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Ein Compoundkern (engl. compound nucleus = zusammengesetzter Kern; weitere Namen s. u.) oder Zwischenkern ist ein Atomkern in einem hoch angeregten instabilen Zustand, der sich während mancher Kernreaktionen kurzzeitig bilden kann.
Weitere, in diesem Zusammenhang verwendete Bezeichnungen sind außerdem, „Bohr assumption“[1], „Bohr's general theory“[2] und „Evaporation model“.[3]
Der Compoundkern entsteht durch vollständige Vereinigung des Projektilteilchens (z. B. Proton, Neutron, Alphateilchen) mit dem getroffenen Kern (Targetkern). Durch den Gewinn an Bindungsenergie befindet er sich in einem angeregten Zustand hoher Energie und kann einen hohen Gesamtdrehimpuls haben.
Nach einer Lebensdauer von etwa 10−19 bis 10−15 s zerfällt er dann in zwei oder mehr Kerne oder Teilchen, oder es bleibt beim Einfang des Projektilteilchens und die hinzugewonnene Bindungsenergie wird als Gammaquant abgestrahlt.[4] Der Zerfall ist nicht davon abhängig, auf welchem Wege der Zwischenkern entstanden ist. Beispielsweise sind, wenn es mehrere Zerfallskanäle gibt, deren Häufigkeitsanteile (Verzweigungsverhältnisse) stets gleich. Dies konnte experimentell an Fällen bestätigt werden, wo gleiche Zwischenkerne auf verschiedenen Reaktionswegen erzeugt wurden. Anschaulich gesagt hat der Zwischenkern bei seinem Zerfall – abgesehen von Erhaltungsgrößen wie Energie, Drehimpuls und Parität – „schon vergessen“, wie er entstanden ist. Dem entspricht es, dass selbst eine Lebensdauer von 10−19 s noch viel länger ist als die Zeit, die das Projektil zum „Durchqueren“ des Targetkerns bräuchte.[4]
Im einfachsten Fall (im Endzustand nur zwei Kerne/Teilchen) kann die Kernreaktion also wie folgt geschrieben werden:
Dabei bedeuten:
Die Winkelverteilungen der Produkte im Schwerpunktsystem sind als Folge der Drehimpulserhaltung immer spiegelsymmetrisch zur 90°-Richtung. Findet man eine solche Winkelverteilung, ist dies daher ein Hinweis auf diesen Reaktionsmechanismus.
Der Zwischenkern kann auch in denselben Kanal „zurück“ zerfallen, aus dem er gebildet wurde, also
Dieser Vorgang ist im Endeffekt eine einfache elastische Streuung. Da er aber hier durch den Zwischenkern vermittelt wurde, spricht man von compoundelastischer Streuung.
Das Zwischenkern-Reaktionsmodell ist vor allem bei Projektilenergien anwendbar, die deutlich unter der Bindungsenergie eines Nukleons im Targetkern (im Mittel ca. 9 MeV) liegen. Außerdem findet die Absorption a + X → Y* bevorzugt dann statt (ihr Wirkungsquerschnitt ist also besonders groß), wenn die Projektilenergie so gewählt wird, dass in dem möglichen Zwischenkern Y gerade eines seiner Energieniveaus im Kontinuum erreicht wird, wenn es also zu einer Resonanz kommt. Erkennbar ist dies an einem Maximum der Anregungsfunktion mit einer Form nach der Breit-Wigner-Formel. Ein Hinweis auf Zwischenkernbildung ist es daher, wenn relativ schmale Resonanzen beobachtet werden, denn schmale Resonanzen entsprechen nach der Heisenbergschen Unschärferelation einer langen mittleren Lebensdauer (siehe auch Zerfallsbreite).
Reaktionen wie die induzierte Kernspaltung, die zweite Phase (Kernverdampfung) einer Spallation und Teilcheneinfang-Reaktionen mit Gamma-Emission können ebenfalls nach dem Zwischenkernmodell verstanden werden.[4] Auch die als Quelle schneller Neutronen und als Energiequelle genutzte Deuterium-Tritium-Fusionsreaktion verläuft über einen Helium-5-Zwischenkernzustand.
Das Compoundkern-Reaktionsmodell wurde von Niels Bohr 1936 vorgeschlagen. Die weitere Entwicklung der Kernphysik hat später andere Reaktionsmodelle hervorgebracht, die besonders bei höheren Projektilenergien zur Erklärung der Beobachtungen nötig sind.
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