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deutscher Mediziner Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Anton Ludwig Ernst Horn (* 24. August 1774 in Braunschweig; † 27. September 1848 in Berlin) war ein deutscher Mediziner, Psychiater und klinischer Lehrer. Durch einen Todesfall während einer durch Horn veranlassten Behandlung kam es zum ersten Arzthaftungsprozess in Deutschland.
Seine Eltern waren der Sanitäts- und Generalrezeptor Ernst Wilhelm Horn (* 21. Mai 1732; † 17. April 1812) und dessen Ehefrau Sophie Dorothee Mayerhoff (* 26. August 1737; † 30. Mai 1787).
Er heiratete Wilhelmine Falk († 22. Februar 1803), die im Kindbett starb. Der Sohn Karl Friedrich Wilhelm Theodor (* 17. Februar 1803; † 19. Januar 1871) wurde Dr. med und wirklicher Geheimer Medizinalrat, heiratete Therese Westphal (* 29. August 1808; † 30. April 1891) und wurde Vater des späteren Regierungspräsidenten Karl von Horn.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er Dorothea Martens (* 18. Januar 1786; † 25. April 1853). Der Sohn Karl Wilhelm Georg Heinrich (* 26. Oktober 1807; † 18. Mai 1889) wurde Oberpräsident der Provinzen Posen und Ostpreußen und heiratete Dorothea (Doris) Martens (* 16. November 1828; † 19. Juni 1889).
Die beiden Söhne wurden am 28. Dezember 1865 in den preußischen Adelsstand erhoben.
Er besuchte das Gymnasium seiner Heimatstadt und anschließend das Collegium Carolinum, ab 1794 die Universität Göttingen, wo er 1797 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Im Anschluss unternahm er eine Bildungsreise, die ihn durch Deutschland, nach Ungarn, nach Frankreich und in die Schweiz führte.
Zurückgekehrt, war er zunächst als Arzt an der klinischen Anstalt in Braunschweig tätig, machte sich durch die Herausgabe von Handbüchern der praktischen Arzneimittellehre sowie der Chirurgie und der ab 1799 erschienenen Publikation Archiv für medizinische Erfahrungen einen Namen. Er lehnte einen Ruf als Professor an die Universität Kiel ab, ging 1804 als dritter Professor der Medizin an die Universität Wittenberg und 1805 an die Universität Erlangen. Am 25. März 1806 wurde er mit dem Beinamen Crito II. zum Mitglied (Matrikel-Nr. 1032) der Leopoldina gewählt.[1] Im September 1806 wurde er zweiter Chef an der Charité in Berlin und war dort Lehrer der medizinischen Klinik sowie Leiter der „Irrenabteilung“. Im und auch Hufeland verdankte die Charité unter anderem die Herstellung einer größeren Reinlichkeit.[2] Nach zwölf Jahren bemühte er sich um Entlassung aus dem Dienstverhältnis und übernahm 1819 die ordentliche Professur der medizinischen Klinik, was ihm wieder die Möglichkeit eröffnete, seiner publizistischen Neigung nachzukommen.
Als Eklektiker beschritt er in der Psychiatrie neue Wege und kann als erster Psychiater in Deutschland betrachtet werden, da er die Gleichstellung der Geisteskranken mit anderen Erkrankten an der Charité erreichte. Seine wissenschaftlichen Grundsätze hat er in der Dissertation seines Schülers Johann Sandtmann „Nonnulla de quibusdam remediis ad animi morbos curandos summo cum fructu adhibendis“ (Berlin 1817) und in seiner Ausführung „Öffentliche Rechenschaft über meine zwölfjährige Dienstführung als zweiter Arzt des königlichen Charitékrankenhauses zu Berlin“ hinterlassen. Zudem war er Mitglied der „Königlich preussischen wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen“ und dort der erste Sachverständige für allgemeine und forensische Psychiatrie.
Letzten Endes wurde aber sein gesamtes Wirken durch eine gerichtliche Auseinandersetzung überschattet, die sich in ihren Äußerungen über Jahre hinzog und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dauerhaft bestimmte.
Hintergrund des ersten Arzthaftungsprozesses in Deutschland war eine langwierige Auseinandersetzung zwischen Horn und Heinrich Kohlrausch,[3] der an der Charité ab 1810 als „zweiter dirigierender Wundarzt und Geburtshelfer“ tätig war. Im Laufe dieser Auseinandersetzung war es zu mehrfachen Beschwerden und Einlassungen Horns an die vorgesetzte Behörde gekommen, die aber jeweils abschlägig beschieden wurden.[4]
Am 1. September 1811 verstarb Louise Thiele, 21 Jahre alt, die wegen einer „schweren Gemütserkrankung“ seit 21. August in Behandlung war, während sie auf Anweisung Horns zur Beruhigung in einem sogenannten „Sack“ eingeschlossen war:
Am folgenden Tag erfolgte eine Anzeige von Kohlrausch gegen Horn, in der er den Tod der Kranken einer fehlerhaften Behandlung Horns zuschrieb. Dieser hätte die wegen ihrer Angstzustände unruhige Kranke nicht nur mit einer „Zwangsweste“ fesseln lassen, sondern dazu noch über längere Zeit in den besagten Sack gesteckt und auf der Erde liegen lassen. Nachdem die Kranke kurz nach Öffnen des von Kohlrausch als „Sterbesack“ bezeichneten Bändigungsgerätes verstorben war, hätte Horn einen Tod infolge Apoplexia post mania diagnostiziert. Tatsächlich trat der Tod durch Erstickung ein, was die Autopsie bewies. Im weiteren Zusammenhang erwähnt Kohlrausch dann andere, seiner Ansicht nach ebenfalls zweifelhafte Behandlungsmethoden Horns:
Auffällig bei den von Horn verwendeten Therapien scheinen vor allem die Rotationsgeräte gewesen zu sein, zu denen die genannte „englische Schwungmaschine“ gehört. Dabei handelt es sich um einen Stuhl, auf dem der Kranke festgeschnallt wurde und der anschließend in schnelle Rotation versetzt werden konnte. Geradezu überwältigend muss aber ein von Horn installiertes Drehbett gewesen sein, das mit Pfeilern, Balken und Zahnrädern einen ganzen Raum ausfüllte und Drehgewindigkeiten von 120 Umdrehungen pro Minute erreichte.[7] Der denkbare therapeutische Nutzen bei der Behandlung von Geisteskrankheiten ist aus heutiger Sicht unerfindlich und erschien offenbar schon damals als sehr zweifelhaft. Die verstorbene Thiele war zuvor (erfolglos) mit kalten Bädern, Drehen, Haarseil, Brechmitteln und Sack behandelt worden.
Auf die Anzeige Kohlrauschs hin wurde zunächst ein medizinisches Gutachten eingeholt, in dem lediglich die Todesursache festgestellt wurde, ohne auf die Umstände des Todes weiter einzugehen, da diese dem Gutachter von Könen nicht bekannt waren. Der ging einfach davon aus, dass, insofern das „in den Sack stecken“ eine offenbar häufig praktizierte Methode war, diese eben deshalb als unbedenklich anzusehen sei. Darauf wurde die Einleitung einer Untersuchung am 10. Oktober zunächst abgelehnt. Da es aber durch diesen Todesfall bereits ein erhebliches öffentliches Aufsehen gab, wies Justizminister von Kircheisen auf ein Schreiben des Staatsrats Sack hin das Kammergericht am 26. Oktober an, eine förmliche Untersuchung gegen Horn einzuleiten.
Mit der Abfassung eines alle Aspekte des Falles berücksichtigenden Gutachtens wurde, nachdem am 2. November das Verfahren eröffnet worden war, der Arzt Johann Christian Reil beauftragt. Ein Entwurf dieses Gutachtens kam jedoch durch ein Versehen in die Hände von Kohlrausch, der es mit umfangreichen Anmerkungen versehen an das Justizministerium sandte, dass daraufhin die Kammer anregte, einen anderen Gutachter zu beauftragen. Die Kammer wies dieses Ansinnen aber ab. Das Gutachten spricht Horn von allen Vorwürfen frei, insbesondere wird festgestellt, dass
Der Sack sei nämlich aus Leinwand und durchaus luftdurchlässig, wie Reil durch ein Experiment mit einem Huhn bewies, das nicht erstickte, sondern nach 12 Stunden im Sack immer noch frisch war, obwohl Vögel bekanntlich für „Suffokation“ anfälliger als Menschen seien. Insgesamt meint er, dass der Sack ein vergleichsweise sanftes Instrument zur Therapie psychisch kranker sei. Sonstige Mittel der Wahl seien schließlich:
Am Ende seines Gutachtens bemerkt Reil über die Rolle des Arztes:
Das Kammergericht erwies sich als für Reils Argumentation aufgeschlossen und sprach am 20. April 1812 Horn von allen Vorwürfen frei. Kohlrausch verließ im Juni 1813 Berlin und legte seine Stellung an der Charité nieder. Aber die Auseinandersetzung hatte noch kein Ende, vielmehr setzte sie sich noch Jahre später in Schrift und Gegenschrift fort:
Ernst Horn starb nach langem und schwerem Leiden am 27. September 1848 im Alter von 74 Jahren in Berlin an den Folgen von Gicht.[13] Beigesetzt wurde er auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I vor dem Halleschen Tor. Das Grab ist nicht erhalten.[14]
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