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deutsche Fotografin und Fotobuchautorin Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Elisabeth Niggemeyer (* 23. Juni 1930 in Bochum) ist eine deutsche Fotografin und Fotobuchautorin, sie lebt in Berlin.
Ihre Eltern, Josef Niggemeyer und Gabriele Niggemeyer geb. Urff, betrieben in Bochum einen Foto-Einzelhandel mit Labor (Foto Niggemeyer). Die Ursprünge des Geschäftes gehen auf die 20er Jahre zurück, als Josef Niggemeyer nach einer Drogerielehre begann, im Keller des elterlichen Wohnhauses Fixiersalz herzustellen (Markenname INIBO), und Bochumer Stahlwerke damit belieferte. Nach dem Verkauf des Ladengeschäftes an Photo Porst betrieb Elisabeth Niggemeyers Bruder die Laborsparte weiter und baute sie aus; die Firma ist inzwischen auf industriellen Großformatdruck spezialisiert.[1]
Entgegen ihrem eigenen Wunsch, Pädagogik zu studieren, sah der Vater auch für Elisabeth Niggemeyer eine fotografische Ausbildung vor und meldete sie dazu an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München an. Ihre Ausbildung begann 1950. Der Abschluss stand wegen ihrer Abneigung gegen die technische Seite der Fotografie in Frage, bis das Lehrfach „Reportage“ ihre Begeisterung auslöste und sie für ihre Leistungen darin mehrfach ausgezeichnet wurde.
Nach dem Abschluss 1952 und einem für sie wenig befriedigenden Abstecher in die Modefotografie blieb Elisabeth Niggemeyer zunächst in München, arbeitete als Laborantin bei Linhof und fotografierte in ihrer Freizeit mit ihrer Rolleiflex in der Stadt.
Eine von der Fotografin bei der Süddeutschen Zeitung eingereichte München-Aufnahme wurde in großem Format in der Samstagsausgabe abgedruckt. Die Publikation zog den Auftrag des Süddeutschen Verlages für ein ganzes Buch nach sich („das Münchner jahr“, 1955, mit Texten von Walter Foitzik). Der Erfolg des Buches, die zahlreichen positiven Rezensionen (besonders diejenige von Friedrich Luft) ermöglichten es ihr, im gleichen Verlag weitere Städteporträts im Fotobuchformat zu publizieren. Die Texte für ihren Band über London („London. Stadt, Menschen, Augenblicke.“ 1956) verfasste Hilde Spiel; bei ihrem Buch über Bonn („Bonn im Bild.“, 1957) war Erich Kuby Initiator und Ideengeber.
Seit 1958 lebte Elisabeth Niggemeyer in West-Berlin. Es war das Jahr ihrer Heirat mit dem Juristen Peter Pfefferkorn, der bald darauf Leiter der Rechtsabteilung beim Berliner Pharmaunternehmen Schering wurde. Außer an ihren Fotobüchern arbeitete die Fotografin an Reportagen für die illustrierte Frauenzeitschrift Constanze, später auch für die daraus hervorgegangene Brigitte. Über Friedrich Luft und seine Rezension des München-Buches wurde auch der Berliner Publizist Wolf Jobst Siedler auf die Fotografin aufmerksam. Zusammen mit ihr und Gina Angress veröffentlichte er 1964 „Die gemordete Stadt“. Der ironisch-polemische Essay Siedlers verteidigt seine eigene Konzeption von Urbanität und das architektonische Erbe der Gründerzeit gegen die moderne Stadtplanung, ihren normierenden, antiornamentalen Kurs und die Flächensanierung, bei der zur Entstehungszeit des Buches ganze wilhelminische Quartiere abgerissen und durch moderne Wohnbauten ersetzt wurden. In ausgefeiltem Layout, teils auf ausklappbaren Doppelseiten, stellen Elisabeth Niggemeyers Berliner Aufnahmen die Vielfalt der architektonischen Elemente des 19. Jahrhunderts der Monotonie der Nachkriegsmoderne gegenüber. Gina Angress verfasste für die Bildseiten erläuternde Texte und brachte zahlreiche teils zeitgenössische, teils aus der Gründerzeit stammende Quellen ein, z. B. Textpassagen aus Bauverordnungen und Architekturzeitschriften. In der direkten Zusammensicht mit den Fotografien entfaltet sich ein Dialog, dessen Ironie wiederum mit den Essays Siedlers korrespondiert. Das Werk wurde mehrfach aufgelegt und markiert einen Wendepunkt im städtebaulichen Diskurs.
1985 erschien der ebenso kritische Band „Die verordnete Gemütlichkeit“, ebenfalls in Zusammenarbeit mit Angress und Siedler. Der Band wirft einen Blick zurück auf die nun abgeschlossene Epoche der Nachkriegsmoderne besonders im Wohnungsbau und im Straßenraum. Er zeigt postmoderne Reparaturversuche in historisierender Architektursprache und diagnostiziert zugleich die Hilflosigkeit angesichts eines kaum mehr umkehrbaren Strukturwandels im öffentlichen Raum.
Nach 2000 hatte Elisabeth Niggemeyer zeitweise ihren zweiten Wohnsitz in Paris. Hier entstanden bei Streifzügen durch die ganze Stadt die Aufnahmen für die Reihe „Paris Puzzle“, in der jedem der zwanzig Pariser Arrondissements ein charakteristischer Broschurband mit zahlreichen, teils collagierten Detailansichten gewidmet ist (2014/2021).
In Berlin war die Familie Pfefferkorn-Niggemeyer in Nikolassee ansässig. Die drei Kinder besuchten in den 1960er Jahren die John-F.-Kennedy-Schule in Zehlendorf, die auch Vorschulklassen unterhielt. Dadurch lernte Elisabeth Niggemeyer die US-amerikanische Pädagogin Nancy Hoenisch kennen und begann während der Vorschulstunden zu fotografieren. „Die Schulleitung ließ die Fotografin gewähren, da sich erwiesen hatte, dass die Kinder so absorbiert waren, dass sie keine Notiz von ihr nahmen.“[2] Aus den Aufnahmen entstand in Zusammenarbeit mit Hoenisch und dem Psychologen und Erziehungswissenschaftler Jürgen Zimmer das Buch „Vorschulkinder“, das 1969 im Ernst-Klett-Verlag erschien. Das Buch wurde mehrfach neu aufgelegt und zum Klassiker der Vorschulpädagogik. Gegenüber dem Modell des Kindergartens versucht die Vorschule in der hier gezeigten Prägung den Kindern bereits Grundlagen vor allem im naturwissenschaftlichen Verstehen zu vermitteln.
Es schlossen sich weitere Fotobücher zu pädagogischen Themen an, in Zusammenarbeit mit Antoinette Becker, die auch schon das Vorschulkinder-Buchprojekt begleitet hatte. Sie erschienen teils ebenfalls bei Klett, teils im Otto-Maier-Verlag Ravensburg. Dort ist eine eigene, zwischen 1972 und 1983 publizierte Reihe von Fotobilderbüchern dem Thema „Ich und die Welt“ gewidmet. Die 20 Bände im Kinderbuchformat thematisieren Lebenssituationen von Kindern, z. B. einen Krankenhausaufenthalt, die Geburt eines Geschwisters, oder die Einschulung. Sie wenden sich an die Kinder selbst, Eltern und Erzieher.
Die letzten Werke für und über Kinder (u. a. „Mathe-Kings“, 2004) entstanden wieder in Zusammenarbeit mit Nancy Hoenisch und knüpften auch in der Thematik an die „Vorschulkinder“ an. Sie wurden auch in Form von Aktionsausstellungen für Kinder und Eltern präsentiert.
Elisabeth Niggemeyer sagt von sich selbst, „dass ich ja nicht fotografiere, um schöne Bilder zu machen, sondern ich wusste, ich fotografiere, weil ich was mitteilen will. Das war ausschlaggebend.“[3]
In ihren frühen Städteporträts ist die Schönheit der Stadt durchaus ein Thema. In eigener Weise ist es auch in den beiden Teilen der „Gemordeten Stadt“ zentral. Auch dort gibt es Fotos in größerem Format, die an die atmosphärisch oder erzählerisch dichten Münchner Bilder denken lassen. Die Fotografin hat ihr Spektrum jedoch um die Reihung von architektonischen Detailaufnahmen erweitert. In der Zusammensicht thematisieren die verschiedenen Bildgenres nicht nur die Vielfalt des architektonischen Erbes, sondern z. B. auch des innerstädtischen Einzelhandels und damit einer Qualität des urbanen Lebens. Noch in „Paris Puzzle“ ist es „das schöne Alltägliche“[4], dem Elisabeth Niggemeyers Interesse gilt, nicht zuletzt, weil sein Verlust droht. Es zu erkennen, bedarf der Aufmerksamkeit. Diese ist selbst Thema in ihren pädagogischen Arbeiten, in denen sie die Vertiefung der Kinder in den spielerischen Lernprozess zeigt.
In Elisabeth Niggemeyers Werk sind fotografische Mittel der Bildreportage lebendig, die auf die illustrierte Presse der 1920er Jahre zurückgehen und zu denen auch die scheinbar nur dokumentarische Abbildung von Details gehört. In dieser Tradition geht die Fotografie über eine illustrative Funktion weit hinaus und wird dem Text mindestens gleichrangig. Eine sehr wichtige Rolle spielt bei allen Publikationen Niggemeyers das Layout bis hin zur Bildcollage; darin werden Detailbilder durch situative Gesamtaufnahmen immer wieder in einen sachlichen und sozialen Zusammenhang geholt.
Elisabeth Niggemeyer hat ihre fotografische Arbeitsweise immer weiter vereinfacht. Am Anfang standen das Mittelformat der Rolleiflex, die Ausschnittwahl und Vergrößerungsarbeit im Schwarzweiß-Labor. Über eine Leica kam sie bald zur Kleinbildfotografie, deren Flexibilität ihre Arbeit mit Kindern erleichterte. In ihren jüngeren pädagogischen Arbeiten und auch in der Stadtfotografie in „Paris-Puzzle“ verwendete sie Farbfilme, die sie in Drogerien entwickeln und ausbelichten ließ. In ihrem Werk ist die Fotografie Medium auch in dem Sinn, dass ihre rein technischen Aspekte völlig in den Hintergrund treten. Ungeachtet seiner technischen und ästhetischen Qualität steht nicht das einzelne Bild im Mittelpunkt. Es ordnet sich vielmehr dem Zusammenhang des Fotobuches unter und wird zum kommunikativen Element. Das gilt für Elisabeth Niggemeyers Fotobände zu Architektur und Stadtbild seit den 1960er Jahren ebenso wie für ihre pädagogischen Werke, in denen sie ihren persönlichen Berufswunsch mit der routinierten Beherrschung der fotografischen Praxis verbinden konnte.
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