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Bestandteil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) ist ein integraler Bestandteil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das in dieser Rolle bundesweit Aktivitäten koordiniert, die es zum Ziel haben, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Das Bf3R erforscht, entwickelt und validiert Alternativmethoden zum Tierversuch nach dem 3R-Prinzip.
Der Schutz von Versuchstieren ist bereits seit der Gründung des BfR ein grundlegender Bestandteil seines wissenschaftlichen und gesetzlichen Auftrags und wurde mit der Schaffung der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) umgesetzt. Mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013 wurde das Bundesinstitut mit weiteren Aufgaben beauftragt. Dieser Zuwachs an Anforderungen führte im Jahr 2015 zur Gründung des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am Bundesinstitut. Das Bf3R ist damit das erste behördliche „3R-Zentrum“ in Europa und steht damit für eine wissenschaftliche Unabhängigkeit.[1]
Die Abkürzung „Bf3R“ drückt aus, dass das Zentrum ein integraler Bestandteil des BfR ist und seine Aufgaben und Ziele nach dem 3R-Prinzip erfüllt. Das 3R-Prinzip wurde bereits im Jahr 1959 durch die britischen Wissenschaftler William Russell und Rex Burch etabliert. Die 3R stehen für Replacement, Reduction und Refinement. Unter Replacement wird die Möglichkeit verstanden, den geplanten Tierversuch durch den Einsatz anderer Methoden zu vermeiden. Reduction steht für methodische Ansätze bei der Planung, Durchführung und Analyse von Studien, die es Wissenschaftlern ermöglicht, ein vergleichbares Ergebnis mit weniger Tieren zu erhalten oder mehr Informationen aus der gleichen Anzahl von Tieren. Das Refinement verfolgt das Ziel, Belastungen, Schmerzen und Leiden, denen die Tiere ausgesetzt sind, so gering wie nur möglich zu halten. Das 3R-Prinzip ist die Grundlage für die Tierschutzpolitik und Praxis moderner Forschungsansätze in vielen Ländern. Die Arbeit des Zentrums regt weltweit Forschungsaktivitäten im Sinne des 3R-Prinzips an und fördert den wissenschaftlichen Dialog.
Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren gliedert sich in fünf Kompetenzbereiche:
Die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) wurde bereits im Jahr 1989 gegründet und mit der Eröffnung des Bf3R im Jahr 2015 vollständig in dieses integriert. Sie übernimmt folgende Aufgaben:
Um Schmerzen, Leiden und Belastungen von Versuchstieren zu verringern und ihr Wohlbefinden zu steigern, erforscht und entwickelt das Bf3R Refinement-Maßnahmen. Dabei wird untersucht, wie die Haltungs- bzw. Versuchsbedingungen wirkungsvoll verändert werden können, um für die unterschiedlichen Tierarten eine Verbesserung herbeizuführen.[5][6][7][8] Das Bf3R macht den jeweils aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Öffentlichkeit, den zuständigen Behörden und Tierschutzausschüssen zugänglich und kooperiert eng mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen sowie dem BMEL. Im Wesentlichen umfasst dieser Kompetenzbereich folgende Aufgaben:
Zum Schutz der menschlichen Gesundheit wird die Sicherheit von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Chemikalien, Pflanzenschutzmitteln, Bioziden oder auch Kosmetik- bzw. Hygieneartikeln anhand gesetzlich vorgeschriebener Testmethoden geprüft und bewertet. Um hierbei tierversuchsfreie Methoden einzusetzen, entwickelt das Bf3R neue Alternativmethoden und begleitet die Validierung bestehender Alternativverfahren. Dabei kooperiert das Bf3R eng mit den jeweils zuständigen Behörden und internationalen Institutionen:
Für die Bundesrepublik Deutschland nimmt das BfR die Aufgabe des Nationalen Ausschusses zum Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tieren (kurz: Nationaler Ausschuss) wahr. Nach Artikel 49 der Richtlinie 2010/63/EU setzt jeder EU-Mitgliedsstaat einen solchen Ausschuss ein.[9] Zu dessen Aufgaben zählen:
Zur Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben[10][11] erarbeitet und veröffentlicht der Nationale Ausschuss Empfehlungen und Gutachten zu spezifischen Fragestellungen der Genehmigungsbehörden und Tierschutzausschüsse.[12][13][14][15] Darüber hinaus publiziert der Nationale Ausschuss juristische Stellungnahmen, welche die Auslegung des Tierschutzgesetzes harmonisieren sollen.[16][17][18][19] Der Nationale Ausschuss greift bei seiner Arbeit auf einen Expertenpool von über 120 anerkannten Wissenschaftlern zurück, die ihn bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben unterstützt.[20]
Im Zwei-Jahres-Rhythmus schreibt das BfR die Bf3R-Forschungsförderung aus, um innovative Forschungsprojekte zu unterstützen, die nach Maßgabe des 3R-Prinzips dem Ersatz und der Verringerung von Versuchstieren in Bereichen der medizinischen Forschung oder biologischen Grundlagenforschung dienen oder die Erkennung, Einstufung und Verminderung von Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Versuchstieren und die Verbesserung ihrer Haltungsbedingungen zum Ziel haben. Die Bf3R-Forschungsförderung widmet sich besonders jungen Nachwuchswissenschaftlern. Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, neuartige und gewagte Forschungsideen, die etabliertes Wissen herausfordern und konventionelle Hypothesen hinterfragen, im Rahmen einer proof-of-concept-Studie zu bearbeiten, um experimentelle Daten für eine erfolgreiche Bewerbung bei größeren Förderprogrammen (z. B. der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Europäischen Kommission) zu sammeln.
Das jährliche Gesamtbudget von ca. 350.000 Euro ermöglicht die Förderung von bis zu zehn Projekten mit einer Gesamtlaufzeit von bis zu drei Jahren.[21]
Auf Basis des 3R-Prinzips betreibt das Bf3R eigene Forschung mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Um eine Versuchsmethode, bei der Tiere eingesetzt werden, vollständig durch eine Alternativmethode zu ersetzen, entwickelt das Bf3R Zell- und Gewebekulturmethoden. Sie sollen den Grundstein für die Schaffung neuer, tierfreier Alternativmethoden für die Grundlagenforschung und die toxikologische Bewertung legen.
Um Möglichkeiten zu erkennen, inwieweit eine Verringerung der Zahl eingesetzter Versuchstiere in der Forschung erreicht werden kann, forscht das Bf3R an neuen statistischen und bioinformatischen Analysemodellen.[48][49][50][51] Mit ihnen sollen Rückschlüsse darauf gewonnen werden, ob Versuchstiere aufgrund der Reproduzierbarkeitskrise in der Wissenschaft unnötigerweise verwendet werden und welche methodischen und institutionellen Änderungen der Forschung und des Publikationsprozesses dazu beitragen können, dass weniger Tierversuche durchgeführt werden. Zugleich verfolgt das Bf3R mittels neuer biometrischer Ansätze das Ziel, die statistische Planung von Versuchen mit und ohne den Einsatz von Versuchstieren effizienter zu gestalten. Bei angedachten Forschungsvorhaben mit Versuchstieren soll so die Anzahl der dazu notwendigen Tiere auf das erforderliche Mindestmaß reduziert werden.
Um Aspekte wie Schmerzen, Leiden oder Stress bei Versuchstieren zu reduzieren und somit zugleich auch die Qualität von Versuchsergebnissen zu erhöhen, erforscht das Bf3R Maßnahmen zur Reduzierung von Belastungen und der Verbesserung des Wohlergehens.[52][53] Zudem werden Bewertungskriterien für die Einschätzung des Belastungsgrades entwickelt. Bisherige Forschungsprojekte:
Voraussetzung für die Durchführung eines Tierversuchs ist eine behördliche Genehmigung. Seit Inkrafttreten der 3. Änderung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013[57] muss mit jedem Antrag auf Genehmigung eines Tierversuchsvorhabens eine allgemeinverständliche, nichttechnische Projektzusammenfassung (NTP) eingereicht werden.[58] In ihr werden der verfolgte wissenschaftliche Zweck und Nutzen, die erwarteten Schäden und Belastungen bei den eingesetzten Versuchstieren, die Art und die Anzahl der Tiere sowie alle im Vorfeld unternommenen Maßnahmen nach dem 3R-Prinzip erläutert. Seit dem 1. Januar 2021 wird für die Erfassung der NTP ein in der EU einheitliches Format genutzt.
Nach erfolgter behördlicher Genehmigung eines Tierversuchs veranlasst die zuständige Genehmigungsbehörde die Veröffentlichung der NTP in der Datenbank AnimalTestInfo. AnimalTestInfo ist eine frei durchsuchbare Online-Datenbank des Bf3R, die geschaffen wurde, um die Bevölkerung über Tierversuche zu informieren.[59] Das Bf3R wertet die NTPs zudem systematisch aus, um Forschungsfelder mit einem hohen Aufkommen von Tierversuchen zu ermitteln und somit wissenschaftliche Bereiche zu identifizieren, für die die Entwicklung von Alternativmethoden sowie Maßnahmen zur Reduktion der eingesetzten Tiere und der Verbesserung ihres Wohlergehens in besonderem Maße sinnvoll sein können.[60]
Das Bf3R betreibt am BfR seit Januar 2019 das Online-Studienregister Animal Study Registry (ASR).[61][62][63] Es bietet Forschern weltweit die Möglichkeit, ihre geplanten Tierversuche kostenfrei und urheberrechtlich geschützt zu registrieren, bevor die Studie durchgeführt wird. Bei der Präregistrierung werden wichtige Details zur geplanten Studie, wie die Fragestellung und das Studiendesign, von den Forschern festgelegt und später veröffentlicht. Das Bf3R verfolgt mit der Datenbank den Ansatz, die Forschung transparenter zu machen, die Qualität von Studien zu steigern und auch die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen, die nicht die erwünschten Ergebnisse erbracht haben. Durch den Publikationsbias werden aktuellen Schätzungen zufolge ein Drittel bis die Hälfte aller durchgeführten Tierversuche nicht veröffentlicht.[64][65][66] Durch die Präregistrierung können sich nun für andere Forscher wichtige Informationen ergeben, durch die sich in letzter Konsequenz unnötige Wiederholungen von Tierversuchen vermeiden lassen. Dadurch werden langfristig deutlich weniger Versuchstiere benötigt als bisher. Inspiriert ist das Projekt durch die Tatsache, dass klinische Studien an Menschen bereits seit geraumer Zeit und in vielen Ländern der Welt in klinischen Studienregistern präregistriert werden müssen. Für die Tierstudien ist die Präregistrierung bislang nicht gesetzlich gefordert und damit freiwillig.
Obwohl es für biomedizinische Fragestellungen bereits Suchmaschinen und Literaturdatenbanken gibt, die auch semantische Techniken zur Verfügung stellen, gibt es noch keine zufriedenstellende Lösung für die Suche nach Alternativmethoden zu Tierversuchen. Zur Unterstützung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelte das Bf3R, eine Suchmaschine für Alternativmethoden zu Tierversuchen, die auf der frei zugänglichen biowissenschaftlichen Literaturdatenbank PubMed (Medline) aufsetzt und diese um wichtige Funktionen erweitert.
Die Suchmaschine `SMAFIRA´ (`SMArt Feature basiertes Interaktives RAnking`) soll es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor der Antragstellung ermöglichen, geeignete Vorschläge für Alternativmethoden zu einem vorgegebenen Tierversuch(= Referenzdokument) zu finden. Darüber hinaus kann SMAFIRA die Ergebnisse der Recherche d. h. gefundenen Literaturstellen bezüglich ihrer thematischen Übereinstimmung zu dem vorgegebenen Referenzdokument und ihrer Relevanz als potentielle Alternativmethode zu dem jeweiligen Tierversuch reihen. Die Basis für die Entwicklung von SMAFIRA bilden `state-of-the-art´ Methoden des Text Mining (z. B. `Information Retrieval´, `Named-Entity Recognition´ bzw. `Relation Extraction´) und des Machine Learning (z. B. `Neural Networks´).[67]
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