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Methode der Ethnologie (Völkerkunde) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ethnographie oder Ethnografie (altgriechisch ἔθνος éthnos „Menge, Volk“ und -graphie, sinngemäß „Völkerbeschreibung“) ist eine Methode der Ethnologie (Völkerkunde) und übergeordnet der Anthropologie (Menschenkunde). Als systematische Beschreibung der mittels Feldforschung vor Ort gewonnenen Erkenntnisse können auch Eindrücke aus der teilnehmenden Beobachtung schriftlich festgehalten werden.
Eine Ethnographie versucht das Zusammenleben, die soziale und politische Organisation und die kulturellen Ausprägungen einer abgegrenzten Gesellschaft aus der Sichtweise ihrer Angehörigen zu beschreiben und zu verstehen. Allgemein ist heute jedoch umstritten, inwieweit dies grundsätzlich möglich ist. So weist beispielsweise der Ethnologe Clifford Geertz 1988 in seinem Buch Die künstlichen Wilden darauf hin, dass es keine objektive Ethnographie gebe und Ethnographen durch die Abbildung einer fremden Welt zugleich eine Fiktion schaffen.
Unabhängig von der Ethnologie hat auch die Soziologie ab den 1920er Jahren ethnographische Methoden entwickelt, die im Unterschied zur Völkerkunde in der eigenen Gesellschaft durchgeführt werden. Ethnographische Forschung ist daher nicht auf außereuropäische Gesellschaften beschränkt und betrachtet nicht nur einzelne ethnische Gruppen oder indigene Völker. Auch kleinere, multiethnische Gruppen, die Bewohner eines Stadtteils, die Belegschaft eines Büros, die Wissenschaftler in einem Labor oder einzelne Jugendgruppen können Gegenstand soziologischer Ethnographien sein (siehe auch Soziographien zur Beschreibung sozialer Tatbestände).
Der deutsche Soziologe Karl-Heinz Hillmann fasste 1994 zusammen: „Die Entwicklung der Ethnographie ist eng verbunden mit der Horizonterweiterung europäischer Sozialwissenschaften infolge immer neuer, geographischer Entdeckungen und Erkundungen durch kapitalistisch-koloniale Expansion und christliche Missionierung.“[1]
Über Reiseberichte (etwa von Georg Forster über die Südsee) bis hin zum Einsatz digitaler Medien gibt es verschiedene ethnographische Methoden der Datenerhebung (siehe auch visuelle Anthropologie), die bekanntesten sind:
Die Anwendung der ethnographischen Methoden wird in der Literatur nicht einheitlich beschrieben. Allerdings lassen sich einige Gemeinsamkeiten ableiten, die keine Regeln sind, sondern Empfehlungen. Die Autoren Bloomberg, Mosher und Swenton-Hall haben 1993 vier grundlegende Prinzipien der ethnographischen Feldforschung ausgeführt:[3]
Anwendungsbereiche:
Schon in den Kunst- und Wunderkammern der Renaissancefürsten des 16. Jahrhunderts waren exotische Objekte beliebt, die durch die Fahrten der Entdecker, wie etwa John Tradescant der Jüngere, nach Europa gelangten. Seit dem 18. Jahrhundert wurden sie gezielt gesammelt, systematisiert und ausgestellt, zunehmend auch von Privaten. Dadurch stieg auch das Verständnis für ihre kulturelle Bedeutung. Erst seit den 1930er Jahren wuchs das Verständnis dafür, dass man sich allein durch Objektforschung einer Kultur nur unzureichend nähern konnte.
Viele der in der Zeit des Kolonialismus entstandenen Völkerkundemuseen nennen sich „Ethnographisches Museum“ oder haben eine „ethnographische Sammlung“ von Objekten fremder Völkern, die – früher ergänzt durch Dioramen des Alltagslebens, heute ergänzt durch authentischere Audio- und Videoaufzeichnungen – einen Einblick auch in die immaterielle Kultur und das Verhalten geben (siehe Liste von Museen für Völkerkunde).[10]
Seit der Antike sind Aufzeichnungen über fremde Kulturen, im heutigen Sprachgebrauch Ethnographien (Völkerbeschreibungen) bekannt. Schon die Historien des altgriechischen Historikers Herodot aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. über Libyen, Syrien, Babylonien, Makedonien und die Gebiete am Schwarzen Meer können als frühe ethnografische Texte angesehen, die neben den historischen Ereignissen vor der und aus der Zeit der Perserkriege die lokalen Gegebenheiten, Gesetze, Sozialsysteme, den Glauben und das Aussehen der Einwohner schildern, auch wenn er sich dabei oft auf zweifelhafte und oft mythische Quellen bezieht.
Methodisch anspruchsvoll und reflektiert ging zuerst Bernardino de Sahagún bei seiner Feldforschung 1558–1575 über die untergehende Kultur, Sprache und Religion der Azteken vor, auch wenn seine Arbeit vor allem der Missionierung diente. Sein Codex Florentinus gilt als wegweisend für die spätere Ethnographie.
Ein Pionier der Ethnographie und der ethnologischen Forschung war im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts der Arzt und Afrikareisende Samuel Braun.[11] Die Ethnographie als eigenständige Wissenschaft entstand in der deutschen und russischen Aufklärung. Als Begründer der Ethnographie kann der Historiker Gerhard Friedrich Müller (1705–1783) betrachtet werden. Müller führte im Auftrag der russischen Zarin Katharina II. (1729–1796) als Teilnehmer an der Zweiten Kamtschatka-Expedition (1733–1743) historische, geographische, ethnographische und linguistische Forschungen in Sibirien durch. Er formulierte ein Programm zur Beschreibung der sibirischen Völker, das er 1740 als „Völker-Beschreibung“ bezeichnete. Müller setzte dieses Programm während der Expedition mit anderen in die Praxis um. Die von ihnen gesammelten Naturalien und Artefakte wurden in der (1714 in Sankt Petersburg gegründeten) Kaiserlichen Kunstkammer archiviert. Nach der Expedition berief Müller sich auf Joseph-François Lafitaus komparative Zielsetzung und entwickelte ein Programm für die „Beschreibung der sibirischen Völker“ mit dem Ziel, sie untereinander und mit Völkern anderer Weltteile zu vergleichen. Müller steht damit am Anfang einer neuen Tradition, der Ethnographie. Er sah diese Wissenschaft als eine eigene Disziplin neben seinen beiden Hauptfächern Geschichte und Geographie an. Das Wort ethnographia selbst scheint eine Wortschöpfung (1767) von Johann Friedrich Schöpperlin (1732–1772) zu sein.[12]
Der Historiker August Ludwig Schlözer (1735–1809) formulierte 1771–1772 in Göttingen eine allgemeine „Völkerkunde“ und entwarf eine „ethnographische Methode“ der Geschichte. Göttingen hatte Verbindungen sowohl mit Russland und Osteuropa als auch mit England und wurde u. a. durch die sammlerischen Aktivitäten Johann Friedrich Blumenbachs zum Ausstrahlungszentrum der neuen Wissenschaft.[13]
Die moderne Ethnographie hat mit der Völkerkunde der Kolonialzeit, die meist ganze Gruppen von Völkern betrachtete, nicht mehr viel gemein. Heute werden meist Kleingruppen, die oftmals Zweckgemeinschaften bilden, untersucht. Die Ethnographie wird dadurch zur deskriptiven Hilfswissenschaft der Soziologie und Kulturanthropologie. Auch werden viele ethnographische Studien aus ökonomischen Gründen betrieben, vor allem zur Produktivitätssteigerung, Produktverbesserung und -veränderung (siehe auch Industrieanthropologie und zu Marketingzwecken).
Von der Ethnographie unterscheidet sich die Ethnologie durch ihre stärker theoretische und generalistische Orientierung.
Klassische Ethnographien:
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