Remove ads
Phase einer gemeinsamen Atmosphäre in einem wechselwirkenden Doppelsternsystem Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Common-Envelope (deutsch Gemeinsame Hülle, abgekürzt CE) ist eine relativ kurze Phase mit instabilem Massentransfer in einem wechselwirkenden Doppelsternsystem mit einer Dauer von Monaten bis einigen Jahren. Während der Common-Envelope befindet sich der Begleitstern in der Atmosphäre des Primärsterns mit dem Ergebnis eines Verlusts von Drehmoment und dem Auswurf eines Teils der Atmosphäre des Primärsterns. Bei Überkontaktsystemen kann eine gemeinsame Hülle auch mehrere Millionen Jahre bestehen und für einen Energietransfer zwischen den Komponenten des Doppelsternsystems sorgen.[2] Der Energie- und Massetransfer während einer Common-Envelope ermöglicht die Bildung von Sternen und Planeten mit Eigenschaften, die sich aus einem Einzelstern nicht entwickeln können. Bei einem Common-Envelope-Ereignis wird genügend Energie frei, um einen Teil der Hülle bis auf Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Die expandierenden Gasmassen resultierend aus einer gemeinsamen Hülle dürften eine der primären Quellen für Staub im interstellaren Medium neben AGB-Sternen und Supernovaüberresten sein.[3]
Sterne mittlerer Masse expandieren im Laufe ihrer Entwicklung aufgrund ihrer ansteigenden Leuchtkraft. Dies gilt insbesondere für die Phase eines Roten Riesen oder AGB-Sterns, in der sich ein entarteter Kern herausbildet. In einem engen Doppelsternsystem kann die Expansion der äußeren Atmosphäre zu einem Überschreiten der Roche-Grenzfläche führen und in der Folge fließt Materie auf den Begleitstern.
Dieser Massetransfer hat zum einen zur Folge, dass der Rote Riese versucht, sein thermodynamisches Gleichgewicht durch eine weitere Expansion wiederherzustellen, zum anderen einen Verlust von Bahndrehmoment. Dadurch nimmt der Abstand der beiden Sterne ab, die Massentransferrate steigt weiter an, der Begleitstern kann die Masse kurzfristig nicht akkretieren und es kommt zur Ausbildung einer gemeinsamen Hülle, wobei Bahndrehmoment auf die gemeinsame Hülle übertragen wird und große Teile der so beschleunigten gemeinsamen Hülle in den interstellaren Raum verloren gehen (Common Envelope Ejection). Die Verringerung des Abstands kann bis zu einer Verschmelzung der beiden Sterne führen.[4][5]
Eine Common-Envelope-Phase in einem Doppelsternsystem mit einem Roten Riesen ist wegen ihrer kurzen Dauer noch nicht beobachtet worden. Die Modellierung hängt stark von Parametern wie der Viskosität ab.
Am Ende der Common-Envelope-Phase können unterschiedliche Formen von Doppelsternsystemen stehen:
Ein Doppelsternsystem kann verschmelzen, noch bevor einer der beiden Sterne die Hauptreihe verlassen hat. Ursache des Verlusts von Drehimpuls kann die Abstrahlung von Gravitationswellen oder magnetischer Drehimpulsverlust sein. Bei Letzterem wird Materie im Sternwind in den Magnetfeldlinien eingefroren und der Stern muss diese ionisierte Materie bei seiner Rotation mitschleppen.[22] Durch beide Effekte verringert sich der Radius der Umlaufbahn im Doppelsternsystem und bei einem zu geringen Abstand führt die Reibung zu einem schnellen Verschmelzen. Ein solcher Merger ist bei dem Beta-Lyrae-Stern V1309 Sco beobachtet worden und führte zu einer Leuchtkräftigen Roten Nova.[23] Neben Beta-Lyrae-Sternen gelten die Kontaktsysteme vom Typ W-Ursae-Majoris als Vorläufer eines Mergerbursts, bei dem die Bahnenergie in eine Expansion der gemeinsame Hülle mit einem temporären Anstieg der Leuchtkraft umgesetzt wird. Aus der Verschmelzung geht zunächst ein schnell rotierender Riese vom Typ FK-Comae-Berenices hervor, der sich langfristig in einen Blauen Nachzügler entwickelt.[24]
Die W-Ursae-Majoris-Sterne sind bedeckungsveränderliche Überkontaktsysteme, die über eine gemeinsame Hülle Energie austauschen. Obwohl die Massen der Komponenten dieser engen Doppelsternsysteme um bis zu einem Faktor 10 differieren können, haben die beiden Begleiter fast dieselbe Oberflächentemperatur. Die W-Ursae-Majoris-Sterne entstehen als getrennte Doppelsternsysteme und kommen durch einen Drehimpulsverlust aufgrund magnetischer Aktivität in Kontakt. Die W-UMa-Phase dauert einige bis einige 100 Millionen Jahre, und während der gesamten Zeit bleibt der Doppelstern in einer Common-Envelope eingebettet. Auch die W-Ursae-Majoris-Sterne sollten durch weiteren Drehimpulsverlust verschmelzen und einen Blauen Nachzügler bilden.[25][24]
Bei der Eruption auf veränderlichen Sternen wird eine Hülle ausgestoßen und vom Stern abgeworfen. Wenn dies z. B. bei Novae oder Supernovae in einem Doppelsternsystem geschieht, läuft der Begleiter für eine gewisse Zeit innerhalb einer gemeinsamen Hülle um den gemeinsamen Schwerpunkt. Die Dichte der Hülle ist für gewöhnlich zu gering, um einen signifikanten Einfluss auf den Begleiter zu haben, aber der Begleiter überträgt kinetische Energie auf die Hülle und formt damit die Struktur des Nebels. Die bipolare Form einiger Novaüberreste wird mit der Common-Envelope-Phase in Verbindung gebracht, z. B. bei langsamen Novae.[26]
Kommt es zu einer Common-Envelope-Phase, so wird die Bewegungsenergie des in die Atmosphäre eintauchenden Begleiters auf diese übertragen und führt in vielen Fällen zu einem Ausstoß der Hülle. Diese fällt wenigstens teilweise wieder entlang der Bahnebene zurück und bildet eine Scheibe um das Doppelsternsystem oder den aus der Verschmelzung hervorgehenden Einzelstern. In dieser Scheibe können sich Planeten auf sehr engen Bahnen bilden, und das scheint eine mögliche Erklärung für die Beobachtung von Planeten auf kurzen Umlaufbahnen um Weiße Zwerge und um blaue Unterzwerge zu sein. Auf ihren jetzigen Bahnen hätten die Planeten das Rote-Riesen-Stadium nicht überlebt.[27]
Neben der Bildung eines Planeten aus einer Akkretionsscheibe können auch ehemals massereiche Planeten eine Common-Envelope-Phase überleben. Wie Simulationsrechnungen zeigen, verlieren sie insbesondere durch Staudruck während des Eintauchens in die Atmosphäre des Roten Riesen einen Teil ihrer Masse. Dabei kann aus einem Gasplaneten mit den Eigenschaften eines Jupiters ein erdähnlicher Planet entstehen, der nur noch aus dem ehemaligen Kern des Gasplaneten besteht.[28]
Allerdings wird die Existenz zirkumbinärer Planeten um Post-Common-Envelope-Systeme von anderen Autoren angezweifelt. Alle behaupteten Nachweise beruhen auf dem Lichtlaufzeiteffekt in bedeckungsveränderlichen Doppelsternsystemen, wobei der Planet zu einer geringfügigen Verschiebung der Zeiten minimaler Helligkeit aufgrund einer Änderung des gemeinsamen Masseschwerpunktes führt. Wenn diese Planeten existierten, könnte der Zeitpunkt der Bedeckung genauer vorhergesagt werden, aber dies ist nicht der Fall. Auch sind häufig die berichteten Bahnen der angeblich gefundenen Exoplaneten nicht dynamisch stabil.[29] Weiterhin ist die Entstehung dieser zirkumbinären Planeten nicht unproblematisch. Aus dem Abkühlungsalter einiger Weißer Zwerge in Post-Common-Envelope-Systemen mit berichteten Exoplaneten ist auf ein Alter von weniger als eine Million Jahre geschlossen worden. Dies ist zu wenig für eine Planetenentstehung aus einer protoplanetarischen Scheibe nach dem Ende der Common-Envelope-Phase. Gasplaneten sind dagegen um Doppelsternsysteme aus zwei Hauptreihensternen, die Vorläufer der Post-Common-Envelope-Systeme, nicht beobachtet worden. Eine alternative Hypothese für die unregelmäßigen Bedeckungsminima wird in einer Änderung der Gestalt des Roten Zwergs aufgrund von magnetischer Aktivität vermutet.[30]
Post Common Envelope Binaries (PCEB) sind Doppelsterne, die aus einem Hauptreihenstern und einem Weißen Zwerg bestehen. Sie sind das häufigste Ergebnis einer Common-Envelope-Entwicklung und die Beobachtung dieser Sterne ermöglicht, die Parameter der Common-Envelope-Phase wie die Viskosität indirekt zu untersuchen. Die Systeme mit den kürzesten Umlaufdauern haben auch die höchste Wahrscheinlichkeit, einen Bedeckungslichtwechsel zu zeigen. Sie bestehen häufig aus einem heißen Weißen Zwerg und einem lichtschwachen Roten Zwerg. Diese Sterne werden sich weiter in ein kataklysmisches Doppelsternsystem entwickeln, wenn der Massentransfer vom Roten zum Weißen Zwerg einsetzt.[31]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.