Evangelische Stadtkirche (Wanfried)
Kirchengebäude im Werra-Meißner-Kreis, Hessen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Evangelische Stadtkirche in Wanfried, einer Stadt im Werra-Meißner-Kreis in Hessen, ist ein im neugotischen Stil gehaltener Sakralbau. Sie gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Wanfried im Kirchenkreis Werra-Meißner der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Architektur und Ausstattung sind nahezu stilrein und entsprechen dem Eisenacher Regulativ von 1861.
An der Stelle, an der sich heute die Stadtkirche befindet, stand bis zu ihrem Abriss die St.-Veits-Kirche, die auch Vituskirche genannt wurde; sie ist zurückzuführen auf ein kleines, bereits im 7. Jahrhundert errichtetes Holzblockhaus als Kapelle.[1]
In Ferdinand von Pfisters Kleines Handbuch der Landeskunde von Kurhessen aus dem Jahr 1840 wird für die St.-Veits-Kirche ein 800-jähriges Alter angegeben und vermutet, dass diese „[...] zum Theil, wie man glaubt, noch die Mauern Winfrieds [...]“ enthalte.[2]
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprach sich der Landesbaumeister Mathei aus Eschwege aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen eine Sanierung der Veitskirche und für einen Neubau aus.[3] Initiator und wichtigster Förderer des Neubauprojektes war der königliche Kammerherr Karl Xaver von Scharfenberg. Baumeister war der königliche Regierungs- und Baurat Johann Adam Hermann Rüppel (* 17. November 1845 in Willershausen; † 16. Juli 1900 in Kassel),[4][5] Schüler des in Wanfried gebürtigen Architekten und Baumeisters Georg Gottlob Ungewitter.[6][7] Der Bau dauerte von 1884 bis 1888 und kostete 186.000 Goldmark (etwa 1.833.960 Euro).[8]
Die dreischiffige geostete Hallenkirche mit Querhaus ist ein Natursteinwerk im neugotischen Stil. Die Steine der Rippenansätze stammen aus Altenburschlaer, die der Pfeiler aus Madelunger Sandsteinbrüchen. Das Gewölbe wurde aus Tuffsteinen gefertigt.
Die Kirche hat eine quadratische Vierung und einen weiten Querrahmen. Fünf Schlusssteine machen das Gewölbe selbsttragend. Auf den Säulen sitzen fein gearbeitete Kapitelle. Die frühgotischen Formen wirken an einigen Stellen verspielt. Die Spitzen im Vierpass der Chorfenster überkreuzen sich, die Säulen weisen eine doppelte Wirbelung auf, die Blenden im Seitenschiff sind durchbrochen.
Die Ornamentik ist durchgängig in der Wand- und Deckenbemalung, in den Bleiglasfenstern, auf Gestühl, Altar und Kanzel sowie auf der Empore. Sie zeigt vor allem rankendes Weinlaub, aber auch Ähren, Efeu und Eichenlaub.
Der aus Eiche gebaute und mit Schnitzereien im gotischen Stil verzierte Altar wird nur – dem Bilderverbot der reformierten Kirche folgend – durch ein aufgemaltes goldenes Kreuz ohne Corpus, umgeben von Ranken und Lilien, dekoriert.
Die Kanzel entspricht in ihrer Machart dem Altar. Der Schalldeckel ist gestaltet wie die Decken der Patronatsloge und der Sakristei.
Rechts vom Altar befindet sich die Patronatsloge. Wände und Decke sind mit aufwändigen Schnitzereien, verzierten Holztäfelungen, Malerei und bemalter textiler Wandbespannung reich dekoriert. In den beiden Außenwänden befinden sich drei kleine Maßwerkfenster mit bunter Bleiverglasung, die auch das Wappen der Familie von Scharfenberg und das der Familie von Diergardt zeigen.
Die Ausgestaltung der Maßwerkfenster mit Bleiverglasung wurde von der Glasmalerei-Werkstatt Ely (Nantes und Kassel) geschaffen. Von Westen her wird die Dekoration der Fenster in Richtung Chor immer dichter und reicher. Die kaleidoskopartige Ornamentik der großen Fenster im Querschiff ähnelt stark der Ornamentik in den Fenstern der Sainte Chapelle in Paris. Über dem Altar befindet sich das einzige Fenster mit bildlicher Darstellung, die oben den Christus zeigt, darunter Darstellungen aus dem Wirken des heiligen Bonifatius sowie die Wappen des Deutschen Reiches, Preußens, Hessens und das Stadtwappen Wanfrieds.
Im Rückraum der Kirche hängen reich geschmückte Grabdenkmale aus Holz und Stein, unter anderem die steinerne Grabplatte des Wanfrieders Petrus Paganus (1532–1567), eines bedeutenden Literaten seiner Zeit. Paganus wurde 1560 in Wien zum poeta laureatus[9] ernannt, dem lorbeergekrönten Dichter. Zu seinen bekanntesten Werken gehört eine elegische Ansprache an den gekreuzigten Christus.
Die Offset- und Steindruckerei Peter Israel und der Geschichtsverein Wanfried stifteten 1921 die Gedenktafeln für die Gefallenen der Befreiungskriege, des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und des Ersten Weltkrieges, denen später jene des Zweiten Weltkrieges folgten. Es handelt sich hierbei um von Lithografen manuell beschriebene Drucksteine aus Solnhofer Schiefer.
Die Gebrüder Peternell aus Seligenthal bei Schmalkalden bauten die Orgel und stellten sie 1888 auf.[10] Die Orgelwerkstatt Peternell war bekannt für ihre romantisch klingenden Orgeln. Passend zur reichen Ausmalung hob der Klang dieser Orgel die romantische Wirkung der Kirche noch hervor. Das Orgelgehäuse wurde in „neogotischer Manier“ gehalten. Das Instrument umfasst 1736 Pfeifen aus Zinn, Zink und Holz. Das Instrument hat 26 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal.
Die ursprüngliche Intonation wurde in den 1960er Jahren der damals vorherrschenden neobarocken, obertönigen und grundtonarmen Klangvorstellung angenähert. Nach dem Wiederaufbau durch die Firma Krawinkel 1988/1989 wurde jedes Register neu intoniert, um den kraftvollen und gravitätischen Klang wiederzugewinnen. Die vormalige „romantische“ Intonation der historischen Register bildete die Grundlage für diese Maßnahme.
Die Einstimmung der Orgel erfolgte im Normalton a1: 439,7 Hz bei 15 °C.
2017 wurde die Orgel vom Schimmel gereinigt und eine Belüftung eingebaut. Die Schleifenzugmagnete wurden ersetzt und die Elektrik erneuert. Das Schleifladeninstrument hat heute eine mechanische Spieltraktur und eine elektrische Registertraktur. Die Disposition lautet:
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Die Wanfrieder Kirche hatte immer schon drei Glocken. Die ältesten stammten aus dem 15. Jahrhundert, die dritte aus dem Jahr 1503. Sie trug die Inschrift: „A + O W.+++ Anno M D III“ (= „Alpha + Omega: ich bin der Anfang und das Ende; nach Wanfried gehöre ich; Im Jahr 1503“). In den Jahren 1703 bis 1815 mussten diese nach und nach umgegossen werden.
Im Jahr 1917 wurden zwei Glocken für Kriegszwecke eingeschmolzen. Nach einem letzten Läuten wurden die Glocken zerschlagen. Und „das klingende Klagen der Zerstörung legte sich über alle Dächer und Straßen der Stadt und trieb manchem die Tränen in die Augen“, heißt es in der Chronik. Am 30. September 1921 wurden zwei neue Glocken am Wanfrieder Bahnhof in Empfang genommen. Doch auch im Zweiten Weltkrieg, im Januar 1945, wurden die Glocken aus dem Jahr 1815 und 1921 in Stücke geschlagen und aus dem Turm geworfen.
Am Heiligen Abend 1950 wurden zwei neue Glocken eingeweiht. Eine trägt die Inschrift: „Gewalt vergeht, das Schwert zerbricht, Gott führt allein durch Not und Licht, Oh Land, Land, Land, höre des Herrn Wort.“[11]
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