus Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien.
Nach dem Scheitern des Prager Pfingstaufstandes im Jahr 1848 war Palacký Mitglied der österreichischen Volksvertretung in Wien und Kremsier, Präsident des Slawenkongresses in Prag, 1861 Mitglied des österreichischen Herrenhauses und 1861 bis 1875 Abgeordneter des böhmischen Landtags unter fördernder Freundschaft des Prager Gubernialpräsidenten Karl Chotek von Chotkow. Er beharrte aber auf der Gleichberechtigung des tschechischen Volkes innerhalb der Monarchie. Als nach dem Österreich-Ungarischen Ausgleich von 1867 eine entsprechende Gleichberechtigung der Tschechen ausblieb, veränderte sich seine zuvor loyale und reformorientierte Einstellung zur Monarchie Österreich-Ungarn und er knüpfte in Russland Kontakte zu panslawischen Kreisen.
František Palacký wurde Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Mitglied der Königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag, auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München und zahlreicher weiterer wissenschaftlicher und kultureller Vereinigungen und erhielt als Historiker in der tschechischen Presse den Ehrentitel eines „Otec národa“ (Vater der Nation). František Palacký verstarb im Mai 1876 in Prag im Alter von 77 Jahren. Die Universität in Olmütz trägt seit 1990 seinen Namen als Palacký-Universität Olmütz.
1827 heiratete Palacký in Předslav, nachdem er unter Schwierigkeiten die erwünschte Heiratskaution aufgebracht und sich zur katholischen Erziehung der gemeinsamen Kinder verpflichtet hatte, Terezie Měchurová (1807–1860), eine Tochter des Gutsbesitzers im westböhmischen Otín (heute Teil von Klatovy) Jan Měchura und Schwester des Komponisten Leopold Eugen Měchura. Der Ehe entstammte der Geograph und Politiker Jan Palacký (* 10. Oktober 1830 in Prag; † 22. Februar 1908 ebenda), Dr. phil. und Dr. jur. mit Studienaufenthalten u. a. in Paris, Berlin und München; 1891 bis 1902 ordentlicher Professor an der Karls-Universität in Prag, dessen Publikationen über Pflanzen-, Tier- und Regionalgeographie in tschechischer, deutscher und französischer Sprache erschienen sind, sowie Marie Riegrová-Palacká (1833–1891), die mit dem Politiker und Redakteur František Ladislav Rieger (1818–1903) verheiratet war.
Mit Nachdruck setzte sich Palacký in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der tschechischen Nationalbewegung ein, förderte die Gründung des Nationaltheaters in Prag und war Präsident des ersten Slawenkongresses in Prag 1848.
Besonders hervorzuheben sind Palackýs Forschungen zur tschechischen Geschichtsschreibung. Im Auftrag des böhmischen Adels entwickelte er ein Konzept der kontinuierlichen rechtlichen Existenz des Böhmischen Königreiches innerhalb der Habsburgermonarchie (Böhmisches Staatsrecht). Er ging in verklärender Sicht davon aus, dass die Slawen seit frühesten Zeiten ein friedliches und demokratisches Volk waren. Seine Betrachtung der tschechischen Geschichte des Mittelalters stützte sich zum Teil auf die Königinhofer und Grünberger Handschrift – Fälschungen des Archivars Václav Hanka, wie sich später herausstellte. Die Hussiten sah er als Vertreter einer demokratischen Grundhaltung an, die Niederlage der böhmischen Stände in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag und die darauf folgende Rekatholisierung in Böhmen hingegen als nationale Katastrophe. Diese Geschichtsbetrachtung wirkte bis ins 20. Jahrhundert. Sie wurde nach 1948 von der kommunistischen tschechoslowakischen Regierung in den Jahren in veränderter Form auch gegen Besitzende der eigenen Volksgruppe instrumentalisiert.
Für seine historischen Forschungen reiste Palacký in etwa siebzig europäische Archive, im Vatikan in Rom fertigte er über 400 Abschriften aus den dortigen Archivbeständen an. Seine Sprachkenntnisse waren bemerkenswert. Neben Tschechisch, Deutsch und Latein waren es Altslawisch, Ungarisch, Russisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch.
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