Eutektikum
Stoffgemisch mit Phasengleichgewicht Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Eutektikum (altgriechisch εὐ eu- gut, τήκω teko schmelzen) ist ein Phasengleichgewicht, das sich dadurch auszeichnet, dass sich die Umgebungsbedingungen (Freiheitsgrade) nur in einem sehr kleinen Bereich frei wählen lassen. Häufigste Darstellung eines Eutektikums ist in einem Phasendiagramm mit nur zwei Freiheitsgraden, nämlich Temperatur und Konzentration der beteiligten Komponenten, siehe Abbildung.
Eine ähnliche Erscheinungsform, bei der allerdings alle beteiligten Phasen bereits im festen Aggregatzustand vorliegen, nennt man Eutektoid.
Bei eutektischen Legierungen wechseln alle Stoffe gleichzeitig die Phase von fest auf flüssig. Das bedeutet, sie haben einen eindeutig bestimmbaren Schmelzpunkt, den sogenannten eutektischen Punkt, an dem sich Solidus- und Liquiduslinie berühren. Auch die Konzentration ist durch die Konzentration der Stoffe am eutektischen Punkt eindeutig bestimmt. Am eutektischen Punkt sind alle drei Phasen des Systems – Schmelze, Phase A und B – im Gleichgewicht. Die Erstarrungstemperatur ist zudem die niedrigste aller Mischungen aus den gleichen Bestandteilen.[1] Mischungen mit anderen Anteilen der Legierungselemente hingegen haben einen Schmelz- oder Erstarrungsbereich, in dem außer der Schmelze auch eine feste Phase vorliegt.
Die Gibbssche Phasenregel für Feststoffe bei konstantem Druck lautet . Daraus erhält man für eutektische Legierungen mit zwei Komponenten und drei Phasen (Schmelze, Phase A und Phase B) den Wert , das heißt, die vollkommene Erstarrung des Eutektikums ist nur in einem Punkt möglich.
Weil bei Eutektika alle Bestandteile gleichzeitig erstarren und dies bei einer viel niedrigeren Temperatur geschieht, als es bei den reinen Komponenten der Fall wäre, entsteht ein feines und gleichmäßiges Gefüge, das eine in der Regel charakteristische lamellare Struktur aufweist. Ursache dafür ist die bei dieser Temperatur niedrige Bewegungsenergie der Atome, die nur kurze Wege und damit nur die Bildung sehr kleiner Kristalle (auch Kristallite genannt) zulässt.
Der primäre Verfestigungsmechanismus der eutektischen Struktur in Metallen ist die Verbundwerkstoffverfestigung (siehe Verfestigungsmechanismen von Werkstoffen). Dieser Verformungsmechanismus funktioniert durch Lastübertragung zwischen den beiden konstituierenden Phasen, wobei die nachgiebigere Phase Spannung auf die steifere Phase überträgt.[2] Durch Ausnutzung der Festigkeit der steifen Phase und der Duktilität der nachgiebigen Phase erhöht sich die Gesamtzähigkeit des Materials. Wenn die Zusammensetzung zu untereutektischen oder übereutektischen Formationen variiert wird, wird der Mechanismus der Lastübertragung komplexer, da es nun sowohl eine Lastübertragung zwischen der eutektischen Phase und der sekundären Phase als auch eine Lastübertragung innerhalb der eutektischen Phase selbst gibt.
Ein zweiter einstellbarer Verfestigungsmechanismus eutektischer Strukturen ist der Abstand der Sekundärphase. Durch die Verringerung des Abstands der eutektischen Phase und die Schaffung einer feinen eutektischen Struktur wird mehr Oberfläche zwischen den beiden konstituierenden Phasen geteilt, was zu einer effektiveren Lastübertragung führt.[3] Auf der Mikroskala wirkt die zusätzliche Grenzfläche als Barriere für Versetzungen, wodurch das Material weiter verfestigt wird. Infolge dieses Verfestigungsmechanismus sind grobe eutektische Strukturen tendenziell weniger steif, aber duktiler, während feine eutektische Strukturen steifer, aber spröder sind.[3] Der Abstand der eutektischen Phase kann während der Verarbeitung gesteuert werden, da er direkt mit der Abkühlungsgeschwindigkeit während der Erstarrung der eutektischen Struktur zusammenhängt. Für eine einfache lamellare eutektische Struktur beträgt der minimale Lamellenabstand beispielsweise:[4]
Dabei ist die Oberflächenenergie der Zweiphasengrenze, ist das Molvolumen der eutektischen Phase, ist die Erstarrungstemperatur der eutektischen Phase, Durch Änderung der Unterkühlung und damit der Abkühlungsgeschwindigkeit wird also der minimal erreichbare Abstand der sekundären Phase gesteuert.
Um Verformungen bei hohen Temperaturen (Kriechverformung) zu verringern muss beachtet werden, dass sich der primäre Verformungsmechanismus in Abhängigkeit von der Höhe der angelegten Spannung ändert. Bei hohen Temperaturen, bei denen die Verformung durch Versetzungsbewegungen dominiert wird, bleiben die Verstärkung durch Lastübertragung und sekundäre Phasenabstände bestehen, da sie der Versetzungsbewegung weiterhin widerstehen. Bei niedrigeren Spannungen, bei denen das Nabarro-Herring-Kriechen dominiert, spielen Form und Größe der eutektischen Phasenstruktur eine wichtige Rolle, da sie die verfügbare Grenzfläche für die Leerstellendiffusion beeinflussen.[5]
Ein technisch häufig genutztes Eutektikum ist z. B. der Ledeburit des Fe-C Systems (4,3 % C/1147 °C), das zum Gießen von Temperguss genutzt wird.
Auch bei der Herstellung von Aluminium mittels Schmelzflusselektrolyse wird ein eutektisches Gemisch verwendet. Hier wird aus 10,5 % (Massenprozent) Aluminiumoxid (Al2O3, Schmelzpunkt 2058 °C) und 89,5 % Kryolith (Na3[AlF6], Schmelzpunkt ~1000 °C) ein Gemisch mit dem Schmelzpunkt 950 °C hergestellt.[6]
Da der Schmelzpunkt einer eutektischen Legierung deutlich unter dem der reinen Metalle liegt, werden solche Legierungen bevorzugt zum Löten verwendet. Dies hat den Vorteil, dass man relativ wenig Wärme einbringen muss und bei der Wahl des Lotes die Materialverwandtschaft von Lot und Fügepartner nutzen kann.
Weiterhin nutzt man den herabgesetzten Schmelzpunkt zum Erstellen von Legierungen, bei denen die Schmelzpunkte der beiden Komponenten weit auseinanderliegen. Dies ist zum Beispiel bei Aluminium (Schmelzpunkt 660 °C) und Wolfram (Schmelzpunkt 3422 °C) der Fall. Versuchte man, eine Aluminium-Wolfram-Legierung direkt herzustellen, indem man beide Bestandteile einfach „in einen Topf wirft“ und erhitzt, so wäre das Aluminium bereits verdampft (Siedepunkt 2467 °C), ehe das Wolfram geschmolzen ist. Fertigt man jedoch erst eine Vorlegierung (mit niedrigerem Schmelzpunkt) aus Wolfram und einem Metall mit einem hohen Schmelzpunkt an, ist die Herstellung möglich. Bedingt durch die Vorbehandlung entstehen so natürlich keine reinen Legierungen.
Im chemischen Labor macht man sich die Bildung niedrigschmelzender Eutektika zunutze, um Kältemischungen herzustellen.
Einen besonders niedrigen Schmelzpunkt weist die als Galinstan bekannte eutektische Legierung aus 68 bis 69 % Gallium, 21 bis 22 % Indium und 9,5 bis 10,5 % Zinn auf, die erst bei −19,5 °C kristallisiert und in quecksilberfreien, analogen Fieberthermometern verwendet wird.
Eher von historischer Relevanz ist Thallium-Amalgam dessen Schmelzpunkt noch niedriger ist als jener von reinem Quecksilber, was historisch genutzt wurde um besonders tiefe Temperaturen mit analogen Thermometern zu messen. Aufgrund der Giftigkeit sowohl von Thallium als auch von Quecksilber und der Verfügbarkeit anderer Messmethoden werden derartige Thermometer kaum noch verwendet.
Sowohl in Forschungsreaktoren als auch in Reaktoren, deren Hauptzweck die Erzeugung elektrischer Energie oder von Prozesswärme ist, kommen Eutektika als Kühlmittel zum Einsatz.
Der Hauptvorteil flüssiger Metalle als Kühlmittel gegenüber üblichen Leichtwasserreaktoren sind die höheren erzielbaren Betriebstemperaturen. Darüber hinaus sind die meisten Metalle nicht oder nur begrenzt als Neutronenmoderator wirksam, weswegen ein schneller Brüter nicht mit Wasser im Primärkreislauf gekühlt werden kann. Vorteil gegenüber gasgekühlten Reaktoren ist die höhere Dichte und damit größere Wärmetransportfähigkeit bei gegebenem Volumen.[7]
Übliche Eutektika, welche für entsprechende Reaktoren eingesetzt oder vorgeschlagen werden, sind NaK (siehe weiter unten) und Blei-Bismut.[8] Bei beiden Substanzen bestehen gewisse Probleme mit Neutronenaktivierung (aus 209Bi entsteht 210Po, aus 23Na wird 24Na) und NaK ist darüber hinaus brennbar und reagiert explosiv mit Wasser. Auch das Forschungsprojekt MYRRHA soll mit Blei-Bismut gekühlt werden.[9]
Auch die für Flüssigsalzreaktoren vorgeschlagenen Salzschmelzen wie zum Beispiel FLiBe stellen üblicherweise Eutektika dar.[10]
Bekannte Beispiele für eutektische Legierungen sind
Neben ihrer hauptsächlichen Verwendung als Lötmetalle kommen solche gut schmelzenden Legierungen unter anderem noch in Sprinkleranlagen oder in Scherzartikeln zum Einsatz. Ebenso stellen bestimmte Quarzporphyre oder eine Lösung von 30,9 g Kochsalz auf 100 g Wasser (Kryohydrat, Schmelzpunkt −21,3 °C) Eutektika dar.
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