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Expertokratie ist ein Kunstwort und bedeutet die Herrschaft oder Deutungshoheit von Experten oder Sachverständigen.
Der Begriff wurde in den 1960er-Jahren geprägt und bezeichnet den zunehmenden Prozess, dass politische Entscheidungen an Behörden, Gremien und wissenschaftliche Experten delegiert werden und so aus dem politischen Raum genommen werden.[1] Wolfgang Rieger warnte 1964 in einem Zeit-Essay, wenn Politiker und Wissenschaftler sich verbünden, um zu wichtigen politischen Fragen nur noch eine mögliche Lösung anzubieten, dann werde „aus der Demokratie eine Expertokratie“.[2]
Man kann es auch als Sammelbegriff verstehen für z. B.:
In einer Expertokratie werden Experten mit der Aussicht auf Macht, Einfluss und lukrative Aufträge an die Politik gebunden. Sie befinden sich in einer prekären Situation. Sie üben Macht aus, die sich aus ihrem Wissen gründe; diese Macht ist ihnen aber nur von der Politik verliehen und kann ihnen jederzeit entzogen werden. Sie müssen etwas zu sagen haben, um nicht das Interesse des Politikers zu verlieren, aber zugleich müssen sie dessen Erwartungen bedienen.[3]
Experten widersprechen einander; Politiker können sich Experten auswählen, die ihrer Agenda entsprechen. Es gibt Kämpfe zwischen den Experten, bei denen sie sich gegenseitig zu diskreditieren versuchen. Große Experten nehmen oft eine Gatekeeper-Funktion wahr und wollen regulieren, welche Experten sich an der Debatte überhaupt beteiligen dürfen.[4]
Gegen-Experten und -Gutachten können gekauft werden, um zu behaupten, die Experten seien sich uneins.[5]
Experten irren sich, vertreten mitunter das genaue Gegenteil dessen, was sie gestern noch vertreten haben; manchmal erweisen sie sich auch als Scharlatane.[6]
Hans-Georg Gadamer kritisierte 1966, dass die Konjunktur der Experten die Versuchung darstelle „sich hinter die Entscheidungsinstanz der Wissenschaft zu verstecken, wenn man in Wahrheit seine eigenen Interessen verfolgt“.[7]
Der US-Arbeitsminister Robert Reich kritisiert, dass sich die Wirtschaft zunehmend Experten kauft, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Er habe das schon in den 1970er-Jahren als Mitarbeiter des Handelsministeriums beobachtet, jedoch färbten damals die Experten ihre dargelegten Fakten noch so ein ohne dabei ihre professionelle Integrität zu verkaufen und zu verlieren. Aber in den 1990er-Jahren hätten viele Experten durch zunehmende Konkurrenz unter ihnen und immer bessere Bezahlung durch Unternehmen und Lobbyisten ihre diesbezügliche „Scham“ abgelegt und in Anhörungsverfahren im Arbeitsministerium, selbst in Anwesenheit der Presse Argumente vorgebracht, die ihnen selbst verlogen vorgekommen sein müssen. Er fordert, dass Experten in Anhörungsverfahren ihre finanziellen Beziehungen zu den beteiligten Parteien offenlegen müssen.[5]
Peer Steinbrück beklagte 2010 die zunehmende Expertokratie in der Demokratie. „Politik – Experten – Medien“ bewegen sich in einem engen Beziehungsgeflecht. Es sei eine ganze „Priesterkaste hauptberuflicher Einschätzer“ entstanden, weil Politik und Medien ihre Positionen gern durch scheinbar neutralen Sachverstand untermauern wollen. Trotz eklatanter Irrtümer und Widersprüche dieser Experten genössen diese ein Vertrauen in der Bevölkerung wie kaum eine andere Berufsgruppe. Diese Experten verstehen die Kunst der Selbstinszenierung und tragen keinerlei Verantwortung für ihre Einschätzungen.[8]
Philipp von Wussow meint, dass Politikexperten kein politisches Großereignis der letzten 50 Jahre annähernd voraussagen konnten. Sie wurden von der Iranischen Revolution, dem Mauerfall, 9/11 und dem Aufstieg des globalen Terrors völlig überrascht.[9]
Kritik wird auch in der Strafrechtsverfolgung geäußert, wo bestimmte Interessengruppen nicht oder nur minder vertreten werden, wohingegen vonseiten der „Experten“ eine starke Einflussnahme in demokratische Abläufe möglich sein kann.[10]
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